Projekt

Für die Gemeinschaft: Zivilgesellschaft stärken, Verbrechen aufarbeiten, Konflikte entschärfen

Land

Ukraine

ZFD-Akteur

KURVE Wustrow - Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion

Konfliktkontext: Seit dem 24. Februar 2022 wird die Ukraine von russischen Streitkräften angegriffen. Der Überfall konzentriert sich derzeit auf den Osten und den Süden des Landes. Aber auch in anderen Landesteilen gibt es Kämpfe. Zudem kommt es im ganzen Land zu Raketen- und Luftangriffen, bei denen auch zivile Ziele betroffen sein können. Vielerorts ist die Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten, Strom, Gas und Wasser teilweise oder ganz zusammengebrochen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks wurde seit Beginn des Angriffskriegs etwa ein Drittel der Bevölkerung vertrieben. Zwischenzeitlich hatten sich mehr als zehn Millionen Menschen außer Landes geflüchtet. Bis zu sieben Millionen Menschen sind innerhalb der Ukraine auf der Flucht. Genaue Zahlen über die Anzahl der Vertriebenen und Geflüchteten gibt es aber aufgrund der unübersichtlichen Lage genauso wenig wie verlässliche Angaben zu zivilen und militärischen Opfern. Der aktuelle Konflikt hat sich seit 2014 zugespitzt. Nachdem Russland bereits im März 2014 die ukrainische Halbinsel Krim völkerrechtswidrig annektiert hatte, riefen prorussische Separatisten kurz darauf die Unabhängigkeit von Teilen der beiden Regionen Luhansk und Donezk im Osten des Landes aus. Seitdem war die Region Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen prorussischen Kräften, verschiedenen Milizen und ukrainischen Truppen. Eine 2015 im „Minsker Abkommen“ vereinbarte Waffenruhe, wurde zu keiner Zeit dauerhaft eingehalten. Ab Sommer 2021 stationierte Russland vermehrt Truppen an der ukrainischen Grenze. Ab dem 24. Februar 2022 folgte der bis heute anhaltende, groß angelegte Angriff durch die russische Armee. Darunter leidet auch die Zivilbevölkerung in der Ukraine extrem. Viele bangen und kämpfen täglich um ihre Existenz. Das gesellschaftliche Klima war bereits vor dem russischen Angriffskrieg angespannt: Differenzen zwischen proeuropäischen und prorussischen Gruppen, zwischen Binnenvertriebenen und Aufnahmegemeinden, aber auch zwischen Bevölkerung und staatlichen Institutionen gingen mit einem hohen Konfliktpotenzial einher. Vor allem seit 2014 war die Schwelle zum Einsatz von Gewalt stark gesunken. Viele hatten das Vertrauen in die staatliche Ordnung verloren, verstärkt dadurch, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse schlecht und die Möglichkeiten der Mitbestimmung gering waren. Nun gilt es umso mehr, auch mitten im Krieg, der ukrainischen Gesellschaft beizustehen und sie über akute Nothilfe hinaus in ihrer Widerstandsfähigkeit und ihrem sozialen Zusammenhalt zu stärken. Hierfür braucht es eine starke Zivilgesellschaft und Partner. Die Partnerorganisationen des ZFD haben ihre Aktivitäten an die neuen Herausforderungen angepasst, um den Menschen vor Ort bestmöglich behilflich zu sein. Die Fachkräfte des ZFD sind im permanenten Austausch mit ihnen und unterstützen sie tatkräftig, wenn auch gegenwärtig von außerhalb der Ukraine. Dabei geht es sowohl darum, den Menschen zu helfen, die akuten Krisen zu bestehen, als auch darum, die bisherigen Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.

