Mali
Voller Risse – voller Hoffnung
Nicht nur die Armut, sondern auch der Unmut ist groß in Mali, besonders im Norden. Hier kommt es seit Jahrzehnten zu gewaltsamen Aufständen. 2012 stürzte Mali in eine schwere Krise. Das 2015 errungene Friedensabkommen wird nur schleppend umgesetzt. Die Lage bleibt angespannt. Der ZFD und seine Partner suchen Auswege.
Biegen statt Brechen
Als der ehemalige Rebellenführer Mahamadou Djéri Maïga zurück nach Gao kommt, brodelt es in der ganzen Stadt. Es kursiert das Gerücht, er wolle Schläferzellen der Rebellen aktivieren. Die Bevölkerung ist außer sich. Es formiert sich ein Lynchmob. Dabei soll es bei dem Besuch um Versöhnung gehen. Maïga will seine Landsleute um Verzeihung bitten. 2012 war er an der gewaltsamen Besetzung des Nordens beteiligt. Die Angst sitzt noch immer tief, das Misstrauen ist groß. Bevor die Situation eskaliert, greift der Jugendverband CRJ ein. Mit Beharrlichkeit und Feingefühl können seine Mitglieder die Gemüter beruhigen.
Wie ist die Lage?
Mali ist ein Land voller Potentiale. Doch Armut und Perspektivlosigkeit prägen das Leben vieler Menschen. Besonders der Norden wurde lange vernachlässigt. Die nomadisch lebenden Tuareg, Araber und Fulbe fühlen sich gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen benachteiligt. Hinzu kommen organisierte Kriminalität und islamistische Gruppen, die in der Region operieren. Eine explosive Mischung. 2012 schlitterte Mali in eine schwere Krise. Ein Militärputsch stürzte die Regierung. Rebellen brachten den Norden unter ihre Gewalt. Es folgte eine Militärintervention mit UN-Mandat, die bis heute andauert und an der auch die Bundeswehr beteiligt ist. Das 2015 errungene Friedensabkommen wird nur schleppend umgesetzt. Die Konfliktursachen sind nicht behoben. Die Gesellschaft ist gespaltener denn je.
Wo brennt's?
Solange die Konfliktursachen nicht beherzt angegangen werden, kann in Mali kein Frieden wachsen. Armut, Ungerechtigkeit und die gesellschaftliche Spaltung stehen einer positiven Entwicklung im Wege. Trotz massiver Militärpräsenz kommt es immer wieder zu Anschlägen und Gewalt. Viele Menschen sind frustriert. Manche resignieren, manche begehren auf. Insbesondere der Jugend, der größten gesellschaftlichen Gruppe, fehlt es an Perspektiven. Die Gewaltbereitschaft unter einigen Jugendlichen ist hoch. Zum Schritt in die Radikalisierung fehlt oft nicht viel. Durch die Krise von 2012 sind die Risse im gesellschaftlichen Gefüge noch tiefer. Sie reichen bis in einzelne Familien hinein. Nun stehen sich Menschen gegenüber, die einerseits Opfer der Besatzung wurden, und andererseits mit den Rebellen sympathisierten oder gar kollaborierten. Versöhnung und Reintegration sind große Herausforderungen, genauso wie die Aufarbeitung erlebter Gräuel.
Was kann Friedensarbeit im Schatten der Gewalt bewirken?
Augustin Cissé, Generalsekretär der ZFD-Partnerorganisation ORFED, ist sich sicher: "Die Lösung von Konflikten ist eine zivilgesellschaftliche Aufgabe und keine militärische." ORFED und der ZFD engagieren sich in Gao im Norden Malis für ein friedliches Zusammenleben der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Sie setzen auf Dialog und Versöhnung, zivile Konfliktbearbeitung und Kreativität – an Schulen, in Dialogforen in den Gemeinden und in der Jugendarbeit. Souleymane Koné, Beauftragter für Friedenserziehung und gute Regierungsführung bei ORFED, beschreibt, wie die berechtigte Wut der Jugendlichen in friedliche Bahnen gelenkt werden kann und was sie vor Radikalisierung schützt. Der ZFD bildete zudem präventiv rund 40 malische Expertinnen und Experten in gewaltfreier Konfliktbearbeitung aus. Viele von ihnen konnten so während der Krise dazu beitragen, dass Konflikte auf lokaler Ebene nicht weiter eskalierten. Nach der Krise unterstützten viele die lokalen Dialog- und Versöhnungsforen, die das Ministerium für nationale Aussöhnung organisierte.
Auch konstruktiver Journalismus ist ein wichtiger Pfeiler der Friedensarbeit. Journalistinnen und Journalisten gründeten nach einer Fortbildung bereits 2007 den Verband „Journalisten für Frieden und Gewaltfreiheit“, der seitdem vom ZFD unterstützt wird. Der Journalist Aimé Rodrigue Dembélé berichtet über seine Wandlung vom „Saulus zum Paulus“. Heute leitet er Fortbildungen zum Friedensjournalismus. In den Goldabbaugebieten bringt die Organisation FDS unterschiedliche Akteure an einen Tisch, damit der Goldabbau sozial- und umweltverträglich, friedlicher und nachhaltig verläuft.
„Wir haben einen spürbaren Beitrag zum Rückgang der Gewalt geleistet“, resümiert ZFD-Fachkraft François Tendeng und zeigt auf, was in Mali mit mehr Mitteln noch erreicht werden könnte.
Weiterdenken
Nicht nur Mali, die gesamte Region ist durch ein explosives Konfliktpotential gekennzeichnet. "Die Konflikte und deren Ursachen machen vor den Ländergrenzen nicht Halt. Wer in Mali erfolgreiche Friedensarbeit machen möchte, muss länderübergreifend denken und ansetzen", weiß ZFD-Fachkraft Paul Nka’a zu berichten. Als Koordinator hat er die Projektaktivitäten des ZFD in Mali, Niger und Burkina Faso im Blick. Der ZFD ist auch in den Nachbarländern Guinea und Senegal aktiv.
Fotos: Header: ZFD / EIRENE; Haupttext: EIRENE; Teaser oben (von links): Wikimedia Commons / Michael R. Noggle, UNESCO Africa; EIRENE; Teaser rechts (von oben): François Tendeng / EIRENE, UN-Photo / Marco Dormino, EIRENE, Martin Zint; Wikimedia Commons / Iamgold; ORFED / Mohamed Cissé