
„Gewalt durch Gewaltfreiheit bekämpfen.“
Impuls Mali
In Mali engagieren sich viele Menschen für ein Ende der Gewalt und für Frieden und Entwicklung. Wozu braucht es da den ZFD? Oder anders gefragt: Warum braucht es mehr ZFD in Mali? ZFD-Fachkraft François Tendeng erläutert, was mit mehr Mitteln noch erreicht werden könnte.
Die Lage in Mali ist angespannt. Welche Chancen haben da Methoden der gewaltfreien Konfliktbearbeitung?
Die Menschen in Mali sind tief im Innern davon überzeugt, dass Frieden die Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens bildet. Sie sehnen sich nach Frieden und wollen aktiv darauf hinarbeiten. Dafür muss in der Bevölkerung aber die Erkenntnis reifen, dass Konflikte die Chance auf Weiterentwicklung bieten. Wir brauchen den Dialog zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, mehr Vertrauen zwischen Bevölkerung und Staat und soziale Gerechtigkeit. Die Ressourcen Malis müssen allen zugutekommen. Zivile Konfliktbearbeitung gehört ganz oben auf die Agenda, damit dies gelingt. Die vorhandenen Anstrengungen müssen daher stärker ausgebaut werden.
Wie hat sich die Situation durch die Arbeit des ZFD verbessert?
Gemeinsam mit unseren Partnern vor Ort bewirken wir eine Veränderung in den Einstellungen und Handlungen der Menschen im Alltag. Wir haben einen spürbaren Beitrag zum Rückgang der Gewalt an Schulen, Universitäten und in den Regionen des Goldabbaus geleistet. Das trifft auch auf die Jugendorganisationen zu, mit denen wir arbeiten. Wir haben uns auf geographisch sehr begrenzte Gebiete und auf eine kleine Anzahl von Partnern konzentriert, um effizient und nachhaltig zu arbeiten. Aus Jugendlichen sind Mediatorinnen und Mediatoren geworden, Journalistinnen und Journalisten bauen Spannungen ab statt auf und mit ziviler Konfliktbearbeitung und Kunst konnten wir die Gewalt an Schulen bekämpfen. Das sind nur einige von vielen Beispielen.
Welche Begebenheit hat Sie besonders berührt?
Nach der Aufführung des Theaterstücks „Kleine Streitereien gibt es nicht“ durch Schülerinnen und Schüler von drei Partnerschulen, erklärte Maimouna Diakité, Rektorin der „Ina Yaro Schule“ in Bamako: „Bislang habe ich nicht an die positive Kraft von Nichtregierungsorganisationen geglaubt. Aber nach allem, was GENOVICO* geleistet hat, habe ich wieder Hoffnung geschöpft, dass euer Engagement den Schülerinnen und Schülern und dem malischen Schulwesen wirklich und wirksam zugutekommt. Ich möchte diese Form der Bildungsarbeit, von der wir so profitiert haben, auf jeden Fall fortsetzen.“

Was könnte mit mehr Mitteln für zivile Friedensarbeit in Mali noch erreicht werden?
Mit mehr Mittel könnten wir unseren Aktionsradius ausweiten und auch in anderen Städten und Landesteilen Malis den Friedensprozess voranbringen. Wir könnten uns außerdem stärker für die Belange der Jugendlichen engagieren. Es gibt keinen Frieden, wenn die Jugend keine Perspektiven hat. Es gibt auch keinen Frieden ohne die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen am gesellschaftlichen Leben und am Friedensprozess.
Was ist erforderlich, damit der Friedensprozess in Mali gelingen kann?
Ich kann auf diese Frage nur mit der nötigen Demut antworten, da ich weiß, dass sich Hunderte Organisationen und Tausende Menschen seit Jahren dafür einsetzen, dass Mali Frieden findet. Für mich ist es an der Zeit, sich auf einen Ansatz zur Lösung der Konflikte zu verständigen, der nicht die Gewalt in den Mittelpunkt stellt. In Mali blicken wir auf ein komplexes Puzzle aus Akteuren und Ressourcen, aus Waffen und Interessen. Die militärischen Anstrengungen verschlingen enorme Ressourcen, die meiner Einschätzung nach zu wenig zum sozialen Frieden beitragen. Es bedarf viel Mut und Ausdauer, um Gewalt durch Gewaltfreiheit zu bekämpfen. Aber es zahlt sich aus, denn wo Menschen einen dauerhaften Frieden gestalten, ist auch der gesellschaftliche Zusammenhalt der künftigen Generationen gesichert.
Was konkret geschehen müsste, damit der Frieden vorankommt, lässt sich vielleicht an ein paar Beispielen erläutern: Wir brauchen mehr friedliche und zivile Aktionen und Initiativen, die den Dialog zwischen den Gemeinschaften vertiefen. Die Interessenkonflikte rund um den Abbau unserer Bodenschätze müssen dabei ebenso mutig angesprochen werden wie die Fragen des Drogenhandels, sozialer Ungerechtigkeit und die Folgen von Rassismus und Kolonialisierung. Es ist dabei nicht zulässig, einige Bevölkerungsgruppen auszuschließen und als Feinde abzustempeln: Alle Konfliktparteien müssen in die Gespräche einbezogen werden. Wir brauchen dazu mehr Menschen, die in ziviler Konfliktbearbeitung ausgebildet sind und die dieses Wissen weitergeben – auch in die Entwicklungsprojekte des Landes.
François Tendeng unterstützt seit 2015 als ZFD-Fachkraft die Partnerorganisation ORFED** in Mali. Der Wahl-Berliner ist Erzieher, Lehrer und Berater für politische Bildung. Die Schwerpunkte seiner Arbeit in Mali liegen in den Bereichen gewaltfreie Konfliktbearbeitung, Friedenserziehung und gute Regierungsführung. Der 56-Jährige wurde in der senegalesischen Hauptstadt Dakar geboren. Seine Familie stammt aus der Casamance im Süden Senegals.
* GENOVICO ist der Name des übergeordneten ZFD-Programms, das sich grenzübergreifend in den Ländern Mali, Niger und Burkina Faso engagiert. GENOVICO steht für "Programme de gestion non violente des conflits au Sahel" (Programm zur gewaltfreien Konfliktbearbeitung im Sahel).
**ORFED = Organisation pour la Réflexion, la Formation et l’Education à la Démocratie et au Développement (Organisation für Reflexion, Bildung und Erziehung im Bereich Demokratie und Entwicklung). Mehr über die Arbeit von ORFED erfahren Sie im Interview mit Augustin Cissé, dem Generalsekretär der Organisation.
Fotos: EIRENE