Projekt: Der Großteil der Partnerorganisationen dieses Projekts befindet sich weiterhin in westlichen Oblasten der Ukraine (z.B. Transkarpatien, Ternopil, Winnyzja oder im Lwiwer Gebiet), die aktuell weniger von unmittelbaren Kampfhandlungen betroffen sind. Einzelne Kolleginnen und Kollegen sind inzwischen auch wieder nach Kiew zurückgekehrt. Die Schwerpunkte der Arbeit liegen derzeit im Aufrechterhalten zivilgesellschaftlicher Strukturen und der Handlungsfähigkeit zivilgesellschaftlicher Akteure, in der psychosozialen Unterstützung sowie der Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Als Mitglied der Coalition Justice for Peace in Donbas dokumentiert die Partnerorganisation Eastern Ukrainian Center for Civic Initiatives (EUCCI) von Kiew aus aktuelle Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht im Krieg in der Ukraine. In regelmäßigen Abständen erscheinen mehrsprachige Reports über Menschenrechtsverletzungen, um die ukrainische und internationale Öffentlichkeit über die Geschehnisse im Land zu informieren. Darüber hinaus können die gesammelten Daten für gerichtliche Aufarbeitungen auf nationaler wie internationaler Ebene herangezogen werden. EUCCI setzt damit die Arbeit fort, der sich die Coalition Justice for Peace in Donbas bereits 2014 verschrieben hat: der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen sowie der Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten. Parallel wird an einem Buch über Vorurteile bezüglich des Donbas gearbeitet. Außerdem wird eine Wanderausstellung über Menschenrechtsverletzungen im Donbas in einigen Orten im Westen der Ukraine präsentiert. Die Partnerorganisation EAST SOS, ehemals tätig in Sewerodonezk, agiert weiterhin vom westukrainischen Uschhorod und von Kiew aus. Neben der Durchführung von Evakuierungen Schutzbedürftiger und Minderjähriger aus der Ostukraine in den Westteil des Landes, umfangreichen Hilfsdienstleistungen und dem Anbieten psychosozialer und traumainformierter Beratungsarbeit, fokussieren die Kolleginnen und Kollegen von EAST SOS aktuell auf den Aufbau eines neuen Büros in Dnipro. Um sich auf die Sicherheitslage an dem neuen Standort vorzubereiten haben sie entsprechende Sicherheitstrainings durchlaufen. Das Büro wird als Koordinierungs- und Beratungsstelle für Nothilfe, psychologische Unterstützung und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen fungieren und sich den Bedarfen der großen Zahl an Binnengeflüchteten widmen. Die ehemals in Kramatorsk ansässige Foundation for Community Development arbeitet derzeit von der westukrainischen Kleinstadt Bar in der Region Winnyzja aus.  Auch sie widmet sich den Belangen von Binnengeflüchteten sowie der psychosozialen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen. Die Aktivitäten richten sich zum einen darauf, jungen Menschen Ablenkung, Normalität und einen sicheren Rahmen in einem vom Krieg geprägten Land zu bieten. Zum anderen wollen sie sekundären Konflikten vorbeugen, die aus dem Kriegszustand hervorgehen (z.B. Verteilungskämpfe zwischen alteingesessenen Bewohnerinnen und Bewohnern und neuankommenden Binnengeflüchteten). Die in der Platform for Successful Nonviolent Activism zusammengeschlossenen Organisationen (AMES, Theatre for Change und Network for Responsible People) arbeiten derzeit von verschiedenen Orten aus, unter anderem aus Ternopil, Kiew und Schytomyr. Die Kolleginnen und Kollegen von Theater for Change arbeiten mit ukrainischen Aktivistinnen und Aktivisten im Bereich der Theatermethoden zusammen, um so innergesellschaftliche Themen anzusprechen, und bilden sich gleichzeitig in traumainformierter Arbeit fort, um auf die steigenden Bedarfe in diesem Feld reagieren zu können. Dies schließt auch den Umgang mit zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren ein, die nach mehreren Monaten des Kriegszustandes und der Unterstützungsarbeit an die Grenzen der Belastbarkeit stoßen. Network for Responsible People setzt die Arbeit mit Jugendzentren fort und hat sich darüber hinaus der Organisation und Koordination von Nothilfe für Bedürftige im Umfeld seines Netzwerks gewidmet, während die Kolleginnen und Kollegen von AMES mittels Online-Kommunikation weiterhin mit ihren alten Zielgruppen Kontakt halten und derzeit einen Hauptfokus auf die Bereitstellung von möglichst unabhängigen und überprüften Informationen für Menschen in den gegenwärtig von Russland okkupierten Regionen der Ukraine legen.

Projektpartner

Coalition Justice for Peace in Donbas
Eastern Ukrainian Center for Civic Initiatives
Foundation for Community Development
Platform for Successful Nonviolent Activism (AMES – Association for Middle East Studies; Network for Responsible People; Theatre for Change)
EAST SOS

Projektstandorte

Bar
Kiew
Ternopil
Uschhorod

Zielgruppen

Zivilgesellschaftliche Initiativen und Organisationen, Aktivist*innen, Bürger*innen, Jugendliche, Polizei

ZFD-Fachkräfte (im Einsatz)

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Stand

4. Quartal 2023