Online-Gespräch zu Klima und Konflikt
ZFD im Austausch mit Forschung und Zivilgesellschaft
Gefährdet die Erderwärmung den Frieden weltweit? Wie kann Klimapolitik konfliktsensibel gestaltet werden? Was kann Friedensarbeit zur Bewältigung Klimakrise leisten? Und wie sind die Ergebnisse der UN-Klimakonferenz von Glasgow in Bezug auf Frieden und Gerechtigkeit einzuschätzen? – Über diese Fragen diskutierten Stefanie Wesch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Noé Müller-Rowold, Programm-Koordinator des ZFD der GIZ in Niger und Benin, sowie Vera Künzel von Germanwatch in einer Online-Veranstaltung des ZFD-Trägers forumZFD im Dezember 2021.
Heißes Klima, heiße Konflikte? Wie genau hängen Klimakrise und Konflikte zusammen?
Diese Frage stand im Mittelpunkt des Online-Gesprächs, zu dem das forumZFD eingeladen hatte. Über 80 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten die Veranstaltung im Live-Stream und beteiligten sich mit zahlreichen Kommentaren und Fragen an der Diskussion.
Zu Beginn erklärte Stefanie Wesch vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, dass inzwischen viele Studien einen Zusammenhang zwischen der menschengemachten Erderwärmung und Konflikten belegten: „Klima ist ein Faktor, da ist sich die Wissenschaft mittlerweile einig. Es gibt zwar noch Wissenslücken, etwa zu dem genauen Zusammenspiel mit anderen Konflikttreibern, aber generell gibt es einen Konsens in der Wissenschaft.“
Beispielsweise könne der Klimawandel dazu führen, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssten und in andere Regionen oder Länder auswanderten. Diese klimabedingte Migration könne wiederum bestehende soziale oder politische Probleme in den Aufnahmeregionen verschärfen. Allerdings seien die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Faktoren, die Konflikte eskalieren lassen, sehr komplex und die Forschung hierzu müsse noch vertieft werden, so Wesch.
Konflikte um knapper werdende Ressourcen
Ein weiteres Beispiel, wie der Klimawandel Konflikte verschärfen kann, sind knapper werdende Ressourcen, etwa durch anhaltende Dürreperioden. Dies ist insbesondere in Ländern problematisch, in denen die Lebensgrundlage der Menschen sehr stark von der Landwirtschaft abhängt. Im Niger und in Benin ist Noé Müller-Rowold, Programm-Koordinator des Zivilen Friedensdienstes der GIZ, genau mit solchen Herausforderungen konfrontiert. Im Online-Gespräch erläuterte er die Konfliktlage: Viehzüchterinnen und Viehzüchter aus den nördlichen Landesteilen ziehen traditionell während der Trockenzeit in die fruchtbareren, südlichen Gebiete. Dort kommt es zu Spannungen mit lokalen Ackerbäuerinnen und -bauern, etwa wenn das Vieh auf noch nicht abgeernteten Feldern grast.
Diese Konflikte seien nicht neu, erklärte Noé Müller-Rowold. Allerdings könne sich die Situation durch die Erderwärmung in Zukunft verschärfen: „Die Tatsache, dass die Lebensgrundlage dieser Menschen zu fast einhundert Prozent mit diesen natürlichen Ressourcen zusammenhängt, potenziert die Auswirkungen des Klimawandels auf die Region.“ Um friedliche und einvernehmliche Lösungen für die Nutzung von Wasserquellen und Weideland zu finden, setzen sich zivilgesellschaftliche Organisationen in der Region unter anderem für einen Dialog zwischen den beteiligten Gruppen ein. Die Fachkräfte des Zivilen Friedensdienstes unterstützen sie dabei.
