Klima braucht Frieden und Gerechtigkeit
Bewältigung der Klimakrise kann nur kooperativ und menschenrechtsbasiert gelingen
Obwohl die Länder des globalen Nordens die Erderwärmung maßgeblich verursacht haben, werden sie unter den Folgen des Klimawandels am wenigsten leiden. Viele arme und fragile Staaten trifft der Klimawandel hingegen besonders schwer. Damit die Klimakrise die globalen Ungerechtigkeiten nicht weiter zementiert, braucht es mehr Partizipation, Solidarität und Kooperation.
COP27 – geschlossen entschlossen?
#JustAndAmbitious ist der Hashtag zur diesjährigen UN-Klimakonferenz COP27, die vom 6. bis zum 18. November 2022 im ägyptischen Sharm El-Sheikh stattfindet. „Gerecht und ehrgeizig“ soll sie sein, die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, beschlossen 2015 auf der COP21.
Ehrgeizig, weil seitdem zu wenig geschehen ist. Die auf nationaler Ebene gesteckten Ziele reichen längst nicht aus, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, wie in Paris verbindlich vereinbart wurde. Stattdessen läuft es auf katastrophale 2,7 Grad hinaus, wie UNEP, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, im Emissions Gap Report 2021 vorgerechnet hat.
Gerecht, weil die Klimakrise auch eine Gerechtigkeitskrise ist. Die Menschen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, werden unter seinen Folgen am meisten leiden. Viele der verwundbarsten Länder brauchen mehr Mittel und Möglichkeiten, um Schäden vorzubeugen und sie zu bewältigen. Die ohnehin schon eklatanten Ungerechtigkeiten zwischen globalem Norden und Süden nehmen sonst weiter zu. Auch innerhalb einzelner Länder wird sich die Ungleichheit verschärfen: Wer schon jetzt benachteiligt ist, läuft Gefahr, durch die Klimakrise weiter abzurutschen. Das trifft vielerorts gesellschaftlich benachteiligte Gruppen wie Frauen und Kinder, indigene Gruppen und Minderheiten wie zum Beispiel Menschen mit Behinderungen.
Verantwortung verpflichtet
Das Motto der COP27 #Together4Implementation demonstriert Geschlossenheit und Kooperation: Die Klimakrise lässt sich nur bewältigen, wenn sie als Gemeinschaftsaufgabe angegangen wird. Das heißt allerdings nicht, dass die Anstrengungen und Kosten gleich verteilt werden können. Den Löwenanteil zur Begrenzung und Bewältigung des Klimawandels müssen jene tragen, die ihn maßgeblich verursacht haben.
Hauptverursacher des Klimawandels sind historisch betrachtet die Industrienationen des globalen Nordens. Wenn es also darum geht, die Folgen des Klimawandels zu bewältigen, sind sie besonders gefragt. In ihrer Verantwortung liegt es, andere Länder dabei zu unterstützen, die Pariser Ziele für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel umzusetzen – und für Folgeschäden aufzukommen. Auf der Pariser Klimakonferenz 2015 haben die Industrieländer (wie bereits 2009 auf der COP15) zugesichert, wirtschaftlich schwächeren Ländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassung an Klimawandelfolgen bereitzustellen. Dieses Versprechen wurde bislang nur unzureichend eingelöst. Auch die im Paris-Abkommen enthaltene Zusage, die Menschenrechte und benachteiligte Bevölkerungsgruppen im Blick zu behalten, wird zu wenig eingehalten.
Recht wem Recht gebührt
Um den Druck zu erhöhen, erheben immer mehr Menschen und Organisationen Anklage gegen Schädigung, Zerstörung oder Verlust der von ihnen bewohnten Ökosysteme. Auf der Anklagebank sitzen sowohl einzelne Firmen, als auch ganze Staaten.
