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Corona-Pandemie: Blick zurück nach vorn

Die Partnerorganisationen des ZFD haben in der Corona-Pandemie einmal mehr bewiesen, wie krisenfest sie sind. Mit enormer Flexibilität und außerordentlichem Engagement haben sie die neuen Herausforderungen gemeistert, indem sie ihre Arbeit technisch und inhaltlich angepasst haben. Vielerorts haben sie staatliche Versorgungslücken geschlossen, etwa bei gesundheitlicher Aufklärung und psychosozialer Beratung. Nutzen wir die Zeit zwischen den Jahren für einen Blick zurück –  der unweigerlich auch ein Blick nach vorn ist.


Ohne große Diskussion hat die UN-Generalversammlung jüngst einen neuen Gedenktag beschlossen: Heute, am 27.12.2020, findet erstmals der „Internationale Tag der Epidemievorsorge“ statt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass COVID-19 im zurückliegenden Jahr so ziemlich alles überschattet hat und uns auch in 2021 weiter beschäftigen wird. Während hierzulande die Hoffnung keimt, das Virus mittels Impfstoff bald in den Griff zu bekommen, ist die Perspektive in vielen ZFD-Projektländern ungewiss.

Die gesundheitlichen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen der COVID-19-Pandemie haben die meisten Länder, in denen der ZFD aktiv ist, schwer getroffen. Einkommensverluste bei ohnehin weit verbreiteter Armut, Versorgungsengpässe und restriktive Präventionsmaßnahmen haben den Druck auf die Menschen erhöht. Vielerorts haben soziale Spannungen, häusliche, aber auch staatliche Gewalt zugenommen. Für die meisten war die Sorge vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus nur eine Sorge von vielen.

All dies gefährdet den Weg zum Frieden in Krisen- und Konfliktregionen gegenwärtig und langfristig. Genau deshalb ist es wichtig, lokalen zivilgesellschaftlichen Akteuren der Friedensarbeit weiterhin zur Seite zu stehen – während der Pandemie und darüber hinaus. Mit diesem Beitrag am „Internationalen Tag der Epidemievorsorge“ wird deutlich, wie wichtig Friedensarbeit in Krisenzeiten ist, ganz gleich um welche Krise es sich handelt. Denn jede Krise schafft auch den Nährboden für gesellschaftliche Konflikte, erst recht dort, wo bereits ein hohes Konfliktpotenzial besteht.

Die ZFD-Partnerorganisationen erweisen sich in der schweren Zeit der Pandemie als wichtige Stütze. Sie haben ihre eigentliche Arbeit fortgeführt und darüber hinaus weitere wichtige Aufgaben übernommen, zum Beispiel im Bereich der gesundheitlichen Aufklärung und psychosozialen Versorgung. In seinem Webportal zur Corona-Pandemie zeigt der Zivile Friedensdienst seit April 2020, welche Bedeutung die Friedensarbeit seiner Partner und Fachkräfte auch in Zeiten von COVID-19 einnimmt. Bislang 28 Beispiele verdeutlichen, wie sich die Partner den Herausforderungen der Krise gestellt haben, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern und zugleich die gravierenden Folgen der Pandemie abzufedern.

Mit ihrer Arbeit leisten sie einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der Corona-Krise. Sie entschärfen Konflikte, stehen verletzlichen Gruppen bei und behalten die Menschenrechte im Blick. Nicht selten riskieren sie dabei Leib und Leben. Mit einigen Beispielen möchten wir auf das Engagement der ZFD-Partner in diesem Jahr 2020 zurückblicken. Weitere Beispiele finden Sie im Corona-Portal des ZFD.

Guinea: Die Kunst der gesundheitlichen Aufklärung

Die meisten ZFD-Partner leisten in der Corona-Pandemie zusätzlich zu ihrem eigentlichen Kerngeschäft gesundheitliche Aufklärung. Dabei wird jedes denkbare Medium genutzt. Im westafrikanischen Guinea wird dazu auch auf Street Art gesetzt. Dank des kreativen Potenzials von Omar Chimère Diaw wird somit Public Health zur Kunst. Chimère arbeitet als lokale Fachkraft im ZFD-Projekt „Démocratie Sans Violence“ („Demokratie ohne Gewalt“). Seine farbenfrohen Graffiti zum Schutz vor COVID-19 springen sofort ins Auge und bringen ihre Botschaft ohne Umschweife an ein breites Publikum. Wir sind dankbar und froh, an dieser Stelle neue Arbeiten von Omar Chimère Diaw zeigen zu dürfen!

Nahost: Musterbeispiel gelebter Verständigung. Funktioniert auch virtuell.

Friedensarbeit lebt davon, Menschen zusammenzubringen. Doch das Gebot der Stunde heißt Kontaktbeschränkung. Dieses Paradoxon knacken die Partner des ZFD in Zeiten von COVID-19 vermehrt durch virtuelle Formate. Die ZFD-Partnerorganisation „Combatants for Peace“ (CfP) musste gleich zu Beginn der Pandemie Altbewährtes neu denken. Seit 15 Jahren veranstalten die CfP eine große Gedenkveranstaltung, an der Menschen aus Israel und den Palästinensischen Gebieten teilnehmen. Es ist ein wichtiges Zeichen der Versöhnung in einem festgefahrenen Konflikt. Coronabedingt musste die Zeremonie im April 2020 zum ersten Mal ausschließlich im virtuellen Raum stattfinden. Der persönliche Kontakt fehlt. Doch auf Gemeinschaft und Verständigung mussten die Teilnehmenden nicht verzichten – wie der Abschlusssong des Events „Had Gadya“, interpretiert vom gemischten Frauenchor „Rana“, eindrücklich beweist.

