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DR Kongo: Netzwerk CORACON erhält Preis für Meinungs- und Pressefreiheit

Die Abkürzung CORACON steht für „Collectif des Radios et Télévisions Communautaires du Nord Kivu“ in der Demokratischen Republik Kongo. Die Plattform mit rund 60 Bürgerradios und einem Fernsehsender in der Provinz Nord-Kivu wurde gegründet, um die Solidarität unter den Journalistinnen und Journalisten zu stärken. Sie setzen sich gemeinsam für Meinungspluralismus und Pressefreiheit ein. Die Medienschaffenden arbeiten dabei unter schwierigen und gefährlichen Bedingungen, denn in der Demokratischen Republik Kongo sind politische Instabilität, Krieg und Armut seit Jahrzehnten an der Tagesordnung. Besonders in der östlichen Provinz Nord-Kivu an der Grenze zu Ruanda eskaliert die Gewalt zwischen der kongolesischen Armee und Rebellengruppen immer wieder.

Der ZFD-Träger Brot für die Welt unterstützt das Netzwerk CORACON unter anderem bei der Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten und bei der Aufklärungsarbeit. Wir freuen uns sehr, dass die wichtige Arbeit von CORACON jetzt mit dem Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit ausgezeichnet wurde.

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Jacques Vagheni leitet den Verband CORACON und nahm den Preis stellvertretend für das Netzwerk entgegen. Im Interview erzählt er von den Herausforderungen der Arbeit und davon, wie konfliktsensibler Journalismus auch unter schwierigen Bedingungen viel bewirken kann.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie und die Kolleginnen und Kollegen der Sender in Nord-Kivu? Wie können Sie dazu beitragen, Spannungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen abzubauen und den Frieden zu fördern?

Jacques Vagheni: Unsere Arbeit ist in der Tat sehr herausfordernd, vor allem in Bezug auf die Sicherheitslage. In Nord-Kivu gibt es viel Gewalt, und die Journalistinnen und Journalisten stehen häufig zwischen den verschiedenen Konfliktparteien. CORACON hilft den Kolleginnen und Kollegen und qualifiziert sie, damit sie sich besser schützen können. Wir arbeiten dabei mit dem Ansatz des Friedensjournalismus. Das heißt, unsere Berichterstattung ist konfliktsensibel. Wir berichten objektiv über alle Parteien und schildern, was geschieht, aber ohne zu schockieren oder einzelne Menschengruppen zu verteufeln.

Ich komme aus der Stadt Goma, die zurzeit durch die Milizen Gruppe M23 bedroht wird. Mehrere umliegende Dörfer und Städte sind schon durch die Milizen besetzt worden. Wir raten den Journalistinnen und Journalisten in Goma: Sprecht über die Besetzung und den Krieg, aber ohne Partei zu ergreifen. Sprecht über die Fakten.

Außerdem versuchen wir, durch moderierte Gespräche Ideen für eine Ende der Gewalt zu entwickeln. In der Provinz Nord-Kivu gibt es viele Konflikte zwischen Menschen verschiedener Ethnien. In unseren Sendungen bringen wir Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen zusammen. Wir sprechen die Probleme an und fördern den Dialog untereinander.

Neben der Sicherheitslage ist auch der Mangel an Finanzen eine große Herausforderung für uns. Häufig hindert das die Kolleginnen und Kollegen daran, umfangreiche Recherchen zu machen oder Strategien für ihre Arbeit zu entwickeln.

Wie sind Sie selbst dazu gekommen, sich für die Sache zu engagieren?

Jacques Vagheni: Ursprünglich habe ich Umwelt- und Entwicklungswissenschaften studiert und zunächst als Lehrer gearbeitet. Dann wurde ich eingeladen, bei einem Projekt für Umweltbildung und den Schutz von Flachlandgorillas mitzumachen. Ich arbeitete in einem Dorf, in dem es nur einen einzigen Radiosender gab. Zu meinen Aufgaben gehörte es, eine Radiosendung zum Thema zu machen. Jedes Mal, wenn ich am Mikrofon war, hörte das ganze Dorf zu. Die Leute sprachen mich auch auf der Straße an und wir kamen ins Gespräch. Diese Erfahrung, mit dem Radio die Menschen direkt zu erreichen, hat mich motiviert, Journalist zu werden. Nach verschiedenen Fortbildungen, unter anderem bei der Deutschen Welle Bonn und durch ein Coaching mit einer ZFD-Fachkraft, arbeite ich nun schon seit 2005 in diesem Bereich. Mir ist vor allem wichtig, junge Menschen zu ermutigen, qualitativ guten Journalismus zu machen. Denn es gibt keine Demokratie ohne guten Journalismus.

