Uganda: Dem Klimwandel auf der Spur
ZFD-Dienstreise nach Karamoja
ZFD-Koordinator Stefan Friedrichsen schildert eine Dienstreise in den Osten Ugandas. Der Klimawandel ist dort schon spürbar. Regen- und Trockenzeiten sind kaum noch vorhersehbar. Das bedroht die existenziell wichtige Viehzucht und den Ackerbau. Das hohe Bevölkerungswachstum verstärkt den Druck auf schwindende Ressourcen. Während der Reise beobachtet Friedrichsen die zunehmende Entwaldung einiger Regionen, die die Folgen des Klimawandels zusätzlich verschärft. Er gibt einen Ausblick auf die Möglichkeiten des ZFD und seiner Partner, die Menschen angesichts der Herausforderungen zu unterstützen.
Nach sieben Stunden Autofahrt erreiche ich die Kleinstadt Soroti im Osten Ugandas. Ich habe den grünen Gürtel Ugandas mit vielen Bananen-, Zuckerrohr- und Teeplantagen hinter mir gelassen. Noch zwei Stunden Autofahrt, dann bin ich in Moroto in Karamoja, an der Grenze zu Kenia. Es ist deutlich zu sehen, dass es trockener wird, je weiter ich nach Moroto komme. Kein Baumstamm ist hier dicker als acht Zentimeter. Überhaupt gibt es in weiten Teilen dieser Region keine Bäume mehr. Nur vereinzelt kann man sie erkennen. Vermutlich wurden sie verschont, um als Treffpunkte für die traditionellen Führungspersönlichkeiten der Bevölkerung zu dienen.
In Karamoja leben Pastoralistenfamilien, nahezu die gesamte Kultur ist auf den Besitz und die Nutzung von Kühen ausgelegt. „Alle fünf bis sechs Jahre ziehen die Karamajongs weiter und bauen sich aus Holz und Lehm neue Siedlungen,“ berichtet Narika Celestina, die Koordinatorin der Abteilung für Frieden und Gerechtigkeit in der katholischen Diözese in Moroto und fügt hinzu: „Für den Bau der Häuser wird viel Holz gebraucht und auch zum Kochen benötigen die Großfamilien viel Holz.“ Daher werden die Wege, um Holz zu finden, im Laufe der Jahre immer weiter. „Um weiterhin sicherzustellen, dass es genügend Material zum Bau der Manyattas (Anm: lokale Häuser) gibt, müssen immer mehr Menschen in neue Regionen vordringen. Diese Migration wird in Zukunft zu vermehrten Konflikten über die Landnutzung führen,“ berichtet Dr. Fitsum Teddla, ZFD-Berater bei der Friedens- und Gerechtigkeitskommission in Moroto. Die Armut hier in Karamoja macht es den Menschen schwer, ihre Lebensweise an den Klimawandel anzupassen. Das wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit von Migrationsbewegungen.
Unvorhersehbare Regen- und Trockenzeiten bringen das Gleichgewicht ins Wanken
Steigende Temperaturen und nicht mehr vorhersehbare Jahreszeiten verschärfen die Situation in Uganda. Traditionell sind viele Menschen hier auf ein verlässliches Klima angewiesen. Als Kleinbauernfamilien brauchen sie die bislang klar vorhersehbare Regenzeit zum Anbau ihrer Pflanzen. Der Klimawandel bringt die Regen- und Trockenzeit jedoch mehr und mehr durcheinander und macht es den Kleinbauern und -bäuerinnen unmöglich, den besten Zeitpunkt zum Bestellen der Felder zu finden.
Auf meiner Weiterfahrt kommt durch die offenen Fenster meines Fahrzeugs ein stechender Geruch. Ich entdecke eine große Fläche, die in Flammen steht. Die Kultur des Grasverbrennens ist ein großes Problem in der Region. Weite Flächen Karamojas werden am Ende der Trockenzeit absichtlich abgebrannt, damit neues Gras als Kuhfutter ungehindert wachsen kann. Dies allein führt zu enormer Rauchentwicklung und Hitze. Es hat auch zur Folge, dass Böden „gebacken“ werden, wodurch sie langfristig unfruchtbarer werden. Nur besonders resistente Sorten von Gras, Sträuchern und Bäumen können noch auf diesen „gebackenen“ Böden wachsen. Die biologische Vielfalt ist gestört und auch die Futtervielfalt für die Kühe wird dadurch eingeschränkt.
Der Druck auf die Ressourcen wächst mit der Bevölkerung
Auf der Rücktour von Kotido nach Moroto fällt mir auf, dass ich den ganzen Tag keine Menschen am Straßenrand gesehen habe, die älter waren als ich (54 Jahre). Meistens sehe ich Gruppen von Kindern und Jugendlichen, die Wasser oder Feuerholz holen. Das große Bevölkerungswachstums macht den Umgang mit dem Klimawandel und schwindenden Ressourcen zu einer weiteren Herausforderung, denn auch in zehn bis 20 Jahren will der Energie- und Nahrungsbedarf für alle Uganderinnen und Ugander gedeckt sein. Uganda wird zwischen den Jahren 2016 und 2060 einen geschätzten Bevölkerungszuwachs von 206 Prozent haben. In den letzten 20 Jahren hat sich die Bevölkerung bereits von 20 auf 40 Millionen Menschen verdoppelt.
