Schauplätze Tel Aviv – Beit Jala
Trotz Distanz die Grenzen überwinden

Tel Aviv (aus dem Hebräischen für: „Frühlingshügel“)
Tel Aviv liegt an der Mittelmeerküste Israels. Es ist eine quirlige Metropole mit rund 440.000 Menschen. 1909 gegründet, war Tel Aviv ursprünglich ein Vorort der bereits seit der Antike bestehenden Hafenstadt Jaffa. 1945 lebten in Jaffa etwa 100.000 Menschen, davon über fünfzig Prozent islamischen, rund 30 Prozent jüdischen und knapp 17 Prozent christlichen Glaubens. Tel Aviv war von Beginn an eine jüdische Siedlung. Jaffa sollte nach dem UN-Teilungsplan von 1947 als palästinensische Enklave erhalten bleiben. 1948 wurde die arabische Bevölkerung von israelischen Milizen weitgehend aus Jaffa vertrieben. Im selben Jahr wurde in Tel Aviv die israelische Unabhängigkeitserklärung verabschiedet. 1950 wurden beide Städte zum heutigen Tel Aviv-Jaffa verbunden.

Beit Jala (vermutlich aus dem Aramäischen für: „Grasteppich“)
Beit Jala liegt im Westjordanland und grenzt direkt an Bethlehem. Wie viele palästinensische Städte ist Beit Jala von der israelischen Sperranalage (teils Mauer, teils Zaun) betroffen, sodass zum Beispiel das in Beit Jala liegende Salesianerkloster „Cremisan“ seine Ländereien nicht mehr wie früher nutzen kann. 2002 wurde auf Geheiß der israelischen Regierung mit dem Bau der gut 760 Kilometer langen Sperranlage begonnen. Der Bau ist bis auf wenige Ausnahmen abgeschlossen. Bereits in den 70er Jahren wurden Teile Beit Jalas durch die israelischen Siedlungen „Har Gilo“ und „Gilo“ in Beschlag genommen. Dies ist nach internationalem Recht illegal. Unsichtbare und sichtbare Grenzen teilen das Westjordanland in drei Zonen: Zone A (autonomes palästinensisches Gebiet), Zone B (teilautonomes Gebiet) und Zone C (unter israelischer Verwaltung), in der ausschließlich israelisches Recht (und für Palästinenserinnen und Palästinenser Militärrecht gilt). Beit Jala liegt in Zone A und C. Das heißt, dass manche Einwohnerinnen und Einwohner mit vielen Einschränkungen durch das israelische Militär leben müssen. Beispielsweise brauchen sie für jede bauliche Veränderung auf ihren Grundstücken eine israelische Genehmigung, die nur selten erteilt wird.
70 Kilometer von Tel Aviv bis Beit Jala – dazwischen: Welten
Trotz der nur 70 Kilometer Entfernung könnte die Distanz kaum größer sein. Einzig am 30. April 2017 sind die beiden Städte miteinander verbunden. Per Live-Übertragung gedenken Israelis und Palästinenserinnen und Palästinenser der Opfer des jahrzehntelangen Konflikts. Die Israeli-Palestinian Memorial Day-Zeremonie findet bereits zum 12. Mal statt. Normalerweise laden die Veranstalter zu einer gemeinsamen Zeremonie ein. Doch in diesem Jahr verwehrte das israelische Verteidigungsministerium den palästinensischen Teilnehmenden die Einreise. So wird zeitgleich an zwei Orten der Toten gedacht, in Tel Aviv und in Beit Jala, verbunden mit aufwendiger Videotechnik. Der Tag fällt nicht zufällig auf den offiziellen Gedenktag für die Gefallenen Israels. Im ganzen Land finden Gedenkveranstaltungen statt. Aber nur in Tel Aviv und Beit Jala wird der Opfer beider Seiten gedacht.
Auch 2018 sah es so aus, als müsse die Zeremonie getrennt voneinander begangen werden. Erst in letzter Sekunde hob der israelische Supreme Court das neuerliche Verbot des israelischen Verteidigungsministeriums zur Einreise der palästinensischen Teilnehmenden auf. So konnte der 13. Memorial Day wieder gemeinsam durchgeführt werden. Im Tel Aviver Yarkon Park kamen am 17. April 2018 mehr als 8.000 Menschen zusammen, um gemeinsam zu trauern, zu gedenken und zu verstehen. Tausende verfolgten die Zeremonie weltweit via Live-Stream.
Fotos (von oben): Collage: Wikimedia Commons / Labour Palestine, Wikimedia Commons / Deror avi; Text: Wikimedia Commons / Deror avi, Wikimedia Commons / Gilabrand