„Die internationale Gemeinschaft hat versagt“
Auch auf der Ebene der internationalen Politik sei noch viel zu tun, um zu verhindern, dass der Klimawandel weltweit Konflikte anheize, betonte Vera Künzel. Die Referentin von Germanwatch hatte am UN-Klimagipfel im November 2021 in Glasgow teilgenommen und zeigte sich enttäuscht von den Gipfelergebnissen. Zwar habe es positive Signale etwa beim Ausstieg aus der Kohle gegeben, so Künzel, aber die reicheren Länder hätten es versäumt, verbindliche Zusagen für die Finanzierung klimabedingter Schäden und Verluste zu machen. Künzel machte deutlich, dass die Erderwärmung unweigerlich zu solchen Schäden und Verlusten führen werde, etwa als Folge von häufigeren und stärkeren Extremwetterereignissen. Dies sei zwar ein globales Phänomen, treffe aber ärmere Länder besonders hart, da diese aus eigener Kraft kaum den Wideraufbau nach solchen Katastrophen stemmen könnten.
Hier gelte es, internationale Solidarität zu zeigen – doch dies sei beim UN-Klimagipfel nicht der Fall gewesen: „Wir haben in Glasgow gesehen, dass die lange bestehende Blockadehaltung der Industrieländer weiter fortgeführt wurde. In der Summe war es ein sehr schwaches Ergebnis, insbesondere im Vergleich zu dem, was die Verhandlungsgruppen der Entwicklungsländer gefordert hatten“, sagte Künzel. „Am Ende kann man sagen: Die internationale Gemeinschaft hat dabei versagt, angemessene und vor allem bedarfsgerechte Unterstützung für die betroffenen Länder – die in der Regel am allerwenigsten zum Klimawandel beigetragen haben – bereitzustellen. Das ist ein Punkt, der mich persönlich sehr frustriert.“
Klimaschutz muss konfliktsensibel sein
Alle drei Podiumsgäste hoben hervor, dass Klimaschutzmaßnahmen konfliktsensibel umgesetzt werden müssten. Wenn zum Beispiel ein großer Solarpark gebaut werde, sei dies zwar gut für die CO2-Bilanz. Wenn aber gleichzeitig die lokale Bevölkerung nicht an diese Stromversorgung angeschlossen oder Entscheidungen über Bauvorhaben an den Menschen vorbei getroffen würden, könnten solch gut gemeinte Projekte zu neuen Konflikten führen, argumentierte Vera Künzel. Von zentraler Bedeutung für jedes Projekt sei daher ein menschenrechtsbasierter Ansatz und die Partizipation der Menschen vor Ort.
Noé Müller-Rowold berichtete dazu aus der Praxis, dass zum Beispiel der Bau eines Brunnens allein nicht ausreiche, um Spannungen rund um den Zugang zur Wasserversorgung zu lösen. In der Region Dosso im Süden Nigers kooperiert der Zivile Friedensdienst daher mit dem GIZ-Projekt FREXUS, welches die Verfügbarkeit und den Zugang zu natürlichen Ressourcen wie Wasser verbessern soll. Die ZFD-Fachkräfte achten dabei auf einen ganzheitlichen und nachhaltigen Ansatz: Jeder Maßnahme gehe eine ausführliche Konfliktanalyse voraus, so Noé Müller-Rowold. „Es ist ganz wichtig, die Konfliktfaktoren zu identifizieren, damit wir nicht das Risiko eingehen, dass unser Handeln letztlich noch mehr Konflikte produziert.“
Auch Stefanie Wesch plädierte dafür, dass Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung Hand in Hand gehen sollten. Sie schlug vor, Länder wie Deutschland könnten es sich international zur Aufgabe machen, Dialogplattformen bereitzustellen und Expertinnen und Experten aus beiden Bereichen zusammenzubringen. Der fachübergreifende Austausch könne dazu beitragen, neue und konfliktsensible Handlungsoptionen zu erarbeiten.
Den Mitschnitt der Online-Veranstaltung vom 1.12.21 (Dauer: 1 Std, 34 Min) können Sie hier auf YouTube anschauen.
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