Ein Erfolgsmodell
Die interethnische Kommission
Gewalt vorbeugen funktioniert auch unter angespannten Bedingungen. Das beweist die Arbeit der interethnischen Kommission im Chocó. Alle drei Bevölkerungsgruppen sind darin vertreten. ZFD-Fachkraft Michaela Pfister und ihr kolumbianischer Counterpart Padre Albeiro zeigen auf, was die Kommission bewirkt.
Geschichte einer Wiederauferstehung
Bereits in den späten 80er Jahren wurde aufgrund von Auseinandersetzungen zwischen schwarzen und indigenen Gemeinden eine interethnische Kommission aus der Taufe gehoben. Sie kam jedoch zum Erliegen, da die politische Korruption die indigene Bewegung spaltete und der bewaffnete Konflikt die Arbeit Anfang 2000 unmöglich machte. Es ist vor allem der Diözese Quibdó zu verdanken, dass die Kommission wiederbelebt wurde.
„Bereits vor der Eskalation des bewaffneten Konflikts hat sich die interethnische Kommission bewährt, um bei Landkonflikten zwischen den Volksgruppen eine friedliche Lösung zu finden“, sagt Padre Albeiro. Er ist Leiter der indigenen Pastorale und begleitet die Kommission. „Wenn der Friede auch bei uns ankommen soll, müssen wir die Landkonflikte angehen, die nach dem Schweigen der Waffen wieder aufbrechen“.
Ein Erfolg für sich: Alle Bevölkerungsgruppen arbeiten zusammen
Seit Anfang 2016 kommt die Kommission wieder monatlich zusammen. Sie ist wieder ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens in der Diözese Quibdó. Alle drei Volksgruppen, Indigene, Mestizen und Afrokolumbianer, nehmen daran teil. Allein das ist schon ein Erfolg. „Die Beziehungen waren derart angespannt, dass eine interethnische Versammlung mit circa 150 Vertretern, wie wir sie im April in der Gemeinde „El 18“ durchgeführt haben, nicht möglich gewesen wäre“, berichtet Michaela Pfister, Fachkraft des ZFD. „Nun waren die Teilnehmenden in der Lage, ihre Konflikte zu benennen und sich ausreden zu lassen, ohne sich zu provozieren. Erstmals beteiligen sich dabei auch die Mestizen als eigene Volksgruppe“, sagt Pfister. „Am Ende konnten sie sich sogar auf ein gemeinsames Strategiepapier einigen. Es legt fest, wie sie in Zukunft vorgehen wollen, um Konflikte friedlich beizulegen.“
Landkonflikte: Vermitteln, bevor Gewalt ausbricht
Die Kommission kommt zusammen, um bestehende und aufkommende Konflikte im Blick zu behalten und die Beziehungen zwischen den Völkern zu verbessern. „Die Stärke der Kommission liegt darin, dass ihre Vertreter aus den verschiedenen Volksgruppen kommen. Sie bringen eine große Schatztruhe voller Perspektiven und Lösungsmöglichkeiten mit“, sagt Padre Albeiro.
Die Menschen nutzen die Kommission, um Konflikte und Streitigkeiten zu verhandeln. Padre Albeiro nennt ein Beispiel: „Vor kurzem kam ein Gemeindemitglied von „La X“ in die Kommissionssitzung. Das ist ein Dorf, das schwer unter der Gewaltwelle in der „trocha“ gelitten hat. Er beklagte sich, dass auf dem Land seines Dorfes mehrmals Indigene der Nachbargemeinde „El 20“ gesichtet wurden. Es sähe so aus, als ob sie das Land inspizierten, um sich dort anzusiedeln. Er warnte davor, dass seine Leute zur Not auch mit Macheten gegen die Eindringlinge vorgehen würden. Die Kommission stellte fest, dass die Indigenen tatsächlich an dem Land interessiert waren. Seitdem ihr Dorf von einem Erdrutsch beschädigt wurde, suchen sie Land zur Umsiedlung. Nach vielen Gesprächen, Verhandlungen und Landvermessungen konnte eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung gefunden werden. Es fand sich ein verkäufliches Stück Land ganz in der Nähe, das keine territorialen Konflikte provoziert.“
Wenn Gewalt Vertrauen zerstört, ist behutsame Annäherung gefragt
Die Arbeit der Kommission verläuft in mehreren Schritten. Zunächst gibt es Einzelgespräche mit jeder Gemeinde. Der Konflikt wird dokumentiert. „Wir geben den Menschen die Gelegenheit, ihre Sorgen und Ängste zu äußern und den Konflikt aus ihrer Sicht zu beschreiben“, sagt Michaela Pfister. „Die Gewaltwelle der letzten 25 Jahre hat das Vertrauen der Menschen untereinander und ihre Gemeinschaftsstrukturen komplett zerstört. Die Ressentiments gegenüber den anderen sitzen tief. Hier sorgen wir behutsam für Annäherung.“ „Wir hören den Leuten sehr genau zu und werden dann kreativ“, ergänzt Padre Albeiro. „Manchmal braucht es juristische Interventionen, manchmal Lobbyarbeit. Fast immer vermitteln wir in neutralen Räumen. Wir unterstützen dabei, Umgangsformen und -regeln zwischen den Gemeinden verschiedener Ethnien zu entwickeln.“
Zusammenarbeit und gemeinsame Ziele: Bollwerk gegen Gewalt
Neben der Vermittlung in akuten Konflikten organisiert die interethnische Kommission Veranstaltungen, die durch gemeinsame Interessen verbinden: Informationsabende zu Gesetzen, zum Friedensabkommen, zum Dialog mit der ELN. Darüber hinaus gibt es Weiterbildungen in friedlicher Konfliktlösung und in sozialer Kartografie. Ziel ist es, die Zusammenarbeit der Gruppen auf solide Pfeiler zu stellen. Auch das hilft, Gewalt im Konfliktfall vorzubeugen. Die interethnische Kommission unterstützt darüber hinaus die Lobbyarbeit der Bevölkerungsgruppen gegenüber staatlichen Stellen. „Niemandem ist geholfen, wenn die Gemeinden sich gegenseitig bekriegen“, sagt Pfister. „Die interethnische Kommission regt dazu an, für gemeinsame Interessen auch gegenüber staatlichen Stellen mit vereinten Kräften einzutreten.“
Fotos: AGEH