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Burkina Faso: Journalistinnen für den Frieden

Frauen spielen als Journalistinnen für Lokalradios eine wichtige Rolle bei der Bearbeitung von Konflikten in Burkina Faso. Die ehemalige ZFD-Fachkraft Viviane Schönbächler hat das Thema in ihrer Dissertation untersucht. Im Interview erklärt sie, wie Friedensarbeit durch Lokalfunk funktioniert.

Viviane Schönbächler war von 2017 bis 2018 als Fachkraft im Bereich konfliktsensibler Journalismus und Medienarbeit in Burkina Faso tätig. Sie hat mit Partnerorganisationen aus der Zivilgesellschaft und dem Mediensektor lokale Radiostationen begleitet. Sie erlebte, dass gerade Frauen durch Lokalradios wirksam zu Konfliktlösungsprozessen beitragen können. Die Erfahrungen aus ihrer Zeit als ZFD-Fachkraft mit EIRENE sind in ihre Dissertation eingeflossen, die sie unter dem Titel „Women Journalists in Proximity Radio: Access, Interaction, Participation in Conflict Resolution and Transformation Processes in Burkina Faso“ an der Ruhruniversität Bochum eingereicht hat.

Im Interview mit Stefanie Wulff berichtet Viviane Schönbächler über die Arbeit in Burkina Faso.

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Welche Rolle spielen Lokalradios für die Menschen in Burkina Faso?

Gerade lokale Radios sind noch immer das zugänglichste Medium für die Menschen. Sie decken das gesamte Land mit ihren journalistischen Angeboten ab. Während Zeitungen und Internet hauptsächlich in den Städten eine Rolle spielen, ist das lokale Radio besonders für Menschen auf dem Land wichtig. Zudem sprechen die Lokalradios in den Lokalsprachen über Themen, die die Menschen konkret betreffen. Somit sind die wirtschaftlichen und sozialen Hürden relativ klein.

Unter welchen Bedingungen arbeiten Journalisten und vor allem auch Journalistinnen in den Radiostationen?

Lokale Radios haben mehrheitlich sehr wenig Geld und Ressourcen zu Verfügung. Die Menschen, die dort fest, ehrenamtlich oder gegen Honorar arbeiten, sind dennoch sehr motiviert. Die meisten sind leidenschaftliche Rundfunkjournalistinnen und -journalisten. Die Redaktionen sind meistens sehr klein. Rund ein Fünftel der Mitarbeitenden sind Frauen. In Chefpositionen spielen Frauen aber nur selten eine Rolle.

Frauen haben einen gewissen Grad an Freiheit, ihre Sendungen so auszugestalten, wie so wollen, insbesondere in Bezug auf frauenspezifische Themen. Weil es wenig Ressourcen und Personal gibt, muss jeder und jede alles machen. Das stärkt die Frauen, die auch in der Technik arbeiten und ihre eigenen Sendungen produzieren. Journalistinnen, die über das Radio ihre Stimme öffentlich erheben, haben zwar nach wie vor mit gesellschaftlichen Vorbehalten zu tun. Andererseits haben sie besseren Zugang zu anderen Frauen als Ansprechpartnerinnen und Quellen für journalistische Themen als Männer.

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Welche Rolle spielen Lokalradios und Journalistinnen in repressiven Kontexten?

In den letzten Jahren hat sich ihre Sicherheitslage stark verschlechtert. Insbesondere Lokalradiostationen, die durch bewaffnete Konflikte beeinflusst werden, stehen vor großen Herausforderungen. Radios, die in den sogenannten „roten Zonen“ arbeiten, machen zum Beispiel oft die Erfahrung, dass bewaffnete Gruppierungen in Call-in-Shows anrufen. Sie sagen: Das wollen wir hier nicht hören. Vor allem, wenn es um Themen wie Frauenrechte, Schulbildung für Mädchen oder Zwangsheirat geht. Journalistinnen und Journalisten werden durch diesen Versuch der Zensur auch offen bedroht und in eine schwierige Situation gebracht. Gerade für die Friedensarbeit ist es sehr wichtig, hier sensibel vorzugehen. Jeder und jede sollte mitentscheiden, welches Risiko er oder sie eingehen will. Es kommt vor, dass Radiostationen die interaktiven Programme vorübergehend einstellen müssen und dass Frauen nur noch einen sehr kleinen Handlungsspielraum haben. Dennoch ist es sehr wichtig, dass das Radio weitersendet. Solange es das Radioprogramm gibt, haben die Menschen das Gefühl von etwas Normalität und moralischer Stärkung.

Sie haben die Erfahrung gemacht, dass Frauen durch konfliktsensiblen Journalismus zu Konfliktbearbeitung beitragen können. Welche Rolle spielen sie in der Friedensarbeit?

Vor allem in Regionen, die nicht im Zentrum der bewaffneten Konflikte liegen, können Lokalradios eine proaktive Rolle spielen. Etwa durch Sendungen zu Prävention: Was können wir tun, damit die Situation bei uns nicht eskaliert? Wie gehen wir mit geflüchteten Menschen um? Wie gestalten wir das Miteinander so gut wie möglich?

Das Radio bietet viele Möglichkeiten zur Konfliktbearbeitung beizutragen, nicht nur durch ausgewogene Informationen zum bewaffneten Konflikt. Es gibt auch partizipative Programme, bei denen Menschen ihre persönlichen Konflikte vortragen können und andere Anruferinnen oder Anrufer tragen zur Lösung bei. Es gibt auch Sendungen, die durch Humor und Spiel dabei helfen, explosive Situationen zu entschärfen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken.

Konflikte werden jedoch von Frauen, Männern, Jugendlichen, älteren Personen etc. unterschiedlich erlebt und bringen unterschiedliche Konsequenzen und Risiken mit sich. Meist sind die Bedürfnisse der Frauen in der Berichterstattung wenig sichtbar. Genau hier spielen Journalistinnen eine wichtige Rolle: sie haben einfacheren Zugang zu weiblichen Stimmen und Informantinnen und können deren Bedürfnissen in die Öffentlichkeit tragen.

Radiostationen sind aber auch außerhalb der Sendungen ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Häufig sind sie an Friedensprojekten beteiligt und organisieren Veranstaltungen, die den sozialen Zusammenhalt fördern. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass Journalistinnen als Mediatorinnen angefragt wurden, um an Konfliktbearbeitung teilzuhaben. Das war eine spannende Erfahrung und ich denke es ist wichtig, die Frauen in dieser Rolle weiter zu stärken.


Die Dissertation von Viviane Schönbächler wird in Kürze veröffentlicht. Wer vorab an einem Exemplar interessiert ist, kann eine Anfrage schicken an viviane [dot] schoenbaechler [at] uni-hamburg [dot] de (viviane[dot]schoenbaechler[at]uni-hamburg[dot]de).

Mehr über das ZFD-Projekt in Burkina Faso lesen Sie in unserer Projektdatenbank. Weitere Informationen zum Thema Friedensjournalismus gibt es auch im Beitrag Verständigung fördern durch Friedensjournalismus.

Interview: Stefanie Wulff

Das Foto oben stammt von Adobe. Die übrigen Fotos stammen von Viviane Schönbächler.