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Honduras: Gefährlicher Einsatz für Umwelt und Menschenrechte

Honduras gehört durch seine geografische Lage und die hohe Armutsrate von 53 Prozent laut dem Global Climate Risk Index und der Weltbank zu den am stärksten durch den Klimawandel gefährdeten Ländern weltweit. Naturkatastrophen wie Hurricanes, Überschwemmungen und Dürren treiben Zehntausende in die Flucht. Doch wer auf diese Problematik aufmerksam macht, riskiert sein Leben. Honduras gehört zu den gefährlichsten Ländern für Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen weltweit. Denn privates Gewinnstreben wird allzu häufig über den Umweltschutz gestellt.

Die ZFD-Partnerorganisation ASONOG begleitet indigene und kleinbäuerliche Gemeinden bei der Verteidigung ihres Lebensraumes und ihrer wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und umweltbezogenen Rechte. Im Rahmen des ZFD-Regionalprogramms von Brot für die Welt zum Thema Migration und Friedensförderung unterstützt ASONOG insbesondere Jugendliche dabei, politischen Einfluss auf lokaler Ebene zu gewinnen. Häufig geht es dabei auch um Umweltthemen und den Zusammenhang von Klimakrise, Umweltzerstörung und Migration. Dass Umweltaktivismus in Honduras mit enormen Risiken verbunden ist, beschreibt ASONOG-Mitarbeiter Ramiro Lara im Interview.

Herr Lara, nach dem Regierungswechsel 2022 und dem Amtsantritt einer progressiven Präsidentin hofften viele, dass sich in Honduras die Situation für Umweltschützer*innen verbessert. Passiert das?

Ramiro Lara: Nach zwölf Jahren der Feindseligkeiten, Drohungen und Repressionen ist es den zivilgesellschaftlichen Organisationen nach dem Regierungswechsel in der Tat gelungen, wieder mit staatlichen Stellen ins Gespräch zu kommen. Aber inzwischen stellt sich heraus, dass das nicht genug ist. Gerade im Umweltschutz sind die von den konservativen Vorgängerregierungen vergebenen Konzessionen für Megaprojekte weiterhin gültig, wird die Umwelt weiter zerstört. Die Unternehmen haben auf lokaler Ebene großen Einfluss. Auch auf nationaler Ebene ziehen sie alle Register. Ein Beispiel: Präsidentin Xiomara Castro hat in ihrer Antrittsrede versprochen, Tagebergbau zu verbieten. Einige Monate später ruderte ihr Umweltminister zurück und sagte, verantwortungsvoll agierende Konzerne könnten weiter tätig sein, darunter auch die kanadische Goldmine, die mich schon im Jahr 2018 bedroht hatte. 

Honduras ist weiterhin eines der gefährlichsten Länder für Umweltschützer*innen. Woran liegt das?

Ramiro Lara: An einer staatlichen Politik, die auf den Ausverkauf der Ressourcen setzt. In Honduras ist es im Gegensatz zu anderen Ländern für Firmen leicht, Konzessionen für Projekte für den Export ohne Rücksicht auf die Umwelt und die Lebensgrundlagen der einheimischen Bevölkerung zu bekommen, wie Bergbau, Staudämme, Holzeinschlag oder Ölpalm-Monokulturen. Honduras hat zwar internationale Konventionen wie das Übereinkommen 169 der ILO unterzeichnet, wonach die traditionellen Gemeinschaften solchen Projekten zustimmen müssen. Aber in der Praxis wird das nicht umgesetzt und auch nicht vom Staat sanktioniert. Deshalb kommt es oft zu Konflikten, die Polizei und Armee dann niederschlagen. Wo sich die Bevölkerung nicht beugt, werden Protestierende bedroht, oft auch ermordet, so wie 2016 die Staudammgegnerin Berta Cáceres. 

Wie schützen sich die Aktivist*innen seither?

Ramiro Lara: Die meisten von uns befolgen ein paar grundlegende Strategien, gehen nie zur selben Zeit ins Büro, wechseln täglich den Weg zur Arbeit, nutzen unterschiedlich Verkehrsmittel. Und unsere Dienstfahrzeuge haben zum Beispiel kein ASONOG-Logo. Aber für andere Dinge wie Sicherheitskameras oder Schutz vor Cyberattacken fehlen vielen Organisationen das Geld und die Spezialisten. 