Wie steht es um die Beteiligung von Frauen an der Medienarbeit?

Jacques Vagheni: Zu CORACON gehören rund 60 Radios mit ca. 600 Medienschaffenden. Darunter sind leider nicht einmal 100 Journalistinnen. Wir wollen, dass sich das ändert. Beim Netzwerk CORACON haben wir zwei Frauen und einen Mann, die für Weiterbildung zuständig sind. Wir sprechen die Manager der Radios an und motivieren sie, mehr Frauen einzustellen. Dazu müssen wir die oft vorherrschende Mentalität bekämpfen, dass Frauen Männer angeblich nicht als Journalistinnen ansprechen können.

Im Rahmen unserer Monitoring-Prozesse haben wir geprüft, ob die Radios den Frauen eine Stimme geben. Tun sie das nicht, können wir die Leitungen der Radios sensibilisieren, den Frauen mehr Platz in der Berichterstattung einzuräumen.

Wir haben auch spezielle Trainings zur Qualifikation von  Frauen entwickelt, die Journalistinnen sind oder es werden wollen. Und wir veranstalten Diskussionen und Austauschrunden mit Studentinnen und versuchen sie zu motivieren, Journalistinnen zu werden. Wir sagen ihnen: Eine Journalistin ist sehr wichtig für die Gesellschaft.

Das Netzwerk CORACON wurde jetzt mit dem Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit Preis ausgezeichnet. Was bedeutet das für Sie?

Jacques Vagheni: Die erste Reaktion auf den Preis war natürlich Freude! Wir haben uns zunächst gewundert, dass man im fernen Deutschland etwas über unsere Arbeit erfahren hat. Aber das liegt sicher auch an unserer Partnerschaft und unserer guten Kommunikation. Ich finde, der Preis gehört nicht nur uns, sondern auch unseren Partnern wie dem ZFD. Die Auszeichnung ermutigt uns weiterzumachen ­trotz aller Herausforderungen. Sie  ist wie ein Gütesiegel auf unserem Fahrplan bei der Verteidigung der Pressefreiheit, es ist eine große Motivation für mich und alle meine Kolleginnen und Kollegen, eine gute Qualität der Arbeit im Bereich der Medienberichterstattung zu fördern.

Welche Pläne haben Sie für die weitere Arbeit?  

Jacques Vagheni: CORACON möchte gemeinsam mit dem ZFD weiter an einem Konzept zur Friedensbildung durch Medien arbeiten. Auch den Bereich der Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten wollen wir kontinuierlich ausbauen. Eine weitere Säule unserer Arbeit ist es, die Wirtschaftlichkeit der Radioarbeit zu sichern. Die Sender brauchen zumindest minimale Finanzausstattung, um ihre Unabhängigkeit zu bewahren. All das machen wir mit dem Ziel, die Menschen durch gute Radioprogramme zu erreichen, um gemeinsam für Demokratie und Frieden zu arbeiten.


Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit
Jedes zweite Jahr verleiht die Johann-Philipp-Palm-Stiftung in Schondorf den mit 20.000 Euro dotierten internationalen Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit. Beim Festakt am 4. Dezember 2022 wurde neben dem Netzwerk CORACON auch der ehemalige Chefredakteur des Radiosenders Echo Moskwy Alexei Wenediktow aus Russland ausgezeichnet. Mehr über den Preis erfahren Sie unter www.palm-stiftung.de
 
Der ZFD in der DR Kongo 
Die Fachkräfte des ZFD-Trägers Brot für die Welt unterstützen das Netzwerk CORACON bei seinem Engagement für eine faktenbasierte und ausgewogene Berichterstattung. Darüber hinaus arbeiten sie mit weiteren lokalen Initiativen sowie kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Gruppen in ihrer Arbeit für den Frieden zusammen. Durch das Zusammentreffen von Jugendlichen verschiedener ethnischer Gruppen in sogenannten „Peace Clubs“ werden beispielsweise Vorurteile und Spannungen abgebaut. Mehr über die Arbeit des ZFD in Nord-Kivu erfahren Sie in unserer Projektdatenbank und in unserem Dossier zu 20 Jahren ZFD.

Das Foto oben zeigt einen von CORACON organisierten Dialog zwischen den Jugendlichen aus Ruanda und Kongo, bei dem es um den Abbau von Vorurteilen ging. Foto: Judith Raupp
Das kleine Bild von Jacques Vagheni bei der Preisverleihung stammt von der Palm-Stiftung.