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Kenia: Anwältinnen für die Stärkung von Frauenrechten

Janet Anyango arbeitet als Anwältin für die ZFD-Partnerorganisation „Federation of Women Lawyers“ in Kenia. Sie vertritt vor allem Frauen, die ansonsten keinen Zugang zu juristischer Hilfe hätten. Im Interview erzählt sie, wie Konflikte auch durch Mediation und Versöhnung gelöst werden können.

Frau Anyango, worin besteht Ihre Arbeit bei der „Federation of Women Lawyers“?

Wir sind eine Organisation, die sich für Frauenrechte und gegen jegliche Form von Diskriminierung einsetzt. Vor Gericht vertreten wir Frauen, die sich ansonsten keinen rechtlichen Beistand leisten könnten. Unser Fokus liegt auf Themen wie sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt, Kinderrechten, sowie Land- und Eigentumsrechten. Neben der Vertretung unserer Klientinnen vor Gericht bereiten wir einige auch darauf vor, sich selbst zu verteidigen. Darüber hinaus bin ich ausgebildete Mediatorin. Die Themen Frieden und Konflikt beschäftigen mich sehr.

Warum haben Sie angefangen, im Bereich der Friedensarbeit und Menschenrechte zu arbeiten?

Seit ich ein kleines Kind war, wollte ich Anwältin werden. Ich wollte sicherstellen, dass Menschenrechte geschützt, eingehalten und respektiert werden. Nach meinem Jurastudium entdeckte ich die „Federation of Women Lawyers“ und fing an, dort zu arbeiten. Dabei ist mir bewusst geworden, dass ich mich nicht nur für Menschenrechte allgemein einsetzen möchte – sondern ganz besonders für Frauenrechte. Ich wollte einen Beitrag dazu leisten, dass alle Menschen zu ihrem Recht kommen. Es geht darum, dass Frauen Kontrolle haben über sich, ihren Körper und all das, was ihnen wichtig ist. Wir sind fest überzeugt, dass es ohne Gerechtigkeit keinen Frieden gibt. Den Klientinnen bedeutet unsere Hilfe sehr viel: Sie werden gehört und wahrgenommen. Hierbei spielt auch die sogenannte alternative Rechtsprechung eine wichtige Rolle.

Was verbirgt sich dahinter?

Einerseits gibt es die formellen, offiziellen Gerichtsprozesse. Es gibt aber auch viele Fälle, die durch andere Methoden bearbeitet werden. Das bezeichnen wir als alternative Rechtsprechung. Dieses System erkennt die Tatsache an, dass Konflikte auch durch Mediation und Versöhnung gelöst werden können. Gerade weil dieses Verfahren so informell und kostengünstig ist, ist es sehr interessant für unsere Klientinnen. Mich persönlich motiviert es zu sehen, dass Menschen ihre Meinung überdenken und ändern können.

2021 haben Sie an der zehnwöchigen Weiterbildung zu Friedens- und Konfliktarbeit der Akademie für Konflikttransformation des forumZFD teilgenommen. Was haben Sie davon mitgenommen?

Der Kurs war sehr interessant für mich, weil ich mich mit Menschen aus der ganzen Welt austauschen konnte. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, sensibel mit Konflikten umzugehen – auch in meiner eigenen Projektarbeit. Der Kurs hat mir bewusst gemacht, dass manche Konflikte nicht auf den ersten Blick erkannt werden können. Und nicht zuletzt hat sich auch mein Blick auf das Thema Selbstfürsorge verändert. Jetzt weiß ich, dass ich diese Zeit bewusst außerhalb der Arbeit verbringen sollte, um neue Energie und Kraft zu sammeln.

Selbstfürsorge ist ein gutes Stichwort – schließlich sind Sie in Ihrer Arbeit mit vielen schwierigen Themen konfrontiert. Zum Beispiel berichten Ihre Klientinnen von traumatischen Erfahrungen. Wie gehen Sie damit um?

Wir bieten unseren Klientinnen immer psychosoziale Unterstützung an. Leider sind psychische Probleme immer noch ein Tabuthema in Kenia. Betroffene schämen sich und identifizieren sich ungern damit. Meiner Meinung nach ist es ganz zentral, sich solcher Probleme bewusst zu werden, um Hilfe erhalten und annehmen zu können. Wir haben in unserem Team auch Methoden entwickelt, um auf unser eigenes Wohlbefinden zu achten. Wir versuchen, füreinander da zu sein. Kommunikation ist dabei ganz wichtig.

Was gibt Ihnen trotz der Herausforderungen die Kraft, Ihre Arbeit fortzusetzen?

Wir haben in Kenia sehr fortschrittliche Gesetze. Deshalb habe ich Vertrauen in unser Justizsystem. Gerichte sind verpflichtet, auf die Möglichkeit der alternativen Rechtsprechung hinzuweisen. Das ermutigt mich. Mein Highlight jedoch ist es, Klientinnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Ich glaube nicht, dass irgendeine andere Tätigkeit mich so erfüllen könnte: Unsere Arbeit bewirkt, dass sich Menschen nicht länger hilflos fühlen. Wir geben ihnen neue Perspektiven. So gelingt es uns, Menschen von der Relevanz der Friedensförderung, Vermittlung und Schlichtung zu überzeugen. Solche Auswirkung auf das Leben anderer zu haben, motiviert mich ungemein.


Interview mit Janet Anyango ist zuerst beim forumZFD erschienen. Für unsere Website wurde es leicht überarbeitet.

Mehr über die Arbeit der Federation of Women Lawyers und weitere Infos zum Thema traditionelle und informelle Streitschlichtungsmechanismen in Kenia finden Sie in unserem Beitrag Kenia: Gerechtigkeit für alle. In unserer Projektdatenbank erfahren Sie, wie der ZFD-Träger GIZ zur zivilen Konfliktbearbeitung in Kenia beiträgt.

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz des Zivilen Friedensdienstes für Frauenrechte in Kenia ist das Toolkit für Menschenrechtsverteidigerinnen zum Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt, das 2016 vom pbi-Keniaprojekt gemeinsam mit ZFD-Partnern entwickelt wurde.

Das Bild zeigt Janet Anyango bei einem Besuch des Nelson-Mandela-Museums in Soweto, Südafrika; Foto: privat.