Aktuelles

Philippinen: Jugend für Klima und Frieden

Die Collective Climate Campaign (3C) will Jugendliche auf Mindanao für das Ausmaß der Klimakrise sensibilisieren und dazu ermutigen und ermächtigen, für mehr Klimagerechtigkeit einzutreten. Die Inselgruppe Mindanao ist seit langem durch schwere Konflikte gezeichnet und zugleich stark von den Folgen des Klimawandels betroffen. Im folgenden Interview mit Abuzar Salik, Mitbegründer von 3C und Mitglied der ZFD-Partnerorganisation MPPM, erfahren Sie mehr über das Vorgehen und die Ziele der Initiative.

Die Inselgruppe Mindanao im Süden der Philippinen gilt als strukturschwächste Region des Landes. Seit Jahrzehnten wird sie von gewaltsamen Auseinandersetzungen erschüttert. Der Friedensprozess gerät immer wieder ins Wanken. Dabei verschärft der Klimawandel die bereits bestehenden Konflikte: Neben Kämpfen zwischen Militär und verschiedenen Rebellen- und Separatistengruppen bestimmen Ressourcenkonflikte und Konflikte zwischen ethnischen Gruppen und Clans die politische Landschaft. Die ungleiche Verteilung von Land und natürlichen Ressourcen, die Ausgrenzung großer, insbesondere muslimischer und indigener Bevölkerungsgruppen, sowie weitverbreitete Armut sind die Folgen.

Die „Collective Climate Campaign (3C)“ ruft daher zu Umweltschutzsolidarität auf und will Jugendliche stärker in politische Entscheidungsfindungsprozesse einbeziehen. Die Kampagne wurde von vier jungen Filipinos aus Mindanao ins Leben gerufen, die am Asia Climate Leadership Camp (ACLC) 2020 teilgenommen haben, und wird von der internationalen Klimabewegung „350“ unterstützt. Die Zielgruppe der 3C-Kampagne sind Jugendliche aus den drei größten Bevölkerungsgruppen in Mindanao (Tri-People-Jugend): die islamisierten Bangsamoro, die nicht islamisierte indigene Bevölkerung sowie die christianisierten Immigrantinnen und Immigranten und ihre Nachkommen.


giz-philippinen_foto-baiheria-makakua-b_ausschn.jpg

Ihre Kampagne verbindet die Themen Klimawandel und Frieden. Was hat Sie dazu veranlasst, diese Kampagne zu starten?

Die lokalen Gemeinschaften von Mindanao stehen vor vielen Herausforderungen: Soziale Ungleichheit, Armut, Langzeitkonflikte, die Bedrohung des angestammten Lands der indigenen Völker, knapper werdende natürliche Rohstoffen und die sich verschärfende ökologische Krise gehören dazu. Viele Menschen leiden unter Vertreibung, Arbeitslosigkeit, Ausgrenzung, Vernachlässigung und unter den immer stärker werdenden Auswirkungen des Klimawandels, der durch umweltschädigende Entwicklungsmaßnahmen verschärft wird.

Mit unserer Kampagne sprechen wir explizit junge Tri-People an, die gemeinhin als machtlose Opfer von Konflikten und Katastrophen gelten. Viele sehen die jungen Menschen sogar als eine Bedrohung für den Frieden an, da sie sich aus Frust Extremisten anschließen könnten. Die Jugend hat zahlreiche Krisen, wie Gewaltkonflikte und Naturkatastrophen, miterlebt. Das prägt ihr Leben und ihre Perspektiven auf drastische Weise.

Was ist der Zweck des Projekts und wie gehen Sie vor?

In erster Linie soll das Bewusstsein für die vielschichtigen Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Gemeinschaften geschärft werden. Das machen wir durch Storytelling und Kommunikation: Wir möchten den lokalen Gemeinschaften die Möglichkeit geben, ihre Geschichten, Herausforderungen, sozialen Belange und wichtigen Gemeinschaftsinitiativen zu teilen. Dafür besuchen wir die Menschen am liebsten in ihren jeweiligen Gemeinden ganz persönlich. Wenn Besuche aber aufgrund von Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie nicht möglich sind, wird auf alternative Mittel wie Online-Interviews zurückgegriffen. Das Projekt zielt darauf ab, der Tri-People-Jugend einen Raum für Austausch zu bieten. Und nicht zuletzt soll das Projekt rund 60 Jugendleiterinnen und -leiter dazu befähigen, als Campaigner für Umweltschutz, Frieden und Menschenrechte aktiv zu werden. Dazu führen wir Schulungen durch und nutzen Erkenntnisse aus dem Asia Climate Leadership Camp 2020. Zudem setzen wir auf digitales Campaining: Wir nutzen eine digitale Plattform, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen.

In welcher Region sind Sie tätig und welche Bevölkerungsgruppen sind beteiligt?

