Karawane für Nachhaltigkeit und Frieden
Projektbeispiel aus Kenia
Der Ewaso Ng'iro ist die Lebensader von über vier Millionen Menschen. Der Fluss bringt wertvolles Wasser in die trockenen Regionen in Kenias Norden. Doch an eben diesem Wasser oder an dessen Mangel entzünden sich immer häufiger Konflikte. Längst profitieren nicht mehr alle Menschen entlang des Flusses in gleichem und ausreichendem Maße vom flüssigen Gut. Die Situation ist angespannt. Die aufkommenden Konflikte münden nicht selten in Gewalt. Dies zu verhindern und bei gewaltsamen Ausbrüchen zu schlichten, ist das Ziel der beiden ZFD-Partnerorganisationen Isiolo Peace Link (IPL) und Indigenous Movement for Peace Advancement and Conflict Transformation (IMPACT). Sie setzen sich in der Region dafür ein, dass Konflikte friedlich bearbeitet werden. Zugleich engagieren sie sich für eine nachhaltige Nutzung des Ökosystems Ewaso Ng'iro und eine konfliktsensible Anpassung an die Folgen des Klimawandels.
Der Klimawandel ist in Kenia bereits heute ein wesentlicher Konfliktverschärfer. Wasser ist im ostafrikanischen Land seit jeher eine knappe Ressource. Kenia besteht zu fast 90 Prozent aus trockenen oder halbtrockenen Regionen. Doch die fortschreitende Erderwärmung sorgt dafür, dass manche Gegenden regelrecht verdorren. Die Temperaturen sind innerhalb der letzten 40 Jahre teilweise bereits über die 1,5-Grad-Marke gestiegen, die seit der UN-Klimakonferenz in Paris als Idealziel zur Begrenzung der Erderwärmung gilt. Dadurch treten auch extreme Dürren im Schnitt nicht mehr nur alle zehn Jahre, sondern alle drei bis vier Jahre auf. Aktuell sind 20 Millionen Menschen akut von Hunger bedroht. Paradoxerweise kommt es ebenfalls häufiger zu Starkregenereignissen, bei denen fruchtbarer Boden weggeschwemmt und schlimmstenfalls ganze Ernten vernichtet werden.
(Ko-) Existenz am Ewaso Ng'iro in Gefahr
Das Leben im Einzugsgebiet des Ewaso Ng'iro wird durch mehrere Faktoren erschwert: Eine wachsende Bevölkerung muss mit schwindenden Ressourcen auskommen, weil Böden degradieren und Land für Agrar- und Infrastrukturprojekte vereinnahmt wird. Die zunehmende Dürre erhöht den Druck auf die Ressourcen und damit auf die Menschen weiter. Über lange Zeit hatten sie sich mit der Trockenheit arrangiert. Trotz der widrigen Umstände lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Ein großer Teil betreibt Wanderweidewirtschaft (Pastoralismus) und zieht mit Viehherden durchs Land. Doch wenn Weiden verdorren, Wasserstellen versiegen und Tiere verdursten, wenn Böden vertrocknen und Land vereinnahmt wird, geraten die Menschen in der Land- und Weidewirtschaft an ihre Grenzen. Zwangsläufig mehren und verschärfen sich die Konflikte. Dabei kommt es zu Spannungen zwischen sesshaft und pastoral lebenden Bevölkerungsgruppen, aber auch zwischen verschiedenen pastoralen Gemeinschaften.
Dass diese Konflikte nicht in Gewalt umschlagen, sondern konstruktiv bearbeitet werden, ist das Ansinnen der ZFD-Partner IPL und IMPACT. Die beiden Nichtregierungsorganisationen vermitteln bei Land- und Ressourcenkonflikten zwischen Gemeinschaften, Unternehmen und Regierungsvertreterinnen und -vertretern. Sie arbeiten auf Gemeindeebene, genauso wie mit staatlichen Stellen, auf lokaler und nationaler Ebene, mit traditionellen und modernen Mediationsinstrumenten wie Ältestenräten, Friedenskomitees und gemeinschaftlichem Ressourcenmanagement. Mit einer außergewöhnlichen Aktion werben sie alljährlich für ihr Anliegen: Eine Kamelkarawane zieht über mehrere Tage durch verschiedene Orte der Region, um Bewusstsein zu schaffen, für ein gewaltfreies Miteinander in Vielfalt sowie die nachhaltige Nutzung des Ökosystems am Ewaso Ng'iro.
Ein Zeichen für Frieden und Nachhaltigkeit
2021 fand die „Camel Caravan Campaign“ bereits zum achten Mal statt, wenn auch in kleinerem Rahmen. In den Jahren vor COVID-19 machte sich die Karawane zu einem sechstägigen Marsch nach Archers Post auf, einer kleinen Gemeinde am Fluss Ewaso Ng'iro in Zentralkenia. Dort feierten die rund fünfzig Teilnehmenden aus sechs Gemeinden ein gemeinsames Kulturfestival. Das Kommunalradio Serian FM informierte täglich mehrfach über die Aktion und ihre Hintergründe. Auch die Termine der Zwischenstopps wurden beworben. Dort fand jeweils ein Info- und Diskussionsabend statt, bereichert durch ein Kulturprogramm der örtlichen Bevölkerung. Begleitet wurde die Kampagne außerdem durch ein Filmteam.
Es gilt, ein Bewusstsein für die Herausforderungen zu schaffen und zugleich gangbare Alternativen aufzuzeigen. IPL und IMPACT bringen dazu den Dialog zwischen den Anrainergemeinden in den Countys lsiolo, Laikipia und Samburu in Gang. Denn Konfliktbearbeitung kann nur gelingen, wenn die Anrainergemeinden eine gemeinsame Strategie entwickeln. Sie alle sind vom Wasser des Ewaso Ng'iro abhängig. Somit sind sie auch voneinander abhängig. Nur wenn sie an einem Strang ziehen, können sie die Situation verbessern – und sich auch besser gegen Land und Wasser fressende Agrar- und Infrastrukturprojekte zur Wehr setzen. Bei ihrer Arbeit werden sie vom Weltfriedensdienst mit zwei ZFD-Fachkräften unterstützt.
Einst im Einklang, jetzt im Nachteil
Die Pastoralistinnen und Pastoralisten im Norden Kenias leiden derzeit am meisten unter den klimatischen Veränderungen. Der Verlust von verdursteten Nutztieren während der jüngsten Dürreperioden hat viele Gemeinschaften zunehmend verarmen lassen. Den meisten fehlt es an sozialer und wirtschaftlicher Absicherung. Auch von staatlicher Unterstützung sind sie weitgehend ausgenommen. Ihre Mobilität, die einst eine strategische Anpassung an die ohnehin knappen Ressourcen war, entpuppt sich inzwischen immer häufiger als Verderben. Die ZFD-Partner IMPACT und IPL legen daher einen besonderen Fokus auf die Stärkung benachteiligter pastoraler Gemeinschaften in der Region, damit sie ihre Landrechte besser einfordern und schützen können.
Fotos: Indigenous Movement for Peace Advancement and Conflict Transformation (IMPACT)
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