Nepal: Flexibel den Menschen zur Seite stehen

Die Präventionsmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bedeuten für viele Menschen in den ZFD-Partnerländern vor allem eins: existentielle Not. Zahlreiche ZFD-Partner haben daher eigeninitiativ auch humanitäre Hilfe geleistet und die am ärgsten Betroffenen mit dem Notwendigsten versorgt. Erst dann haben sie den Kopf frei, sich wirksam vor COVID-19 zu schützen und sich auf friedensfördernde Maßnahmen einzulassen. Die nepalesische Menschenrechtsorganisation „Women for Human Rights“ (WHR) hat seit Beginn der Pandemie neben ihrem eigentlichen Advocacy- und Beratungsschwerpunkt zehntausende Mahlzeiten verteilt.

Uganda: Die Heilkraft der Musik

Warum Friedensarbeit in Zeiten von COVID-19 weitergehen muss? Weil jede Krise die Gefahr birgt, Konflikte zu verschärfen. Doch eine Krise kann auch dazu genutzt werden, Gräben zu überwinden wie ein Beispiel aus Uganda zeigt. Dort haben sich auf Initiative des ZFD Musikschaffende aus zwei historisch zerstrittenen Regionen zusammengefunden. Mit einem gemeinsamen Song informieren sie über das Corona-Virus und rufen zu mehr Miteinander auf. Hier geht's zum Musikvideo.

Libanon: Von der Bürgerjournalistin zur Influencerin

Ryan Sukkar ist Bürgerjournalistin im Geflüchtetencamp Schatila am Stadtrand von Beirut. Sie ist Mitglied im Redaktionsteam von كامبجي Campji, einer Gruppe junger Journalistinnen und Journalisten, die aus dem Camp über das Leben im Camp berichten. Ein gemeinsames Projekt von ZFD und Deutscher Welle Akademie hat sie dafür qualifiziert. Keine Frage, dass كامبجي Campji auch über Corona aufklärt und Schutzmöglichkeiten verbreitet. Ryan Sukkar ist dadurch zu einem regelrechten YouTube-Star geworden. Fast vier Millionen Mal wurde ihr erfolgreichstes Aufklärungsvideo inzwischen aufgerufen.

Bolivien: Im Schatten der Pandemie grassierende Gewalt braucht Gegenwehr

Das Ausmaß häuslicher Gewalt ist während der Corona-Pandemie explodiert. Die UN sprechen von einer Schattenpandemie. Zahlreiche ZFD-Partner setzen sich für Ächtung, Strafverfolgung und Prävention häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt ein und stehen Betroffenen mit psychosozialer und juristischer Beratung bei. Die pandemiebedingten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen erschweren diese Arbeit, und machen sie zugleich wichtiger als sonst schon. Die Frauenrechtsorganisation CJA hat deswegen Notrufnummern eingerichtet, um Betroffene weiter unterstützen zu können, und ihre Aufklärungsarbeit via Social Media und Radio ausgebaut. Ihr aktueller Slogan „Das Machismo-Virus tötet auch!“ scheint nur auf den ersten Blick provokativ. Er spiegelt die traurige Realität wider, nicht nur in Bolivien.

Kosovo: Vergangen ǂ vergessen – daran muss trotz Corona erinnert werden.

Auch wenn Corona alles überlagert, löst sich vorhandenes Konfliktpotential nicht einfach so in Luft auf. Der ZFD und seine Partner arbeiten in den Ländern des westlichen Balkans daran, Feindbilder zu überwinden, Versöhnung zu fördern und eine Kultur der Gewaltlosigkeit zu etablieren. Gesprächsrunden mit Veteranen, interethnische Jugendgruppen und der gemeinsame Besuch von Gedenkstätten sind wesentliche Bestandteile dieser Arbeit. In Zeiten von COVID-19 schwer umzusetzen. Doch die „Jugendinitiative für Menschenrechte im Kosovo“ weiß, dass die Arbeit auch während der Pandemie weitergehen muss. Mit ihrer digitalen Ausstellung „Dealing with the Forgotten“ zeigt sie, wie das gelingen kann.


Die Corona-Pandemie wird uns auch im kommenden Jahr auf Trab halten. Internationale Bemühungen sollten sich nicht nur auf den Wirtschafts- und Gesundheitssektor konzentrieren. Sie sollten in gleicher Weise die zivile Friedensarbeit und Gewaltprävention stärken, damit die gesellschaftlichen Folgen der Pandemie abgefedert werden. Der ZFD wird mit seinen lokalen Partnerorganisationen auch in 2021 dafür eintreten –  und dafür sorgen, dass andere dringliche Themen nicht vom Tisch fallen.

Hier finden Sie die Erklärung A/75/L.18 der UN-Generalversammlung zur Einrichtung eines jährlichen „Internationalen Tages der Epidemievorsorge“ (mehrere Sprachversionen verfügbar). Und hier die Videobotschaft von WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus zum ersten Internationalen Tag der Epidemievorsorge am 27.12.2020 (in Englisch).

Fotos: Graffiti von Omar Chimère Diaw (ZFD / WFD-Guinea); Fotocollage: Impressionen aus den im Corona-Portal vorgestellten ZFD-Projekten