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Ukraine: Friedensarbeit im Schatten des Krieges

Die Stimmung im Land schwankt zwischen Resignation, Sorge und Zuversicht. Seit kurzem gilt im umkämpften Osten mal wieder eine Waffenruhe. Wie lange wird sie halten? Derweil laufen die Vorbereitungen für die Präsidentschaftswahl am 31. März. Welches Ergebnis wird sie bringen? Im Oktober folgen die Parlamentswahlen. Welchen Weg wird die Ukraine dann einschlagen? Seit 2016 unterstützt der ZFD die Zivilgesellschaft im Land auf ihrem Weg in Richtung Frieden. Doch was kann sie in dieser angespannten Situation überhaupt bewirken?


In unserem Beitrag „Ukraine: Im Osten was Neues“ vom 9. Januar 2019 haben wir bereits zwei ZFD-Partnerorganisationen vorgestellt: „Power of Future“ und „EdCamp Ukraine“. Heute zeigen wir, welchen Weg die „Koalition Gerechtigkeit für Frieden im Donbas“ verfolgt, um die Entwicklung der Ukraine in Richtung Frieden zu bewegen. Außerdem weisen wir auf die anstehende Fachtagung „Wohin steuert die Ukraine?“ mit ZFD-Beteiligung hin. Abschließend finden sich einige Hintergrundinformationen zur Konfliktlage.


Hinter der „Koalition Gerechtigkeit für Frieden im Donbas“ stecken 17 Organisationen, die sich zusammengeschlossen haben, um die Kriegsverbrechen in der Ost-Ukraine – zum Wohle der Überlebenden und zum Wohle des Landes – aufzuarbeiten. Sie dokumentieren Menschenrechtsverletzungen, die im Laufe des Krieges von allen Konfliktparteien begangen wurden. Sie wollen eine offene Debatte in Gang bringen, und das Leid der Menschen aus der Anonymität holen.

„Es ist wichtig, den Opfern einen Namen zu geben“, sagt ein Koalitionsmitglied. „Wir brauchen ein vollständiges Verständnis vom Ausmaß der Kriegsverbrechen.“ Dafür dokumentieren die Aktivistinnen und Aktivisten systematisch die Schrecken des Krieges, führen Interviews mit Opfern und sammeln unzählige Einzelschicksale. Sie hoffen, dass die Materialien im Falle gerichtlicher Verfolgung helfen, Recht und Gerechtigkeit durchzusetzen.

2018 hat die Koalition in Zusammenarbeit mit dem ZFD die erste Publikation mit Zeitzeugenberichten veröffentlicht. „Making Life go on. How the War in Donbas affects civilians“ zeigt anhand von sechs Fallstudien, wie die Zivilbevölkerung unter den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine leidet. Zu Wort kommen zahlreiche Überlebende und Angehörige. In unserer Publikationsdatenbank können Sie die 197-seitige, englischsprachige Broschüre herunterladen.

Mehr über die Arbeit der „Koalition Gerechtigkeit für Frieden im Donbas“ und ein Factsheet finden Sie in unserem Dossier „20 Jahre ZFD“.


Veranstaltungshinweis: „Wohin steuert die Ukraine?“
Tagung der Evangelischen Akademie Loccum vom 04. bis 06. April 2019 mit ZFD-Input

„Schwächelnde Wirtschaft, der Konflikt mit Russland und innerer Reformstau – die Ukraine ist mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert und ringt um ihr Überleben als unabhängiger und funktionstüchtiger Staat. Trotz dieser Schwierigkeiten hat sich die Ukraine in den letzten Jahren in ein spürbar anderes Land verwandelt. Die Zivilgesellschaft ist vielfältig und engagiert sich auf vielen Ebenen in politischen und sozialen Prozessen. Die Ukraine ist stärker als je zuvor mit anderen europäischen Ländern verflochten. Wohin steuert die Ukraine und welche Rolle kann Deutschland bei der Gestaltung des Landes spielen? Fünf Jahre nach der Annexion der Krim und wenige Tage nach der ukrainischen Präsidentschaftswahl soll diesen Fragen im Kreise von Experten und Expertinnen aus dem In- und Ausland nachgegangen werden.“ [Auszug aus dem Tagungsprogramm]

Auch ZFD-Fachkraft Felix Schimansky-Geier bringt sich aktiv in die Tagung ein. Er ist als Koordinator der ZFD-Aktivitäten von KURVE Wustrow in der Ukraine tätig. Im Rahmen der Tagung diskutiert er im Forum „Deeskalation und Friedensaufbau: Chancen und Grenzen der zivilen Konfliktbearbeitung“ mit. Die Tagung „Wohin steuert die Ukraine“ wird gefördert von Brot für die Welt, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Corvinus-Stiftung. Weitere Informationen zur Tagung erhalten Sie über diesen Link.


Zum Hintergrund:

Die Ukraine ist seit Anfang 2014 Schauplatz gewaltsam ausgetragener Konflikte. Auslöser war die Regierungserklärung, das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht zu unterzeichnen. Es folgten umfangreiche Proteste der Bevölkerung, die im Februar 2014 zu gewaltsamen Auseinandersetzungen eskalierten. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland sorgte für weitere Unruhen. Vor allem in den ostukrainischen Provinzen Donezk und Luhansk gibt es seitdem Kämpfe zwischen ukrainischen Truppen und prorussischen Separatisten. Nach UN-Angaben wurden seit 2014 schätzungsweise 13.000 Menschen getötet, darunter etwa 3.300 Zivilistinnen und Zivilisten. Über drei Millionen Menschen sind aus den umkämpften Gebieten geflohen. Davon haben rund zwei Millionen Menschen in anderen Landesteilen der Ukraine Schutz gesucht.

Die kritische Lage im Osten drückt unweigerlich auf die Stimmung im ganzen Land. Die Anspannung bleibt ungebrochen, die weitere Entwicklung ungewiss. Zwar herrscht seit dem 8. März eine Waffenruhe, doch ist fraglich, wie lange sie hält. Ein Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen ist derzeit jedenfalls nicht absehbar. Im ganzen Land herrscht zudem Frust über die schlechte politische und wirtschaftliche Lage. Viele Menschen haben das Vertrauen in die Verwaltung und die staatliche Ordnung verloren. In den letzten vier Jahren sind wesentliche Verbesserungen ausgeblieben. Vor diesem Hintergrund findet am 31. März 2019 die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt. Wenn keine Kandidatin / kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht, erfolgt am 21. April eine Stichwahl. Bis zum 3. Juni wird die neugewählte Präsidentin beziehungsweise der neugewählte Präsident vereidigt. Im Oktober 2019 folgen dann die Parlamentswahlen.

In dieser Gemengelage arbeiten ukrainische Nichtregierungsorganisationen mit Unterstützung des Zivilen Friedensdienstes daran, den Dialog zwischen den gesellschaftlichen Kräften zu fördern, friedliche Auswege aus den Konflikten zu finden, den Ausbruch weiterer Gewalt zu verhindern und die erlittenen Gräuel aufzuarbeiten. Derzeit sind sechs ZFD-Fachkräfte von drei Trägern im Land.

 

Foto: KURVE Wustrow. ZFD-Fachkraft und Ukraine-Koordinator Felix Schimansky-Geier (l.) in Kiew vor einer Namenstafel von Gefallenen, zusammen mit der Geschäftsführerin von KURVE Wustrow Anja Petz und dem Referenten Joss Becker.