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Ausstellung: „Frauen geben Frieden ein Gesicht“

Noch bis zum 9. Oktober 2022 ist die Ausstellung „Frauen geben Frieden ein Gesicht“ in der Citykirche in Aachen zu sehen. Die Ausstellung stellt 20 bosnische Friedensaktivistinnen mit ihren individuellen Lebensgeschichten vor. Sie stammen aus unterschiedlichen Teilen des Landes. Als der Krieg in Bosnien und Herzegowina 1992 ausbrach, standen die meisten von ihnen mitten im Leben. Sie alle haben Schreckliches erlebt, viele verloren ihre liebsten Menschen, wurden vergewaltigt, erlitten dauerhafte gesundheitliche Schäden, flohen, wurden vertrieben oder in schrecklichen Lagern interniert.

Die Frauen, die in dieser Ausstellung zu Wort kommen, wollen an diese Grausamkeiten erinnern, die sie während des Krieges von 1992 bis 1995 erleben mussten. Auf ihre Initiativen hin entstanden nach Ende des Bosnienkrieges zahlreiche Projekte, die Frauen helfen, ihren eigenen Weg zu gehen und selbstbestimmt zu leben.

Die Ausstellung ist aus der Zusammenarbeit des bosnischen Friedensbündnisses „Mir sa zenskim licem“ (Frauen geben Frieden ein Gesicht) mit dem ZFD-Träger forumZFD in Sarajevo und der fachlichen Unterstützung des Historischen Museums von Bosnien und Herzegowina in Sarajevo entstanden. In dem Friedensbündnis sind 13 Frauenorganisationen zusammengeschlossen. Seit 2018 wurde die Ausstellung in Bosnisch und Englisch in Sarajevo und anderen Orten des Landes gezeigt. Das forumZFD hat die Ausstellung zusammen mit pax christi nach Deutschland geholt und zeigt sie nun erstmals auf Deutsch in Aachen. Weitere Ausstellungen in Deutschland sollen folgen. Im Gespräch erläutert Ausstellungsmacherin Radmila Žigić, worum es bei dem Projekt geht.  

1995 wurde der Krieg in Bosnien und Herzegowina mit dem Friedensabkommen von Dayton beendet. Wie sehr prägt der Krieg die Gesellschaft bis heute?

Radmila Žigić: Nachdem der Krieg 1992 begonnen hatte, dominierte er unsere Leben vier Jahre lang voll und ganz. Alles andere trat in den Hintergrund angesichts des Grauens und der Zerstörung. Und als die Kämpfe endeten, blieb das Land gespalten zurück. Die Trennlinien verlaufen entlang ethnischer Zugehörigkeiten – damals wie heute. Sie sind immer noch präsent in der Politik und sie haben einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft. Mit dem Ergebnis, dass wir uns immer noch in einem verlängerten Kriegszustand befinden – ein Krieg, der nicht mit Waffen gekämpft wird, sondern darin besteht, diese Trennlinien zu bewahren.

Als zivilgesellschaftliche Aktivistin bereitet mir das große Sorgen. Wir haben drei verschiedene Schulsysteme, drei verschiedene Mediensysteme und das hat natürlich einen direkten Einfluss auf die junge Generation. Die Kinder lernen in der Schule unterschiedliche Versionen der Geschichte. Das beeinflusst die Werte, mit denen sie aufwachsen – die Werte, auf deren Grundlage sie später die Politik und Wirtschaft unseres Landes prägen werden.

Warum braucht es eine Ausstellung, die den Krieg aus Sicht der Frauen erzählt?

Radmila Žigić: Aus dem einfachen Grund, dass Frauen 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft, in der große historische Ereignisse aus der Sicht von Männern erzählt werden, insbesondere aus der Sicht von Soldaten und Politikern. Das ist keine Besonderheit von Bosnien und Herzegowina, das trifft auch auf andere Länder zu. Wir gehören einer globalen Bewegung von Frauen an, die fordern, dass die Geschichte nicht nur aus Sicht von Männern erzählt wird, sondern auch aus der Sicht von Frauen. Während des Krieges in Bosnien und Herzegowina wurde überall gekämpft, in jeder Straße, jedem Dorf und jeder Stadt. Natürlich waren davon Männer ebenso betroffen wie Frauen und Kinder. Frauen haben in dieser Zeit schrecklich gelitten: Mindestens eine Million Frauen mussten ihr Zuhause verlassen, viele wurden Opfer sexualisierter Gewalt und etwa 10.000 wurden getötet. Diese Zahlen aber auch die individuellen Schicksale sollten Teil unserer Erinnerung sein. Die Geschichte gehört allen, auch den Frauen.