Es gibt immerhin einen staatlichen Schutzmechanismus für bedrohte Umweltaktivist*innen, den Sie auch in Anspruch genommen haben. Funktioniert der denn?

Ramiro Lara: Mehr schlecht als recht. Die zuständigen Stellen verfassen ihre Schreiben und fordern Personenschutz bei der Polizei an. Aber die hat dafür nicht die entsprechenden Kapazitäten. Bei mir beispielsweise wurde permanente Bewachung meines Hauses angefordert, ein persönlicher Bodyguard und eine immer erreichbare Notrufnummer. Im Endeffekt hatte ich zwei Tage lang eine Polizeipatrouille vor dem Haus, mehr nicht. Danach kam sie nur noch mehrmals täglich kurz vorbei. Das für das Programm zuständige Menschenrechtsbüro hat nur wenig Geld, denn das Thema hat keine politische Priorität.

Wie stark ist der Rückhalt in der Bevölkerung für den Umweltschutz?

Ramiro Lara: Es gibt keine Umfragen, die verlässliche Zahlen haben, aber gerade ASONOG hat viel an der Umweltbildung und Sensibilisierung der Bevölkerung gearbeitet. Natürlich war es ein herber Rückschlag, als nach dem Umsturz 2009 konservative, unternehmerfreundliche Regierungen das Ruder übernahmen, rücksichtslos Konzessionen vergaben und Proteste brutal niederschlugen. Aber das allgemeine Bewusstsein ist weiter vorhanden. Ich schätze, dass 70 Prozent der Bevölkerung hinter dem Umweltschutz stehen und den Ausverkauf unserer Rohstoffe kritisch sehen.

Gab es Erfolge für die Umweltbewegung?

Ramiro Lara: Als Antwort auf die Repression der Regierung haben wir unsere Taktik gewechselt und auf lokaler Ebene gearbeitet. Im honduranischen Gemeinderecht gibt es die Rechtsfigur des offenen Rathauses. Das ist eine Art bindendes Plebiszit auf lokaler Ebene. Inzwischen haben 50 der 298 Gemeinden in Honduras solche Abstimmungen abgehalten. Überall wurden Großprojekte abgelehnt. Allerdings hat diese Taktik einen Haken. Nach drei Jahren können die Firmen verlangen, dass die Gemeinde erneut abstimmt. So hetzen wir also ständig von Abstimmung zu Abstimmung. Das ist also keine Dauerlösung.

In Nachbarländern wie El Salvador und Costa Rica ist Tagebergbau verboten. Auch in Panama wird das nach Massenprotesten im Herbst 2023 erwogen. Lässt sich die Zivilgesellschaft in Honduras davon inspirieren?

Ramiro Lara: Ja, wir arbeiten mit anderen Organisationen an einem neuen Bergbaugesetz, das wir der Regierung vorlegen wollen. Von oben kommt da keine Initiative. Der Staatsapparat versteht sich noch immer als Handlanger der Unternehmen. Und die Regierung fürchtet sich allem Anschein nach vor Investorschutzklagen, wenn sie Konzessionen widerruft oder Bergbau verbietet. 

Die Regierung hat unlängst Beziehungen zu China aufgenommen ‒ eine neue Bedrohung für den Umweltschutz?

Ramiro Lara: Wir haben wenig Informationen, was China genau plant. Aber uns ist natürlich klar, dass China sich überall auf der Welt für Bodenschätze und Megaprojekte interessiert. Wir fürchten, dass es dadurch zu mehr Umweltkonflikten kommen könnte und der Druck auf die Zivilgesellschaft zunimmt. Die meisten Honduraner*innen sehen darin allerdings derzeit vor allem eine Chance auf Investitionen und Geschäfte. Zum Beispiel sind die Kaffeebauern sehr euphorisch, weil ihnen Exporte nach China in Aussicht gestellt wurden; bislang exportiert Honduras seinen Kaffee vor allem nach Deutschland. Aber wir bleiben wachsam.


Das Interview mit Ramiro Lara stammt aus dem „Atlas der Zivilgesellschaft 2024“ (S. 66), den der ZFD-Träger Brot für die Welt herausgegeben hat. 
Foto: Brot für die Welt

Mehr zur Arbeit von ASONOG (Asociación de Organismos No Gubernamentales de Honduras) erfahren Sie unter www.asonog.hn