Energiewende und Klimaschutz lassen in Uganda noch auf sich warten
Viele dieser Menschen brauchen Holz (-kohle), um zu kochen. Es gibt noch keine flächendeckende Elektrizität in Uganda. Auch das Kochen mit Gas hält erst in einigen wenigen Haushalten Einzug, da es einfach viel zu teuer ist. Schon jetzt gibt es einen florierenden (oftmals illegalen) Holzkohlehandel innerhalb Ugandas und nach Kenia. Dies wird dazu führen, dass weiter große Mengen an Bäumen gefällt werden. Die weißen Säcke, die ich am Straßenrand sehe, sind alle randvoll mit Holzkohle und warten auf die Großhändlerinnen und -händler, die sie in die Städte bringen. Zwischen 1990 und 2010 hat Uganda rund 37 Prozent seiner Waldfläche verloren. Korruption, illegale Geschäfte und unklare Besitzverhältnisse von Waldflächen führen zu teilweise gewaltvollen Konflikten im Zusammenhang mit Holz- und Kohlehandel. Seitens der ugandischen Regierung zählt der Klimawandel noch nicht zu den politischen Prioritäten und es ist kaum zu erkennen, dass natürliche Ressourcen wie Bäume und Wälder aktiv geschützt werden. Auch fehlen politische Ideen für die Bewältigung des rasanten Bevölkerungswachstums.
Was kann der Zivile Friedensdienst tun?
Viele Menschen in Karamoja sind die Auswirkungen des Bevölkerungswachstums und des Klimawandels kaum bewusst. Hier gilt es, Wissenslücken zu schließen. „Wir arbeiten mit den Gemeinden zusammen und führen Dialoge und Veranstaltungen durch. Dort machen wir auf die Situation aufmerksam und klären auf, “sagt Dr. Fitsum Teddla. Der Klimawandel lässt sich in Karamoja dadurch nicht stoppen, der ZFD kann aber dazu beitragen, dass die Folgen friedlich bearbeitet werden. Migration könnte beispielsweise konfliktsensibel geplant und begleitet werden. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen wäre es möglich, Routen für die Kühe und Wasserstellen gemeinsam zu planen. „In Uganda wäre es möglich, den landwirtschaftlichen Ertrag pro Hektar zu erhöhen, was zu einer besseren Lebensmittelversorgung beitragen würde,“ sagt Dr. Miguel E. Leal während eines Vortrags über den Klimawandel auf einer ZFD-Veranstaltung in Jinja im Februar 2020. Dies könnte laut Dr. Miguel durch die bessere Planung und Ausnutzung von Feldern geschehen. Dabei kann Zivile Konfliktbearbeitung eine vermittelnde Rolle übernehmen.
Es gilt, die Auswirkungen des Klimawandels in Uganda binnen der nächsten 20 Jahren zu dämpfen und mit den Menschen Möglichkeiten zu entwickeln, die Folgen gemeinsam zu bearbeiten. Dies erfordert sowohl Kreativität als auch die Bereitschaft der Bevölkerung, neue Methoden der Landwirtschaft und Energiegewinnung zu nutzen. Der ZFD hat zwar nicht die Aufgabe und die finanziellen Möglichkeiten Aufforstungsprogramme oder landwirtschaftliche Klimaanpassungsprogramme durchzuführen. Er kann jedoch auf Konfliktauswirkungen aufmerksam machen, Maßnahmen konfliktsensibel begleiten und mit Menschen Möglichkeiten entwickeln, Gewalt zu vermeiden. In Karamoja wird es künftig viel darum gehen, wo die Menschen leben und welche Ländereien und Holzressourcen sie nutzen. Celestina und Fitsum unterstützen bereits jetzt Akteurinnen und Akteure, die den Wald in Tapac in der Moroto Diözese vor Abholzung schützen wollen. Dabei geht es auch darum, Konflikte zwischen lokaler Bevölkerung und auswärtigen Firmen zu mindern.
Ein Highlight, ein Dämpfer und viel Motivation
Als Highlight meiner Dienstreise nach Moroto bin ich auf eine der kleineren Bergspitzen des Morotobergs gestiegen. Auf 2.000 Metern Höhe bietet sich mir ein ähnliches Bild wie bereits bei meiner Fahrt durch Karamoja: Große Grasflächen sind abgebrannt, fast alle Bäume sind abgeholzt und überall machen sich starke Erosionen bemerkbar. Nach vielen Gesprächen im Osten des Landes nehme ich die Erkenntnis mit, dass der Klimawandel in Uganda real ist und die Menschen in Zukunft stark beeinflussen wird. Der ZFD wird sich den Herausforderungen des Klimawandels und des Bevölkerungswachstums stellen. Viele bestehende Konflikte werden sich auf Grund von Migration und Landnutzung verschärfen. Der ZFD arbeitet in einigen Projekten bereits an dieser Thematik, die Partnerorganisationen sind dafür gut aufgestellt.
Ich trete meine achtstündige Autofahrt nach Kampala an - mit viel Motivation dazu, die Auswirkungen des Klimawandels und des Bevölkerungswachstums mit den Partnern vor Ort kreativ und innovativ zu thematisieren und tatkräftig anzugehen.
Autor: Stefan Friedrichsen, ZFD-Koordinator/AGIAMONDO
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Fotos: AGIAMONDO/S. Friedrichsen