Mit Expertise und Engagement
Die Fachkräfte des ZFD im Libanon
Gertraud Beck und Benjamin Goebel arbeiten als Fachkräfte des ZFD im Hayda Lubnan-Projekt im Libanon. Im Gespräch verraten sie uns, was sie dazu motiviert und was alles passieren müsste, damit sie arbeitslos werden.
Was motiviert Sie, sich als ZFD-Fachkraft zu engagieren?
Benjamin Goebel: Ich liebe es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die sich Gedanken um ihre Umwelt und Mitmenschen machen, die sich engagieren für die Rechte anderer und ihre eigenen Rechte. Mich motiviert auch der Gedanke, andere bei der Realisierung ihres Potentials zu unterstützen und mich durch diesen Prozess selbst zu verbessern.
Gertraud Beck: Was ich einbringen und teilen möchte, sind vor allem die Erkenntnisse, die in der Friedensforschung gewonnen wurden - auch aufgrund der Erfahrungen unserer eigenen deutschen Geschichte. Wie können Konflikte gewaltfrei bearbeitet werden? Was kann man aus den Beispielen lernen, in denen Gesellschaften nach einem Bürgerkrieg wieder zusammengewachsen sind? Die Kenntnisse über Dynamiken vor Ort kommen von meinen einheimischen Kolleginnen und Kollegen. Ich trage Ideen und Werkzeuge über mögliche Ansatzpunkte für die Friedensarbeit bei.
Was hat Ihre Arbeit bereits bewirkt?
Benjamin Goebel: Die wesentlichen Wirkungen sehe ich im zwischenmenschlichen Bereich. Zuerst haben wir uns auf Vertrauensbildung konzentriert. Unsere Partnerorganisationen konnten Erfahrungen mit uns sammeln. Sie vertrauen uns und wissen, dass wir unsere Arbeit eng an ihre Bedürfnisse knüpfen. Sie sehen, dass wir sie dabei unterstützen, ihre Kapazitäten zu erweitern, damit sie effektiver arbeiten und kooperieren können. Es ist ein wesentliches Ziel unserer Arbeit, die Zivilgesellschaft im Libanon zu stärken. In ihr liegt nach unserer Meinung das Potential, die konfessionellen und regionalen Gräben zu überwinden.
Gertraud Beck: Wir haben Gemeinsamkeiten entdeckt, zum Beispiel, dass die Bedürfnisse in den Regionen nicht so verschieden sind, wie es die zersplitterte Landkarte vermuten lässt. Wir konnten Denkanstöße geben. Unsere libanesischen Kolleginnen und Kollegen diskutieren jetzt, welche weiteren Möglichkeiten es gibt, wenn ein Weg versperrt erscheint. Wir haben die Vernetzung vorangetrieben. Unsere Partnerorganisationen, die in unterschiedlichen Landesteilen sitzen, treffen sich nun regelmäßig, tauschen sich aus und lernen voneinander.
Was müsste passieren, um den Erfolg Ihrer Arbeit noch zu vergrößern?
Gertraud Beck: Oft ist die räumliche Distanz hinderlich. Wenn wir uns öfter treffen und häufiger bei den Partnerorganisationen vor Ort sein könnten, würde das mehr Vertrauen schaffen, tiefere Einblicke gewähren und ein besseres Verständnis für die alltägliche Arbeit der Partner ermöglichen. Zusätzliche Partnerorganisationen könnten das Netzwerk beleben und neue Perspektiven einbringen. Das würde letztlich aber mehr Kräfte fordern.
Benjamin Goebel: Wir müssten das Netzwerk weiter ausbauen und mehr Fachwissen austauschen. Das könnte die gesellschaftlichen Dialogräume noch weiter öffnen. Wichtig wäre außerdem, die Fähigkeiten der Partnerorganisationen noch weiter auszubauen, beispielsweise durch mehr Angebote zur Organisationsentwicklung. Es würde auch helfen, erfolgreiche Arbeitsbeispiele zu teilen, damit die Organisationen daraus lernen können.
Was sind die größten Schwierigkeiten und wie gehen Sie damit um?
Gertraud Beck: Im Libanon herrscht eine gewisse Frustration, die den Blick in die Zukunft verstellt. Bei dem Gedanken, dass der nächste Krieg schon morgen alles zerstören kann, ist der Wille, heute etwas zu bewegen, sehr eingeschränkt. Zu viele Hürden scheinen den Weg in eine aktiv gestaltete Zukunft zu versperren. Der politische Stillstand im Land dient manchmal als Entschuldigung dafür. Stattdessen wollen gerade junge Menschen gerne schnell Resultate sehen. Wir versuchen, langfristige Wirkungen sichtbar zu machen.
Benjamin Goebel: Es gibt auf den ersten Blick wenige verbindende Elemente in der libanesischen Gesellschaft. Wir glauben jedoch, dass es viele Berührungspunkte geben kann. Das Gemeinsame liegt vor allem im kulturellen und künstlerischen Bereich und in Themen, die alle betreffen, wie beispielsweise die Umweltverschmutzung. Uns geht es vor allem darum, Gemeinsames herauszustellen und daraus Kooperationen zu entwickeln. Dies wird aber durch das gegenseitige Misstrauen und die Lethargie stark gedämpft. Für mich persönlich könnte es auf Dauer frustrierend sein, wenn ich immer wieder den Enthusiasmus wecken muss.
Stellen Sie sich vor, Sie wachen eines Tages auf und alle Konflikte sind plötzlich beigelegt. Woran würden Sie das als Erstes erkennen? Was genau wäre anders?
Gertraud Beck: An der Kündigung im Postfach, denn dann wäre die Arbeit des ZFD hinfällig. Ich glaube, mir würde als Erstes die reine, frische Luft auffallen. Mein Stadtviertel würde irgendwie anders aussehen: gemischter, vielleicht mit unterschiedlichen Gotteshäusern nebeneinander. Vielleicht würde ich mehr Sprachen hören und das Personal meiner Nachbarn hätte geregelte Arbeitszeiten. Ich würde keine erbosten Hupkonzerte auf den Straßen hören und ein Plakat für parlamentarische Neuwahlen entdecken. Es würden Parteien ohne Konfessionshintergrund und Politikerinnen und Politiker ohne Bürgerkriegsvergangenheit antreten. Inhalte und Ideen stünden im Mittelpunkt. Es gäbe mehr grüne Oase in der Stadt und öffentliche Orte für Begegnungen. Syrische Geflüchtete müssten nicht mehr betteln, sie wären nicht ausgeschlossen.
Benjamin Goebel: Ich wäre zuallererst einmal arbeitslos. Ich würde als Tourist im Libanon sein. Ich könnte mich im schiitischen Viertel Burj al Barajneh im Süden Beiruts frei bewegen und Fotos mit meinen christlichen und sunnitischen Freundinnen und Freunden machen, ohne mich sorgen zu müssen, dass neben uns eine Bombe hochgeht. Ebenso sorglos könnte ich mit meinen drusischen und christlichen Freunden meine sunnitischen Freunde in Tripoli besuchen. Ich würde beim Überqueren der Straße nicht sofort angehupt werden. Libanesische Politikerinnen und Politiker würden die Infrastruktur wieder in Gang bringen, den Müll umweltgerecht entsorgen lassen, Grünflächen und Nationalparks im gesamten Land erweitern und die enorme Vielfalt an kulturellem Erbe erhalten.
Fotos: ZFD/GIZ