Schauplatz Beirut
Geteilte Stadt – Vereinte Stadt?
Geteiltes Land
Am 5. November 1989, vier Tage bevor in Berlin die Mauer fällt, besiegelt das Abkommen von Ta’if offiziell das Ende des libanesischen Bürgerkriegs. Die Kämpfe waren 1975 ausgebrochen und forderten mehr als 150.000 Tote. In der Hauptstadt Beirut teilte ein Todesstreifen die Stadt in zwei Hälften, fast so wie in Berlin, wenn auch ohne Mauer. Heckenschützen sorgten für eine Trennung zwischen christlich dominiertem Osten und muslimisch dominiertem Westen. Mit der Zeit verwucherte die Straße und wurde während des Krieges zur berüchtigten „grünen Linie“. Im Oktober 1990 endeten die letzten Kampfhandlungen. Nach 15 Jahren Krieg lagen Libanon und seine Hauptstadt Beirut, das einstige „Paris des Nahen Ostens“, in Schutt und Asche.
Damals wie heute steht Beirut exemplarisch für den gesamten Libanon. Die Gesellschaft ist gespalten, vielleicht mehr denn je – und nicht bloß in zwei Teile. Der Libanon ist ein Land der Vielfalt. Doch die Risse im sozialen Gefüge sind tief. Der Krieg hat das Misstrauen nur noch weiter verschärft, vor allem zwischen religiösen und politischen Gruppen. Ein echter Dialog zwischen den Lagern findet kaum statt – weder auf politischer Bühne, noch an der Basis der Gesellschaft. Das hemmt die Aufarbeitung der Vergangenheit genauso wie die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft.
Vereint, aber nicht befriedet
Mit dem Abzug der im Land stationierten syrischen Truppen folgte 2005 schließlich die Unabhängigkeit. Doch ein Klima der Gewalt herrscht auch noch 27 Jahre nach Kriegsende. Konflikte werden im Kleinen wie im Großen regelmäßig mit Gewalt ausgetragen. Die innenpolitische Lage ist instabil. Der seit 2011 wütende Krieg im Nachbarland Syrien macht auch vor den Grenzen des Libanon nicht Halt. Ohne Annäherung zwischen den gesellschaftlichen und politischen Lagern schwebt die Gefahr der Eskalation über dem Land.
Frieden kann nur mit vereinten Kräften erreicht werden. So wie im Mai 2015, als Zehntausende, überwiegend junge Libanesinnen und Libanesen auf die Straße gingen. Menschen aller Lager, vereint in dem Wunsch nach Veränderung. Die Route ihres Protestmarschs: entlang der „grünen Linie“, der ehemaligen Grenze zwischen Ost und West.
Foto: Mona Ahmed