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Kenia: Gerechtigkeit für alle

Rechtsstreitigkeiten gehören für viele Menschen in Kenia zum Alltag. Oft gelingt es jedoch nicht, die Konflikte zu lösen. Vor allem für Frauen ist es in allen Lebensbereichen schwierig, zu ihrem Recht zu kommen. Häufig wirken sich die rechtlichen Probleme, wie Konflikte um Land, Familienstreitigkeiten oder fehlende Kompensationen für Diebstahl, auch negativ auf die persönlichen Beziehungen zwischen den Menschen aus und beeinträchtigen ihre Lebensgrundlage, ihr Einkommen oder ihre psychische Gesundheit.

Um den Zugang zur Justiz zu verbessern und den Rückstau von Fällen bei den Gerichten zu verringern, fördert die kenianische Verfassung traditionelle und informelle Streitschlichtungsmechanismen, zu denen auch Mediation und Schiedsverfahren gehören. Durchgeführt werden sie unter anderem von den Gemeinschaftsvorstehenden und Ältesten. Um diese Prozesse zu fördern, hat die Justiz eine umfassende Strategie der „alternativen Rechtssysteme“ (AJS) entwickelt, die 2020 eingeführt wurde. Diese Strategie ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem effektiven und effizienten Zugang zur Justiz für alle. Sie muss jedoch noch umgesetzt werden.

Forum für Richterinnen und Staatsanwälte

Bei diesem Vorhaben kommt die ZFD-Partnerorganisation FIDA-Kenya ins Spiel. FIDA-Kenya ist eine Nichtregierungsorganisation, die seit den 1980er Jahren Rechtshilfe, insbesondere für Frauen, anbietet und die sich für die außergerichtliche Streitbeilegung durch Mediation einsetzt. Mit Unterstützung des ZFD führte FIDA-Kenya beispielsweise im vergangenen Jahr in Kisumu eine Weiterbildung für Richterinnen und Richter sowie für die Staatsanwaltschaft durch. Dabei sollte ihr Wissen über AJS und die damit verbundenen Möglichkeiten verbessert werden.

In den Gesprächen stellten die Justizbeamtinnen und -beamten fest, dass Schlichtungsverfahren in Kenia sowohl den Menschen als auch der Justiz helfen. Ein Richter drückte es so aus: „Durch die Möglichkeit, Fälle an Mediatoren zu verweisen, haben wir mehr Zeit, uns auf Straftaten zu konzentrieren, die von den Gerichten behandelt werden müssen." Ein anderer Teilnehmer merkte an: „Wir können jetzt problemlos auf Entscheidungen zurückgreifen, die bereits in den Gemeinschaften getroffen wurden, um einen Streit beizulegen. Dies trägt dazu bei, die Verfahren zu beschleunigen und den Frieden in den Gemeinschaften zu wahren." Die Strategie der „alternativen Rechtssysteme“ legt großen Wert auf die Befriedung der Streitparteien, die Heilung emotionaler Probleme, Versöhnungsrituale, Vergebung und psychosoziale Unterstützung - all das können die Gerichte kaum leisten.

Grenzen und Chancen der Schlichtungsmechanismen

Allerdings sind auch alternative Streitbeilegungsmechanismen nicht ohne Mängel. So stehen die Ergebnisse dieser Prozesse nicht immer in Einklang mit den universellen Menschenrechten oder der kenianischen Verfassung. Korruption oder die Benachteiligung einer Konfliktpartei aufgrund anderer Gruppenzugehörigkeit machen ein faires Verfahren zuweilen nicht möglich. Auch ist Kenias Gesellschaft stark patriarchal geprägt. Selbst bei Vergewaltigungsvorwürfen sind es häufig die männlichen Familienoberhäupter, die eine Lösung aushandeln. Die betroffene Frau hingegen hat selten ein Mitspracherecht. Wird schließlich entschieden, dass sie ihren Peiniger zur Wiederherstellung des kollektiven Friedens heiraten muss, ist sie gleich doppeltem Unrecht ausgesetzt.

Deshalb setzt sich FIDA-Kenya dafür ein, Frauen zu stärken, damit sie ihre Rechte einfordern können. Durch Bewusstseinsbildung in den Gemeinschaften, Rechtsberatung und die Lösung von Streitfällen mit Hilfe gut ausgebildeter und sehr erfahrener Mediatorinnen erhalten Frauen die Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, Gerechtigkeit zu erlangen und unabhängiger zu werden. 


Das Bild zeigt ein Streitschlichtungsverfahren und stammt von FIDA-Kenya.

Text: Matthias Neef, ZFD Kenia/ZFD-Redaktion

Mehr über die Arbeit des ZFD-Träger GIZ in Kenia finden Sie in unserer Projektdatenbank.

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz des Zivilen Friedensdienstes für Frauenrechte in Kenia ist das Toolkit für Menschenrechtsverteidigerinnen zum Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt, das 2016 vom pbi-Keniaprojekt gemeinsam mit ZFD-Partnern entwickelt wurde.