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Corona-Pandemie: Lockdown-Lektionen und -Lichtblicke

In Uganda arbeitet der ZFD mit seinen Partnern daran, Landkonflikte gemeinschaftlich beizulegen. COVID-19 hat jedoch ein anderes Problem in den Fokus gerückt: Im Zuge des Lockdowns ist das Ausmaß häuslicher Gewalt stark angestiegen. Daher wurde das Engagement entsprechend angepasst. Im Interview berichtet Julius Omony, nationale ZFD-Fachkraft in Uganda, von der neuen Herausforderung – und gibt einen sehr persönlichen Einblick in seinen Arbeitsalltag während der Corona-Krise.

 

  Julius Omony, 37, ist nationale ZFD-Fachkraft in Uganda.

 

In diesem Interview spricht er über seine neuen Erfahrungen als Work-from-home Dad und über die Bedeutung der Bekämpfung häuslicher Gewalt während der globalen Pandemie. Julius Omony ist auch der Gender Focal Point für das ZFD-Team in Uganda. Darüber ist das Team sehr froh, handelt es sich dabei doch um eine Position, die häufig von Frauen eingenommen wird.

Julius, erzähl uns zunächst einmal, wie Du mit der derzeitigen Abriegelung in Uganda umgehst und aus dem Homeoffice arbeitest!

Ein Lichtblick in der jetzigen Situation der landesweiten Abriegelung in Uganda ist, dass ich plötzlich so viel Zeit mit meiner Familie verbringen kann. Zurzeit lebe ich mit meiner Frau und meinen beiden Kindern, vier und sieben Jahre, und meiner Nichte, die ebenfalls bei uns wohnt. In den letzten sechs Jahren habe ich viel außer Haus und in verschiedenen Städten gearbeitet, so dass meine Kinder mich nur jedes zweite Wochenende zu sehen bekamen. Für sie war ich ein Besucher. Aber plötzlich kann ich ein Vater sein, der die ganze Zeit zu Hause ist. Sie freuen sich so sehr darüber, und ich lerne so viel über meine Kinder. Wenn ich nicht arbeite, spielen wir zusammen, und ich helfe ihnen bei den Hausaufgaben.

Lass mich hier einmal mit Stereotypen spielen: Für ugandische Männer ist es nicht unbedingt üblich, an Hausarbeiten beteiligt zu sein. Wie teilst Du dir die Verantwortung zu Hause auf?

Meine Frau arbeitet in einer Bank, ist aber zurzeit auch zu Hause – also helfe ich bei der Hausarbeit, wo immer ich kann. Ich halte das Grundstück sauber, wasche die Wäsche von Hand und mache die Gartenarbeit – samstags ernte ich zusammen mit den Kindern Gemüse aus dem eigenen Garten. Ich koche auch gerne! In Uganda gibt es immer noch viele Stereotypen darüber, was Männer tun oder nicht tun sollten. Als meine Nachbarn mich zum ersten Mal putzen sahen, fanden sie das lustig – aber inzwischen haben sie sich daran gewöhnt. Ich bin der Meinung, dass wir Männer uns nicht auf unsere Frauen oder Haushaltshilfen verlassen sollten. Wir können sie auch ohne Aufforderung unterstützen.

In den eigenen vier Wänden eingesperrt zu sein, ist nicht für alle angenehm gewesen. Fälle von häuslicher Gewalt nehmen in Uganda zu was ist Deiner Meinung nach der Grund dafür?

Genau, häusliche Gewalt und die Zahl der Vorfälle von geschlechtsspezifischer Gewalt (GBV) nehmen während dieser Pandemie zu. Hier in Uganda bleiben die Männer zu Hause untätig, wenn sie sonst vielleicht in eine Bar gegangen wären. Sie müssen sich mit dieser neuen Realität abfinden. Es gibt finanzielle Schwierigkeiten, da viele Menschen, insbesondere aus dem informellen Sektor, ihren Arbeitsplatz verloren haben. Grundbedürfnisse – wie Nahrung – können nicht gedeckt werden, und es gibt viele Erwartungen an den Versorger der Familie – ob das nun der Mann oder die Frau ist. Dies kann in einer ohnehin schon angespannten Situation zusätzliche Belastung und Ärger verursachen.

Wie können wir dem in unserer Arbeit begegnen?

