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Nahost: Gedenkfeier mit Symbolkraft

Krieg ist kein Schicksal, sondern eine Entscheidung – und Entscheidungen lassen sich widerrufen: Mit dieser Überzeugung veranstaltet die ZFD-Partnerorganisation CfP am 13. April 2021 zum 16. Mal eine gemeinsame israelisch-palästinensische Gedenkfeier für die Opfer des Nahostkonflikts: die Memorial Day Ceremony, die wie immer live übertragen wird (auch wenn sie pandemiebedingt nur virtuell stattfinden kann).

Die Angst besiegen, die „Anderen“ als Menschen sehen, sich gemeinsam auf den Weg der Hoffnung machen: Darum geht es der binationalen ZFD-Partnerorganisation Combatants for Peace (CfP, dt.: Friedenskämpferinnen und -kämpfer). Schon zum zweiten Mal kann die „Memorial Day Ceremony“ (Gedenktag-Zeremonie) pandemiebedingt nur virtuell stattfinden. Im vergangenen Jahr schadete das der Reichweite allerdings nicht: Mehr als 200.000 Menschen verfolgten die Live-Übertragungen mit Rede- und Musikbeiträgen aus Israel und den palästinensischen Gebieten. Auch in diesem Jahr wird via Zoom gemeinsam mit Hinterbliebenen ein würdevoller und symbolträchtiger Rahmen für das gemeinsame Gedenken geschaffen.

Geschichten von Trauer und Zuversicht

Bei der Zeremonie erzählen Hinterbliebene von Opfern des Nahostkonflikts ihre ganz persönliche Geschichte von Verlust und Trauer, aber auch von Hoffnung und Zuversicht. In diesem Jahr werden unter anderem die folgenden Persönlichkeiten ihre Geschichte mit uns teilen:

Layla Alshekh aus Bethlehem trauert um ihren Sohn Qusay. Soldaten hatten sie festgenommen und daran gehindert, ihren Sohn ins Krankenhaus zu bringen, nachdem dieser bei einem Tränengasangriff verletzt worden war. Tamar Pikes aus Jerusalem verlor ihren Vater Michael noch vor ihrer Geburt im Sechstagekrieg (1967). Ihr älterer Bruder Yonatan starb im Jom-Kippur-Krieg (1973), und ihr zweiter Bruder Daniel wurde während seines Militärdienstes getötet. Tamar Pikes führte Regie bei zwei Dokumentationen über Familiengeschichten von Hinterbliebenen und hat ein Buch zum Thema veröffentlicht.

Gili Meislers Bruder Giora starb im Jom-Kippur-Krieg. Sein Leichnam wurde nie gefunden. Der Filmmacher aus Jerusalem verarbeitete das Verschwinden seines Bruders im Film „Fireflies“ („Glühwürmchen“). Muna Abu Sara, ebenfalls aus Jerusalem, verlor im Jahr 2000 ihren 22-jährigen Sohn Khaled. Ein Siedler überfuhr ihn absichtlich vor den Augen seiner Familie.

Alle vier Zeitzeuginnen und Zeitzeugen setzen sich seit Jahren dafür ein, dass die Tragödien, die sie selbst erlebt haben, anderen Menschen nicht widerfahren sollen. Ihre gemeinsame Botschaft lautet: „Wir wollen keine Rache, sondern wir wollen diesen Konflikt beenden. Und wir wissen, dass das möglich ist.”

Gemeinsam für Frieden

Die Combatants for Peace veranstalten die Memorial Day Ceremony in Kooperation mit der Organisation The Parents Circle – Families Forum (PCFF, dt.: Der Elternkreis – Familienforum), einem Zusammenschluss von rund 600 israelischen und palästinensischen Familien, von denen jede Familienmitglieder durch den Nahostkonflikt verloren haben. Sie engagieren sich ebenso wie die CfP für Dialog und Frieden.