Und ganz praktisch gedacht muss dies auch in politischen Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden. Wir haben eine klare Botschaft: Bei allen Entscheidungen über Entschädigungen, Wiederaufbau und ähnliche Themen muss das Schicksal von Frauen berücksichtigt werden. Bisher war dies nicht der Fall, weder in Bosnien und Herzegowina noch anderswo in der Welt.

Wie haben Sie die 20 Frauen ausgewählt, die in der Ausstellung porträtiert werden?

Radmila Žigić: Insgesamt haben sich 13 Organisationen an dem Auswahlprozess beteiligt. Zuerst haben wir gemeinsam Kriterien festgelegt. Anschließend konnte jede Organisation von der Initiative „Frauen geben Frieden ein Gesicht“ Vorschläge machen. Wir wollten Frauen aus allen Teilen Bosnien und Herzegowinas abbilden, mit unterschiedlichen ethnischen und religiösen Zugehörigkeiten. Ihre Geschichten sind typische Schicksale aus dem Krieg und der Nachkriegszeit. Beispielsweise mussten einige der porträtierten Frauen flüchten oder wurden vertrieben. Manchen wurde sexualisierte Gewalt oder Folter angetan, einige haben Familienmitglieder verloren. Sie alle mussten auf unterschiedliche Weise ums Überleben kämpfen.

Ein entscheidendes Kriterium im Auswahlprozess war zivilgesellschaftliches Engagement: Alle diese Frauen haben es geschafft, das Erlebte zu überwinden. Dies sind Frauen, die ihr Leben wiederaufgebaut und vielleicht sogar anderen dabei geholfen haben. Ja, sie haben gelitten, aber sie alle sind aktiv geworden. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, zivilgesellschaftliche Aktivistinnen zu porträtieren. Damit wollen wir dem weitverbreiteten Bild von Frauen als Opfern etwas entgegensetzen.

Die Ausstellung wurde bereits an mehreren Orten in Bosnien und Herzegowina und in Serbien gezeigt. Welche Reaktionen haben Sie von den Besucherinnen und Besuchern und der Öffentlichkeit bekommen?

Radmila Žigić: Wir bekommen sehr positive Rückmeldungen vom Publikum. Wie eingangs erwähnt gibt es in Bosnien und Herzegowina nur sehr wenige Gelegenheiten für ein gemeinsames Gedenken über ethnische und religiöse Trennlinien hinweg. Das macht die Ausstellung zu etwas ganz Besonderem. Wir haben an allen Ausstellungsorten viel Lob bekommen. Etwas herausfordernder war es in Städten, in denen massenhafte Kriegsverbrechen begangen worden sind. Die Situation in diesen Orten ist sehr komplex, da die Leugnung von Kriegsverbrechen weit verbreitet ist. Es gibt keine Aufarbeitung der Vergangenheit und jegliche Veranstaltung, die inklusive Narrative verbreitet, ist unerwünscht. In einigen dieser Städte war die Atmosphäre sehr angespannt und die Eröffnung der Ausstellung stand unter Polizeischutz.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Radmila Žigić: Wir werden die Ausstellung in weiteren Städten in Bosnien und Herzegowina zeigen und wir suchen derzeit nach Möglichkeiten, sie dauerhaft für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Gleichzeitig haben wir noch eine andere wichtige Kampagne. Sie heißt „100 Frauen – 100 Straßen benannt nach Frauen“. Diese Kampagne setzen wir in zwölf Städten in Bosnien und Herzegowina um. Ziel ist es, die Erinnerungskultur gleichberechtigter zu gestalten.


Das Interview mit Radmila Žigić in voller Länge sowie weitere Informationen zur Ausstellung finden Sie auf den Seiten des forumZFD. Dem Flyer zur Ausstellung können Sie außerdem auch weitere Infos zum Rahmenprogramm entnehmen, zum Beispiel zu Führungen und zur Abschlussveranstaltung mit Podiumsgespräch am 9. Oktober 2022.

Foto: forumZFD / Initiative Peace with Women's Face