Als ZFD Uganda machen wir derzeit viel Aufklärungsarbeit zu den Themen GBV und häusliche Gewalt. In Situationen, in denen wir zu anderen Zeiten mit Gemeinden oder mit zivilgesellschaftlichen Organisationen in Präsenz zusammengearbeitet hätten, machen wir jetzt umfangreiche Radionachrichten, Corona-Sensibilisierung und Radio-Talkshows, um häusliche Gewalt und GBV anzusprechen. Zuallererst halte ich es für wichtig, dass die Menschen verstehen, dass dies eine außergewöhnliche Situation ist. Es handelt sich um eine globale Pandemie, die jeden hart trifft. Deshalb müssen wir zusammenstehen und in Frieden leben, um diese Pandemie gemeinsam zu bekämpfen. In unseren Radiosendungen bieten wir gemeinsam mit einem unserer Partnernetzwerke „Ateker Women's Land Rights Partners“ (AWOLARIP) telefonischen Beratungsdienst für Überlebende der GBV an. Personen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können diese Hotline anrufen, um psychosoziale Unterstützung zu erhalten – und für den Fall, dass rechtliche Schritte erforderlich sind, ist bei unseren Talkshows auch ein Vertreter der Polizei anwesend. Unsere Partner erhalten viele Anrufe aus der Gemeinde mit der Bitte um Unterstützung – und da dies oft über die psychosoziale Unterstützung hinausgeht, ist eine starke behördenübergreifende Zusammenarbeit der Schlüssel zum Erfolg. Wir müssen mit allen Interessengruppen zusammenarbeiten, um umfassende Dienstleistungen anbieten zu können.

  Was tust Du persönlich, um Stress zu Hause zu verhindern?

Nach der Arbeit treiben meine Frau und ich gemeinsam Sport. Wir joggen im Haus, machen Liegestütze und Dehnübungen – und Bauchmuskelübungen, da wir versuchen, während dieses Lockdowns nicht zu viel Gewicht zuzulegen. An den Wochenenden sehen wir im ugandischen Fernsehen eine Abendsendung mit dem Titel „Saturday Night Dance Party“. Es ist eine Initiative, um die Menschen dazu zu bringen, von ihren Sofas aufzustehen und gemeinsam vor dem Fernseher zu tanzen, und das hat uns wirklich Spaß gemacht. Manchmal gehen wir als Familie zusammen essen, soweit es die Vorschriften erlauben, damit keiner von uns kochen muss.

Was hast Du aus den letzten Monaten unter Hausarrest noch gelernt?

Auch wenn viele Dinge eine Herausforderung waren – vor allem das Netzwerk zu Hause – nehme ich viele Lehren aus dieser Zeit mit. Ich genieße unsere MS-Teamsitzungen sehr und hoffe, dass wir sie auch nach diesem Lockdown fortsetzen können. Wir können so viel Zeit und wertvolle Ressourcen sparen, wenn wir nicht ständig unterwegs sind. Ich habe festgestellt, dass ich mich sehr gut konzentrieren kann, wenn ich zu Hause arbeite, und ich spare eine Menge Zeit, die ich normalerweise mit dem Pendeln verbringen würde.

Du bist auch Gender Focal Point deines Teams eine Rolle, die häufig von Frauen übernommen wird. Was hat Dich dazu bewogen, diese Verantwortung zu übernehmen?

Ich glaube, dass Gender-Fragen im Allgemeinen – aber auch in unserer Arbeit mit Konflikten im Zusammenhang mit Land und Konflikttransformation – so wichtig sind. Nur wenn wir sie durch gemeinsame Anstrengungen angehen, werden wir in Frieden leben können. Wenn wir Gender Mainstreaming betreiben, profitieren alle davon!


Das Interview führte Anna Hellge, ZFD-Fachkraft in Uganda. Es ist dem aktuellen Newsletter des ZFD der GIZ entnommen. Mehr über das Projekt „Landkonflikte im Norden Ugandas gemeinschaftlich ausbalancieren“ erfahren Sie in der ZFD-Projektdatenbank. Ein schönes Ergebnis der Arbeit in Uganda in Zeiten von COVID-19 finden Sie im Beitrag: „Corona-Pandemie: In Musik vereint“.

Fotos: Auftaktfoto: AWOLARIP; Fotos von Julius Omony: Anna Hellge/GIZ