In den vergangenen Jahren konnten einige juristische Erfolge in Richtung Klimagerechtigkeit erzielt werden. Immer häufiger geben Gerichte Klimaschutzklagen statt, so auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Mit Beschluss vom 24. März 2021 bekräftigt es, dass die Freiheitsrechte künftiger Generationen durch den Klimawandel gefährdet sind, weshalb das deutsche Klimaschutzgesetz in Teilen nachgebessert werden müsse.
International geht es darum, Klimaschutz als oberstes Völkerrecht zu verankern. Zwar wurde bereits bei der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) diskutiert, die Schädigung der Umwelt als eigenständigen Straftatbestand aufzunehmen. In der Schlussfassung des IStGH-Statuts von 1998 wurde ihr allerdings nur eine untergeordnete Rolle (im Rahmen von Kriegsverbrechen) zugesprochen. Mit den jüngsten Klimaklagen gewinnt die Debatte um die Straftat des „Ökozids“ wieder an Fahrt.
Diese Erfolge dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Menschen, die sich für Umwelt und Gerechtigkeit einsetzen, vielerorts nicht nur überhört, sondern oft auch bedroht und kriminalisiert, schlimmstenfalls sogar ermordet werden. Auch der Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft wurde in den vergangenen Jahren in vielen Ländern deutlich eingeschränkt (lesen Sie dazu auch den ZFD-Beitrag Globales Netz für Klimagerechtigkeit im Klima-Hub).
Bad COP – good COP
Längst ist klar: Der Klimawandel ist nicht nur ein ökologisches Problem. Er ist Teil einer globalen sozial-ökologischen Krise, die Veränderungen auf ganzer Linie erfordert. Diese Veränderungen können nur gelingen, wenn an einem Strang gezogen wird – und zwar auf allen Ebenen: lokal, regional, national und global. Wenn es um globale Klimaverhandlungen geht, ist die UN-Klimakonferenz die wichtigste Plattform. Bei den Conferences of the Parties (COP) kommen all jene 197 Staaten zusammen, die die Klimarahmenkonvention von 1992 unterzeichnet haben.
Zur 26. COP Ende 2021 im schottischen Glasgow wurde erneut die Kritik laut, dass die am stärksten vom Klimawandel Betroffenen zu wenig gehört und unterstützt werden. Außerhalb der Konferenzsäle demonstrierten rund 100.000 Menschen für mehr Teilhabe und Klimagerechtigkeit, darunter viele indigene und zivilgesellschaftliche Gruppen. Von den Verhandlungen waren sie jedoch weitgehend ausgeschlossen.
Umso größer sind die Hoffnungen, aber auch die Sorgen, mit denen auf die kommende UN-Klimakonferenz COP27 geblickt wird. Die Klimakrise erfordert nicht nur ein schnelles und beherztes Handeln. Die Bewältigung der Klimakrise kann nur kooperativ, unter Wahrung der Menschenrechte gelingen. Dazu ist es unerlässlich, benachteiligte Gruppen und zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure an den Verhandlungen und auch bei der Umsetzung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen zu beteiligen. Da sich Kooperation nicht von allein einstellt, müssen zudem Klimaarbeit und Zivile Konfliktbearbeitung viel häufiger Hand in Hand gehen, als dies bislang der Fall ist.
Infos und Materialien zu Klima(un)gerechtigkeit
FRAGEN + ANTWORTEN
Die 90-seitige Broschüre Frequently Asked Questions on Human Rights and Climate Change bietet einen umfassenden Einblick in die Auswirkungen der Klimakrise auf die Menschenrechte. Zusammengestellt wurde sie 2021 vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UN-HR). Anhand eines Fragenkatalogs werden zunächst die am stärksten bedrohten Rechte und die Hauptrisikogruppen aufgezeigt. Anschließend werden Maßnahmen vorgestellt, die auf nationaler und internationaler Ebene erforderlich sind, um einen menschenrechtsbasierten Umgang mit dem Klimawandel und seinen Folgen zu erlangen. Außerdem geht die Broschüre auf die Anwendung internationalen Rechts bei Verletzungen der Menschenrechte im Zuge des Klimawandels ein. Die Broschüre kann hier kostenfrei heruntergeladen werden.
