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Klimakrise braucht Kooperation

Bei der Begrenzung des Klimawandels und dem Umgang mit seinen Folgen spielt Zivile Konfliktbearbeitung eine wichtige Rolle. Sie unterstützt die gewaltfreie und konstruktive Zusammenarbeit an einem der drängendsten Probleme der Menschheit. Im folgenden Interview mit Anja Petz und Martin Vehrenberg, Sprecherin und Sprecher des Konsortiums Ziviler Friedensdienst, werden die Bedeutung von Friedensarbeit zur Bewältigung der Klimakrise und die Möglichkeiten des ZFD näher beleuchtet.

Das Interview erscheint im Rahmen des ZFD-Schwerpunkt-Themas FRIEDEN VERBESSERT DAS KLIMA.

Warum braucht es Friedensarbeit, um dem Klimawandel zu begegnen?

Martin Vehrenberg: Der Klimawandel ist nicht nur ein ökologisches Problem. Er ist Teil einer globalen sozial-ökologischen Krise und stellt uns vor politische, wirtschaftliche und soziale Herausforderungen. Es braucht also eine grundlegende und umfassende gesellschaftliche Transformation, eine Veränderung unserer globalen Wirtschafts- und Lebensweise, vor allem in der nördlichen Hemisphäre. Für viele Menschen bedeuten die Folgen der Erderwärmung schon jetzt eine existentielle Bedrohung, und perspektivisch ist sie eine Gefahr für die gesamte Menschheit. Klimawandel geht uns alle an – dennoch sitzen wir nicht alle in demselben Boot.  Die Länder der nördlichen Halbkugel haben die Probleme maßgeblich verursacht, die Länder des Südens leiden am meisten darunter. Klimagerechtigkeit bedeutet, dass diejenigen besondere Verantwortung für die Lösung der Probleme übernehmen, welche die größten Verursacher sind. Sie müssen zunächst für eine Beseitigung der Ursachen sorgen und diejenigen besonders unterstützen, die unter den Folgen des Klimawandels am stärksten zu leiden haben. Um die Klimakrise, die sozial-ökologische Krise, in den Griff zu bekommen braucht es nicht nur naturwissenschaftliche Lösungen, z. B. der Energiewende. Es braucht auch eine konstruktive Gestaltung der notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Veränderungsprozesse mit den Menschen. Sie müssen beteiligt werden an der Transformation. Hier kann auch der ZFD wichtige Beiträge leisten.

Anja Petz: Der ZFD arbeitet in Ländern, die ohnehin schon von Krisen geprägt sind. Oft sind dort die Möglichkeiten zu Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel aus finanziellen oder strukturellen Gründen begrenzt. Gleichzeitig entziehen die Folgen des Klimawandels den Menschen weiter die Lebensgrundlagen und verschärfen so Konflikte um knappe Ressourcen – wenn Ernten ausfallen, Wasser knapp wird oder Überschwemmungen Menschen vertreiben. Es steht außer Frage, dass der zunehmende Klimawandel das Risiko der Entstehung und Zuspitzung von Gewaltkonflikten erhöht. Unser Anliegen ist es, die Bereitschaft und Fähigkeit der Menschen zur Kooperation zu stärken. Fachkräfte des Zivilen Friedensdienstes arbeiten dazu in 43 Ländern mit lokalen Partnerorganisationen zusammen. Sie leisten Beiträge, die Gesellschaften im konstruktiven Umgang mit Konflikten zu stärken und Räume für friedlichen Dialog und Verständigung zu öffnen und zu erweitern. Ressourcenknappheit kann Menschen auch ermutigen, Wege der Kooperation zu gehen und zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln – und diese sind sehr oft innovativ und lokal oder regional und bieten wieder Lernchancen für andere – nicht zuletzt für die Industrienationen in der nördlichen Hemisphäre. Auf dieser Basis ist es dann möglich, Allianzen zu schmieden und die Herausforderungen anzunehmen.

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Wie genau trägt Zivile Konfliktbearbeitung dazu bei, den Klimawandel zu begrenzen und seine Folgen zu bewältigen?

Martin Vehrenberg: Zunächst ist es wichtig, dass bestehende Konflikte bearbeitet werden. Dabei kann Zivile Konfliktbearbeitung helfen. Für Menschen in einem Gewaltkonflikt haben Klimaschutz oder Anpassungen an Klimawandelfolgen nur eine geringe Priorität. Gibt es beispielsweise zwischen zwei Gruppen, z.B. vor Dürre Geflüchteten und Aufnahmegemeinden, Vorurteile und Konflikte, die eine Zusammenarbeit grundsätzlich verhindern, so muss zunächst daran gearbeitet werden, dass eine Annäherung überhaupt möglich ist. Dazu gehört immer auch, Perspektiven für die Verbesserung der Lebensumstände aller Beteiligten zu schaffen, sonst haben Dialog und Annäherung kaum eine Chance. Erst im zweiten Schritt können gemeinsame Nutzungskonzepte zur Ressourcenverteilung entwickelt werden. Und dabei spielt erneut Zivile Konfliktbearbeitung eine Rolle. Sie ermöglicht es, Probleme friedlich zu analysieren, alle Perspektiven auf den Tisch zu bringen und den Austausch konstruktiv zu gestalten. Dann können Interessen so verhandelt werden, dass für alle tragfähige und damit dauerhafte Lösungen in Sicht sind. Solche Prozesse sind schwierig und langwierig. ZFD-Fachkräfte unterstützen dabei. Sie ergänzen das Wissen und Methoden der gewaltfreien Konfliktbearbeitung der Teams in den lokalen Partnerorganisationen, unterstützen ihre Vernetzung und begleiten sie auf dem Weg.

