Vom Scharfmacher zum Vermittler

Aimé Rodrigue Dembélé

Einst zeichnete sich der Journalist Aimé Rodrigue Dembélé durch eine besonders aggressive Schreibe aus. Heute berichtet er ausgewogen über die Lage in Mali. Wie ist ihm die Wandlung vom Scharfmacher zum Vermittler gelungen?

Weit mehr als Was, Wann, Wo

Aimé Rodrigue Dembélé schreibt das Wort „Frieden“ auf die Flipchart. „Was ist Frieden?“ fragt er in die Runde. Erst nur zögerlich, dann immer eifriger bringen sich die Anwesenden ein. Dembélé trägt das Stimmungsbild zusammen. Er leitet die heutige Fortbildung zum Thema Friedensjournalismus. „Wie können Medienschaffende über Konflikte berichten, ohne Öl ins Feuer zu gießen?“, ist die zentrale Frage. Gemeinsam erörtern und erproben die Kursteilnehmenden, wie eine ausgewogene Berichterstattung zur Entspannung einer Krise beitragen kann.

Aus eigenen Erfahrungen weiß Aimé Rodrigue Dembélé um die Fallstricke seines Gewerbes. Einst war er Schlagzeilenjournalist und wetterte, was das Zeug hielt. 2002 wurde er für seinen aggressiven Schreibstil offiziell gerügt. Als er 2007 an einer Fortbildung des ZFD teilnimmt, beginnt er umzudenken. „Zum ersten Mal habe ich journalistische Grundregeln gelernt, wie zum Beispiel die Notwendigkeit, alle Seiten eines Konflikts zu berücksichtigen“, erinnert sich Dembélé. Seitdem setzt er sich für einen konfliktsensiblen Journalismus ein.

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Vom Trainee zum Trainer

Dembélé startete 2000 als Quereinsteiger bei einer malischen Tageszeitung. Eine journalistische Ausbildung hat der studierte Jurist nicht. Doch es war nicht nur die fehlende Ausbildung, die ihn zum Skandalreporter werden ließ. Es fällt schwer, neutral über einen Konflikt zu berichten, wenn man selbst samt Freunden und Familie betroffen ist. Und dann ist da noch die Sache mit der Auflage: Reißerisches verkauft sich oft besser als eine objektive Darstellung der Ereignisse. Viele Redaktionen setzen daher eher auf Schlagzeilen als auf Fakten.

Das einwöchige Training 2007 hat den Blick von Aimé Rodrigue Dembélé geweitet. „Die soziale Verantwortung der Medien war mir zuvor nicht bewusst“, sagt er heute. Medien haben Macht. Sie können die öffentliche Meinung sowohl negativ als auch positiv beeinflussen. Wird „konfliktsensibel“ berichtet, tragen sie dazu bei, Spannungen abzubauen.

Inzwischen gibt Dembélé selbst Fortbildungen in Friedensjournalismus. „Um dauerhaften Frieden zu erlangen“, vermittelt er den Teilnehmenden, „braucht es einen konstruktiven Umgang mit Konflikten – auch in den Medien.“ Gemeinsam wird überlegt, wie das in der journalistischen Praxis gelingen kann. In Theorieblöcken werden die Konzepte gewaltfreier Konfliktbearbeitung und konfliktsensibler Berichterstattung vorgestellt. In praktischen Übungen erproben die Teilnehmenden das Gelernte, um für den beruflichen Alltag gerüstet zu sein.

Journalisten für Frieden und Gewaltfreiheit

Der Workshop von 2007 hat Aimé Rodrigue Dembélé und die anderen Teilnehmenden so sehr beeindruckt, dass sie den Verein AJPV – „Journalisten für Frieden und Gewaltfreiheit“ (L’Association des Journalistes pour la Paix et la Non-violence) gründeten. Der AJPV bietet seitdem Fortbildungen in Friedensjournalismus an. Darüber hinaus wollen die Vereinsmitglieder ein Umdenken in den Redaktionen erreichen. Sie nehmen die malische Medien unter die Lupe. „Weisen ein Artikel oder eine Radiosendung die Tendenz auf, gesellschaftliche Konflikte zu verschärfen, indem beispielsweise diffamierende Worte verwendet werden, suchen wir die Diskussion“, erklärt Dembélé die Strategie vom AJPV.

Der ZFD unterstützt die Arbeit des AJPV seit seiner Gründung. Nach wie vor führt der ZFD auch eigene Fortbildungen in Friedensjournalismus durch, damit immer mehr Journalistinnen und Journalisten zu „Mittlerinnen und Mittlern “ werden.


Der Text basiert auf zwei Reportagen, die die ehemalige ZFD-Fachkraft Lisa Tschörner für ZFD-Träger EIRENE geschrieben hat. Lisa Tschörner arbeitet mittlerweile als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien der Universität Bremen. Derzeit arbeitet sie unter anderem am DFG-Projekt "Interventionen gegen sexualisierte Gewalt in Konfliktgebieten". Fotos (von oben): Martin Zint; ORFED