ONLINE-KURS
Auf der Plattform UN CC:Learn gibt es einen kompakten Onlinekurs zu den Zusammenhängen von Klimakrise und Menschenrechten. Der englischsprachige Kurs An Introduction to Climate Change and Human Rights besteht aus sieben Modulen und wird im Selbststudium über eine Dauer von etwa 3,5 Stunden absolviert. Zielgruppen sind alle interessierten Personen, politische Entscheiderinnen, Studierende, Experten, Aktivisten wie auch Akademikerinnen. Die Kurskonzeption wurde durch das BMZ via ZFD-Träger GIZ kofinanziert.
UN CC:Learn steht für The One UN Climate Change Learning Partnership, eine Initiative von mehr als 30 Organisationen mit eigenem Sekretariat, angesiedelt beim United Nations Institute for Training and Research (UNITAR). Erklärtes Ziel ist, „Menschen, Regierungen und Unternehmen dabei zu helfen, den Klimawandel zu verstehen, sich anzupassen und Widerstandsfähigkeit aufzubauen“. Die UN CC:Learn-Plattform bietet derzeit 45 E-Learning-Kurse zur Klimakrise (Stand: Oktober 2022), die nach Registrierung kostenfrei in Anspruch genommen werden können. Zum Kurs Klima + Menschenrechte...
ONLINE-ATLAS
Der digitale Environmental Justice Atlas dokumentiert über 3.700 Konflikte, bei denen Fragen der Umwelt- und Klimagerechtigkeit betroffen sind. Mittels interaktiver Weltkarte und ausgefeilter Suchfunktion können dezidierte Infos zu den Konflikten abgerufen werden. Besondere Würdigung erfährt das Engagement von Gemeinschaften, Initiativen und Organisationen, die sich vor Ort für Gerechtigkeit einsetzen. Betreiberin der Seite ist die Autonome Universität Barcelona. Zum Atlas...
Bildungsmaterialien zu Klimagerechtigkeit
Im Folgenden finden Sie eine Reihe empfehlenswerter deutschsprachiger Bildungsmaterialien zum Thema Klimagerechtigkeit aus den letzten Jahren, unter anderem von ZFD-Träger Brot für die Welt. Weitere Materialien hält die Mediathek Klimagerechtigkeit vom Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit bereit. Die dort gelisteten Einträge sind nach Kategorien sortiert und können nach Altersgruppe und Medientyp gefiltert werden.
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Fotos & Abbildungen:
Header: Ivan Radić (via Wikimedia, CC BY 2.0)
Text: COP27-Logo (via Wikipedia, CC BY-SA 4.0); Foto von der Demonstration zur COP26 am Global Day of Action (06.11.2021) in Glasgow: Oliver Kornblihtt/@midianinja (via climatejustice.uk)
Info-Teaser: Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UN-HR): Broschürencover „Frequently Asked Questions on Human Rights and Climate Change“; The One UN Climate Change Learning Partnership (UN CC:Learn): Cover „Course Syllabus: An Introduction to Climate Change and Human Rights“; Autonome Universität Barcelona: Screenshot „Atlas of Environmental Justice“; Horizonte: Screenshot Artikel; Wissenschaft & Frieden: Inhaltsseiten Artikel; VENRO & Klima-Allianz Deutschland: Cover und Inhaltsseite mit Kernforderungen
Material-Teaser: Cover und Inhaltsseiten der verzeichneten Broschüren beziehungsweise Screenshots der genannten Internetportale folgender Organisationen (v.l. / v.o.): Brot für die Welt, Common Future, Institute of Environmental Justice, Entwicklungspädagogisches Informationszentrum Reutlingen, Scientists for Future, Bundeszentrale für politische Bildung, FIAN Deutschland, NETZ Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit, Informationsbüro Nicaragua, Evangelisches Jugendwerk in Württemberg, Germanwatch, Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit [Abruf der Internetseiten und Download-Links: 02. November 2022]