Unser Team konzentriert sich auf die zwei Provinzen Maguindanao und Lanao Del Norte auf der Insel Mindanao. Die Insel wird zum Teil von indigenen Bevölkerungsgruppen bewohnt. Ihr angestammtes Land ist bereits seit Langem von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Lanao Norte, wo sich eines der größten Wasserkraftwerke in Mindanao befindet, wurde in den letzten Jahren durch übermäßige Niederschläge und Taifune überflutet. Im 2. Quartal 2019 wurde die Region außerdem von einer schweren Dürre heimgesucht. Das Ligawasan-Marschland in Maguindanao wird während der Monsunzeit häufig von Sturzfluten heimgesucht; es ist auch ein Zufluchtsort für Menschen, die aufgrund der immer noch andauernden bewaffneten Konflikte fliehen mussten. Diese Kombination aus natürlichen und vom Menschen verursachten Katastrophen hat den gefährdeten Bevölkerungsgruppen, deren wichtigste Lebensgrundlage die Landwirtschaft und die Fischerei sind, immenses Elend beschert. Als Erbinnen und Erben der Zukunft müssen wir handeln und die Jugend darüber informieren, was sie tun kann, um Klimagerechtigkeit zu fordern. Unser Team arbeitet nicht nur mit Jugendlichen zusammen, sondern auch mit Frauen, LGBTQIA+, Landwirtinnen und Landwirten sowie Fischerinnen und Fischern.

Wie vertraut ist Ihre Zielgruppe mit dem Thema Klimagerechtigkeit?

Die meisten Communitys haben bisher nur begrenzte Kenntnisse zum Thema Klimagerechtigkeit. Dabei sind indigene Bevölkerungsgruppen, die Anwohnerinnen und Anwohner des Küstenbereichs und die bäuerlichen Gemeinschaften am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen. Deshalb haben wir uns entschlossen, Aufklärung zum Thema zu betreiben. Da wir selbst junge Erwachsene sind, möchten wir dabei helfen, die Tri-People-Jugend auszubilden. Es geht um Umweltschutzgesetze und Umweltpolitik und um indigenes Wissen in Theorie und Praxis. Damit sind lebendige Traditionen der indigenen Völker gemeint. Also zum Beispiel, wie sie ihre Umwelt nutzen, schützen und bewahren. Der tägliche Konsum der Stämme und Familien richtet sich beispielsweise nach dem, was sie am dringendsten brauchen, und geht nicht so weit, dass Ökosysteme zerstört werden.

Was ist der größte Erfolg, den das Projekt bisher erzielt hat? Was waren die größten Herausforderungen?

In weniger als zwei Monaten haben wir bereits viele Gemeinschaften erreicht, insbesondere Jugendliche aus den Bereichen Fischerei und Landwirtschaft, aus Stammesgemeinschaften und aus gefährdeten Gebieten. Wir haben außerdem Kontakte mit indigenen politischen Organisationen, lokalen Regierungen und Hochschulen geknüpft. Im Rahmen unserer Fortbildungen berichteten uns die Jugendlichen, wie sie die Erderwärmung und die Auswirkungen der zunehmenden Rohstoffknappheit wahrnehmen.

Zu den Herausforderungen zählt die COVID-19-Pandemie, die zu einigen Verzögerungen geführt hat. In einigen Regionen gibt es zudem nur schwache oder gar keine Internetverbindung. Auch das Anti-Terror-Gesetz, das vor kurzem vom Kongress der Philippinen verabschiedet wurde, bereitet uns Sorgen. Es führt dazu, dass wir den Behörden und den Sicherheitskräften häufig Höflichkeitsbesuche abstatten müssen, um unsere Aktivitäten zu erklären, vor allem in der Barangay-Ebene.

Was sind die nächsten Schritte Ihrer Projektarbeit?

Wir möchten den lebendigen und bunten Geschichten der Menschen weiter zuhören, denn sie geben uns Hoffnung und sind eine Inspiration. Außerdem möchten wir junge Umweltschützerinnen und -schützer einbeziehen und ermutigen, ihre kreativen Ideen umzusetzen.


giz-philippinen_foto-baiheria-makakua-a_ausschn-b.jpg

Abuzar Salik (34) ist einer der vier Gründer und Mitveranstalter der Collective Climate Campaign (3C). Er ist ein Bangsamoro-Vertreter der Tri-People Youth for Change (TRY-Change) und Mitglied des Mindanao Peoples’ Peace Movement (MPPM), einer Partnerorganisation des ZFD-Trägers GIZ auf den Philippinen.


Fotos: Header: Rena Marie Gahom / 3C; Portraits von A. Salik: Baiheria Makakua

zfd-klima-hub_startfoto_tim-bunke_wfd.jpg

Dieser Beitrag ist im Hub Frieden verbessert das Klima des Zivilen Friedensdienstes erschienen. Dort zeigen Projektbeispiele und Fachbeiträge, welche Rolle Ziviler Konfliktbearbeitung bei der Bewältigung des Klimawandels und seiner Folgen zukommt.