Philippinen
Frieden auf Sendung
Seit mehr als 40 Jahren gibt es auf Mindanao blutige Auseinandersetzungen zwischen Rebellen, Separatisten und der Regierung. 2014 machte ein Abkommen Hoffnung auf Frieden. Doch dann geriet der Friedensprozess ins Stocken und durch erneute Eskalationen ins Wanken. Der ZFD gibt weder die Hoffnung noch sein Engagement auf.
Funken für den Frieden
„Wir bitten Präsident Duterte eindringlich, die lokale Konfliktlösung zu stärken anstatt sich ausschließlich auf das Kriegsrecht zu stützen“, schließt Samira Gutoc-Tomawis ihr Gespräch mit der Journalistin Sophia Paguital. Es ist der 3. August 2017. Sophia Paguital sitzt in Cotabato City im Studio. Hundert Kilometer entfernt tobten von Mai bis Oktober Gefechte zwischen Militär und Rebellen. Samira Gutoc-Tomawis sorgt sich mit ihrer NGO „Ranaw Rescue Team“ um die Geflüchteten. Das Interview wird live in die Region gefunkt. Es ist Donnerstagabend, Zeit für Radio „Bangsamoro Jetzt: Stimmen für den Frieden“.
Wie ist die Lage?
Seit mehr als 40 Jahren kämpfen auf Mindanao, der zweitgrößten Insel der Philippinen, verschiedene Rebellengruppen gegen Regierungstruppen für Unabhängigkeit, Gerechtigkeit und Teilhabe. Die muslimischen Moro, aber auch indigene Bevölkerungsgruppen sind gegenüber der katholischen Mehrheit benachteiligt. Viele Menschen leben in Armut. Dennoch schien Mindanao noch vor kurzem auf einem guten Weg. Friedensverhandlungen zwischen der größten Rebellengruppe MILF (Moro Islamic Liberation Front) und der Regierung kamen voran. Doch im Mai eskalierte die Gewalt. Rebellen, die der Terrororganisation „Islamischer Staat“ nahestehen, nahmen die Stadt Marawi ein. 500.000 Menschen flohen. Präsident Duterte verhängte das Kriegsrecht.
Wo brennt's?
Das Friedensabkommen zwischen MILF und Regierung von 2014 sieht die Gründung einer autonomen Region namens „Bangsamoro“ (dt.: „Nation der Moro“) vor. Doch der Friedensprozess ist ins Stocken geraten, und die Umsetzung des Abkommens kommt nicht voran. So bleiben auch die Konfliktursachen bestehen. Vermehrt treten neue bewaffnete, zum Teil IS-nahe Gruppen auf den Plan. Auch maoistische Rebellen verüben weiterhin Anschläge. Durch die Kämpfe um Marawi hat sich die Situation weiter zugespitzt. Die Folgen der Gewalt erschüttern die gesamte Region. Für den Frieden scheint hier keiner mehr ein offenes Ohr zu haben. Doch solange der Friedensprozess stockt, bleibt die Gefahr, dass Not, Angst und Wut sich mit Gewalt entladen.
Ein Gegenmittel zu Gewalt und Extremismus
Verschärft wird die Situation durch eine oft sensations-heischende Berichterstattung. Sie verstärkt Feindbilder, schürt Ängste und heizt Konflikte an. Dem setzen zivilgesellschaftliche Organisationen etwas entgegen. Das Kutawato Multimedia Network (KuMuNet) fördert einen "konfliktsensiblen" Journalismus. „Journalisten sind Agenten der Konfliktbearbeitung,“ sagt Ed Karlon Rama von PECOJON (Peace and Conflict Journalism), einem weiteren ZFD-Partner auf Mindanao. Und ZFD-Fachkraft Daniel Ong ist überzeugt: „Ein Netzwerk aus zivilgesellschaftlichen Organisationen und konfliktsensiblen Journalistinnen und Journalisten (…) wird unser bestes Gegenmittel zu Propaganda und gewalttätigem Extremismus sein.“
KuMuNet und PECOJON bieten Ausbildungen in Friedensjournalismus an. Medien bauen Spannungen ab statt auf, wenn sie umsichtig über die Konflikte berichten, wie Kursteilnehmer Tu Alid Alfonso im Gespräch bestätigt. Die Mitglieder von KuMuNet haben auch ihre eigene Öffentlichkeitsarbeit verbessert und bringen Menschen ins Gespräch. Das beste Beispiel dafür ist Radio „Bangsamoro Ngayon: Tinig Ng Kapayapaan“ (dt.: Bangsamoro Jetzt: Stimmen für den Frieden).
Radio „Bangsamoro Ngayon" beugt Gewalt vor
Jeden Donnerstag werden Nachrichten zum Friedensprozess in die gesamte Bangsamoro-Region gefunkt. Die Bevölkerung diskutiert dabei genauso mit wie Sprecher der Rebellen und Vertreterinnen der Regierung. Selbst aus den entlegensten Regionen schalten sich Bürger ein. Die deeskalierende Wirkung des Radios hat sich schon mehrfach gezeigt. Als die Stimmung in der Bevölkerung 2016 hochkochte, weil der Gesetzentwurf zur Autonomie der Bangsamoro-Region nicht durch den Senat kam, konnte die Sendung die Wut und Sorgen vieler Menschen auffangen. „Die öffentliche Diskussion im Radio trug dazu bei, dass es ruhig blieb, und dass die Menschen die Hoffnung auf Frieden nicht aufgaben“, sagt Nasserudin Dunding von der United Youth of the Philippines-Women, Mitglied bei KuMuNet. Ein anderes Mal rief der Sprecher einer Rebellengruppe in der Sendung an, um seine Sicht auf einen gewaltsamen Zusammenstoß mit dem Militär zu schildern. Durch die Aussprache „on air“ konnten Missverständnisse ausgeräumt und Wogen der Gewaltbereitschaft geglättet werden.
Der Zivile Friedensdienst ist mit zwölf Fachkräften auf Mindanao vertreten. Einen Überblick über die verschiedenen Facetten des Engagements finden sie hier.
Fotos: Header: Aubrey Rocin Llamas, Haupttext (von oben): KuMuNet, Wikimedia Commons/Marc Johmel, UNYPAD; Teaser oben (von links): Wikimedia Commons/Marc Johmel, Wikimedia Commons/Sanglahi86, forumZFD; Teaser rechts (von oben): KuMuNet, UNYPAD, PECOJON, ZFD/GIZ, PECOJON, forumZFD/Philippines Program