In der Region ist dieser Einsatz angesichts von über sieben Jahrzehnten Hass und Gewalt, Besatzung und Krieg ziemlich einzigartig. Binationale Organisationen haben es besonders schwer. Doch sowohl die CfP, als auch das PCFF halten allen Widrigkeiten zum Trotz an der Überzeugung fest, dass ein anderer Weg der israelisch-palästinensischen Begegnung jenseits der Gewalt möglich ist. Durch ihre Arbeit lassen sie diese Vision ein Stück weit Wirklichkeit werden.

Gedenken für alle

Während sich die Memorial Day Ceremony seit 2006 zunehmend etabliert hat (anfangs waren es nur 180, im vergangenen Jahr über 200.000 Teilnehmende), ist eine gemeinsame Veranstaltung am palästinensischen Gedenktag Nakba (Tag der Katastrophe) noch recht neu. Im vergangenen Jahr machten zum ersten Mal auch israelische Teilnehmende bei der digitalen Nakba-Zeremonie mit und teilten ihre Gedanken zur Flucht und Vertreibung von rund 700.000 Palästinenserinnen und Palästinenser kurz vor und nach der Staatsgründung Israels 1948.

Auch das Datum der Memorial Day Ceremony ist übrigens nicht zufällig gewählt. Die Feier findet am israelischen Nationalfeiertag Jom haSikaron (Gedenktag für die Gefallen der israelischen Kriege und für Opfer von Terrorismus) statt. Das ist für viele nach wie vor eine Provokation. Doch den CfP geht es nicht um Provokation, sondern um Verständigung und Versöhnung.

An zwei Gedenktagen, die normalerweise völlig unterschiedlich interpretiert werden, bringen die CfP so zusammen, was für viele immer noch nicht zusammengehört: „Dadurch, dass wir die ‚andere Seite‘ in die jeweiligen Gedenkveranstaltungen einbringen, verwandeln wir Verzweiflung in Hoffnung und erinnern uns selbst daran, dass Besetzung und Krieg nicht unausweichlich sind. Wenn wir lernen, uns gegenseitig zu verstehen und zu respektieren, werden wir in der Lage sein, einen gerechten und anhaltenden Frieden zu schmieden“, so die Combatants for Peace.


Die 16. Memorial Day Ceremony wird am 13. April 2021 ab 19.30 Uhr live übertragen (Link wird am Tag der Veranstaltung auf der Internetseite cfpeace.org bekannt gegeben). Nach der Zeremonie können alle Zuschauerinnen und Zuschauer via Zoom an intimeren Gesprächen zu verschiedenen Themen teilnehmen und dabei auch einige Rednerinnen und Redner der Zeremonie näher kennenlernen. Das genaue Programm wird spätestens morgen auf der o.g. Webseite veröffentlicht. Für die Teilnahme an Zeremonie und Zoom-Gesprächen ist keine Anmeldung erforderlich.

Am 15. Mai 2021 gibt es außerdem zum zweiten Mal eine gemeinsame Online-Nakba-Veranstaltung mit großer Symbolkraft. Aktuelle Informationen finden Sie in Kürze auf dem Facebook-Profil der Combatants for Peace. Die Dokumentation zur Veranstaltung im vergangenen Jahr ist noch bei YouTube abrufbar.

Das Foto oben zeigt Mitglieder des aus israelischen und palästinensischen Frauen bestehenden Chors „Rana“ bei der Darbietung des Abschlusssongs „Had Gadya“ zur 15. Memorial Day Ceremony in 2020. Das Lied handelt von der Sinnlosigkeit sich hochschaukelnder Gewalt. Die berührende Darbietung können Sie sich via YouTube zur Einstimmung auf die kommende Gedenkveranstaltung anschauen.

Mehr über die Zusammenarbeit zwischen den Combatants for Peace und dem Zivilen Friedensdienst erfahren Sie in unserem Dossier Gewaltprävention von 2018.