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Welches Beispiel aus der Arbeit des Zivilen Friedensdienstes fällt Ihnen dazu ein?

Anja Petz: Mir fällt dazu ein Beispiel aus Westafrika ein. Dort ziehen nach der Regenzeit nomadische Viehzüchterfamilien mit ihren Herden aus der Sahelzone Richtung Küste. Früher lebten sie mit den dort ansässigen Ackerbauernfamilien in einer Symbiose. Waren die Felder abgeerntet, konnten die Tiere der Viehzüchter dort weiden. Die Erntereste waren Futter für die Tiere, ihr Kot düngte die Felder. Doch dieses System ist durch Bevölkerungswachstum, übernutzte Böden und ausbleibende Regenfälle aus dem Gleichgewicht geraten. Bei der Frage, wer Felder, Weiden und Wasserstellen wann und wie nutzen darf, kommt es nun häufiger zu Konflikten und auch zu Gewalt. Hier hilft Zivile Konfliktbearbeitung dabei, sich den veränderten Bedingungen konstruktiv anzupassen. In Burkina Faso, Benin und Niger arbeiten ZFD-Fachkräfte mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Partnern an friedlichen Lösungen. Durch einen regelmäßigen Dialog mit allen Beteiligten wurden Vereinbarungen gefunden, die alle akzeptieren. Es wurden auch verbindliche Pläne für eine gerechte Landnutzung und klare Regeln für ein reibungsloses Passieren der Grenzen erarbeitet. 

Wie sollte Zivile Konfliktbearbeitung Ihrer Meinung nach in die Klimapolitik integriert werden?

Martin Vehrenberg: Wie in dem Beispiel oben beschrieben: Solange bestehende Konflikte eine Gesellschaft destabilisieren, kann sich diese nicht konstruktiv mit Klimaschutz und Klimaanpassungen beschäftigen. Und Konflikte, die durch den Klimawandel verstärkt werden, müssen gewaltfrei geregelt werden, damit nicht noch mehr Leid entsteht. Daher muss Klimapolitik dem Thema Klimawandel und Konflikte mehr Aufmerksamkeit schenken und hier insbesondere auch Früherkennung und Prävention stärken. Es braucht mehr als Investitionen in Umweltschutz, neue Energien und Sicherheit. Außerdem müssen sämtliche Maßnahmen, sowohl zur Begrenzung, als auch zur Bewältigung des Klimawandels, konfliktsensibel und klimagerecht geplant werden. Wenn für unseren Biosprit Regenwald gerodet wird, ist dem Klima nicht geholfen und globale Ungerechtigkeiten verschärfen sich weiter. Wenn Menschen von ihrem angestammten Land vertrieben werden, um Wind- und Solarparks zu errichten, wird Klimaschutz Teil des Problems.

Anja Petz: Der Umgang mit Klimawandel im ZFD hat immer auch mit globalen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zu tun. Vorangetrieben wird der Klimawandel von den Industrie- und Wohlstandsnationen im globalen Norden. Mit den schlimmsten Folgen müssen sich Länder im globalen Süden auseinandersetzen, die oft bereits benachteiligt sind und über weniger Ressourcen zur Bewältigung der Herausforderungen verfügen. Deshalb muss Klimapolitik im globalen Norden auch diese Dimension adressieren. Der Umgang mit Klimawandelfolgen ist nicht allein ein technisches Problem oder Aufgabe von Sicherheits- und Verteidigungspolitik – dies könnte Konflikte sogar verschärfen. Klimawandel ist ein globales Problem, das nur gemeinsam bewältigt werden kann. Es braucht Veränderungen und Anpassungen im Norden wie im Süden und vor allem Kooperation – ganz im Sinne der Agenda 2030. Nur wenn unterschiedliche Perspektiven, Bedürfnisse und Interessen gehört werden, wenn Verantwortung wahrgenommen wird, dann können wir mehr Klimagerechtigkeit erreichen.


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Fotos: Header: Florian Klassen/Weltfriedensdienst e.V.; Portraits: Anja Petz: KURVE Wustrow; Martin Vehrenberg: Christoph Seelbach