Libanon
Fragil stabil
Der Libanon steht vor großen Herausforderungen: Die politische Zukunft ist ungewiss, die wirtschaftliche Lage schlecht und die Gesellschaft gespalten. Ohne Annäherung zwischen den gesellschaftlichen und politischen Lagern läuft der Libanon Gefahr, erneut Schauplatz gewaltsam ausgetragener Konflikte zu werden. Der ZFD stößt den gesellschaftlichen Dialog an.
Wie wird aus fragil stabil?
Von außen betrachtet sieht die erste Begegnung von Radwa und Joseph äußerst freundschaftlich aus. Die beiden haben sich offensichtlich viel zu erzählen. In der Begrüßungszeremonie geht es zunächst aber darum, den Hintergrund des anderen zu erfassen. Sehr genau wird der Nachname registriert. Scheinbar beiläufig werden Wohn- und Heimatort erfragt. Mit diesen Informationen treffen Libanesinnen und Libanesen bereits eine erste Einschätzung ihres Gegenübers über Konfession, Stand und Wohlstand der Familie sowie ihren politischen Einfluss. Ob das Gespräch genauso freundschaftlich weitergeht, hängt von den Geschichten und Erfahrungen ab, die man jetzt mit seinem Gegenüber verbinden kann.
Wo brennt´s?
Die libanesische Gesellschaft ist instabil. Das Misstrauen untereinander und gegenüber staatlichen Stellen ist groß – auch weil das politische Geschehen von alten Eliten und Bürgerkriegsakteuren bestimmt wird. Viele Libanesinnen und Libanesen ziehen sich resigniert in religiöse oder familiäre Gemeinschaften zurück. Zwar gibt es zivilgesellschaftliche Organisationen. Häufig bedienen sie aber nur das eigene Klientel oder füllen die Lücken der staatlichen Versorgung. Es gibt kaum Initiativen, die sich unabhängig von religiöser, politischer, regionaler oder familiärer Färbung engagieren. Gewalt ist im Libanon an der Tagesordnung, um Interessen durchzusetzen. Die Situation scheint festgefahren. Kaum jemand glaubt noch an friedliche Veränderungen.
So ist er, der Libanon?
An dem ZFD-Projekt "Hayda Lubnan" (dt.: „So ist er, der Libanon“) sind fünf libanesische Organisationen aus unterschiedlichen Regionen beteiligt – eine Premiere. Hayda Lubnan holt die Menschen aus der Resignation. Im Fokus steht eine Frage, die alle betrifft: In was für einem Libanon wollen wir leben? Hayda Lubnan eröffnet den Dialog über ein lebenswertes Libanon, in dem Gewalt von allen geächtet wird. Das geschieht durch Veranstaltungsreihen für religiöse Würdenträger und politische Nachwuchskräfte, für Journalistinnen, Künstler und Jugendliche. Dabei wird immer wieder deutlich: Die meisten Menschen wünschen sich das Gleiche, egal welchen Hintergrund sie haben: Frieden, Stabilität, Arbeit – und weniger Gewalt im Libanon.
Den Visionen Taten folgen lassen
Je genauer die Menschen wissen, in was für einem Libanon sie leben möchten, desto einfacher wird es, darauf hinzuarbeiten. Wenn Vertrauen wächst, können auch konkrete Probleme angepackt werden. Bürgerinnen und Bürger arbeiten beispielsweise daran mit, die Lebensqualität in den Stadtteilen und Gemeinden zu verbessern. Partner und Fachkräfte organisieren Weiterbildungen in Kommunikation und Konfliktlösung und planen überregionale Kooperationen. Das Ziel: mehr gesellschaftlicher Zusammenhalt – weniger Gewalt.
Alle für ein Ziel – ein Ziel für alle
Wenn Menschen und Organisationen sich vernetzen, entsteht aus einer Idee eine Bewegung, die gewaltfrei für Frieden, politische und wirtschaftliche Stabilität streitet. Hayda Lubnan bringt zivilgesellschaftliche Organisationen unterschiedlicher Gruppen und Regionen zusammen. Erstmalig wurde dabei ein überregionales Projekt umgesetzt. Ein gemeinsamer Fotowettbewerb mag auf den ersten Blick banal erscheinen. Im Libanon ist eine solche Kooperation jedoch ein wichtiger Schritt in eine vereinte Gesellschaft. Auch die nächste gemeinsame Aktion startete erfolgreich: Eine Trainingsreihe in Konfliktbearbeitung, konzipiert von ZFD-Fachkraft Benjamin Goebel. Alle fünf Partnerorganisationen nehmen daran teil.
Fotos: Header und Haupttext: ZFD/GIZ; Teaser oben (von links): Albrecht Harder, Wikimedia Commons/Maison Bonfils, Utopia; Teaser rechts (von oben): Mona Ahmed; ZFD/GIZ (4x); Mohammad Bassyoun; forumZFD