Projekt

Weichenstellen: Kultur des Friedens statt Klima der Angst und Gewalt

Land

Bolivien

ZFD-Akteur

EIRENE Internationaler Christlicher Friedensdienst

Konfliktkontext: Bolivien befindet sich seit der Jahrtausendwende in einem tiefgreifenden sozialen und politischen Wandel. Nach Jahren politischer Instabilität wurde 2005 die sozialistische Partei MAS (Moviemiento al Socialismo) unter Evo Morales an die Macht gewählt. Damit wurde zum ersten Mal ein Vertreter der indigenen Bevölkerung Staatspräsident. 2009 und 2014 wurde er im Amt bestätigt. Unter Morales erhielt Bolivien 2009 eine neue Verfassung, in der Bolivien als interkultureller und plurinationaler Staat verankert wurde. Der damit verbundene Umbau des Staates birgt Chancen, verstärkt jedoch auch mitunter Interessenkonflikte zwischen Regierung, indigenen Organisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen. Die Gesellschaft ist nach wie vor durch Ungleichheit geprägt. Die Armut ist trotz beachtlicher Fortschritte weiterhin groß, vor allem im ländlichen Raum und innerhalb der indigenen Bevölkerung, die mit 40 bis 60 Prozent etwa die Hälfte der Bolivianerinnen und Bolivianer ausmacht. Ihre soziale, politische und wirtschaftliche Beteiligung bleibt eine Herausforderung. Hinzu kommen Konflikte um Ressourcen, insbesondere Wasser und Boden. Diese Konflikte können vor dem Hintergrund existentieller Sorgen schnell eskalieren und in Gewalt münden. Zumal auch der Unmut über Politik und Staat wieder wächst. Trotz wichtiger Reformen konnte Evo Morales viele Erwartungen nicht erfüllen. Außerdem war sein Handeln zunehmend auf Machterhalt ausgelegt und von autoritären Tendenzen geprägt. So wurde etwa der Handlungsspielraum von Opposition, Zivilgesellschaft und Presse massiv beschnitten. Dies führte zu wachsendem Widerstand, der sich immer häufiger in Streiks, Straßenprotesten und Blockaden äußert. Ein erhöhtes Konfliktpotenzial besteht auch bei geplanten Infrastrukturprojekten, dem Abbau von Bodenschätzen und dem Ausbau industrieller Landwirtschaft. Bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2019 wurde Evo Morales zunächst zum Wahlsieger erklärt. Da es bei der Stimmenauszählung zu Unregelmäßigkeiten gekommen war, brachen in zahlreichen Städten wochenlange Proteste aus. Am 10. November kündigte Morales zunächst Neuwahlen und schließlich seinen Rücktritt an. Am 12. November erklärte sich Jeanine Áñez zur Interimspräsidentin. Die für den 3. Mai 2020 vorgesehenen Neuwahlen wurde aufgrund der Corona-Pandemie auf den 18. Oktober 2020 verschoben. Auch wenn es unmittelbar vor den Wahlen vereinzelt zu gewalttätigen Übergriffen kam, verlief der Wahlgang selbst ohne nennenswerte Vorkommnisse. Entgegen der meisten Meinungsumfragen stand der neue Präsident bereits nach dem ersten Wahlgang fest: Luis Arce Catacora, langjähriger Wirtschaftsminister unter Evo Morales.

Projekt: Das Projekt ist in der rasant wachsenden Millionenstadt El Alto angesiedelt. Die Trabantenstadt des Regierungssitzes La Paz ist die zweitgrößte Stadt Boliviens und nimmt für die weitere Entwicklung des Landes eine entscheidende Bedeutung ein. El Alto ist eine der ärmsten und zugleich konfliktreichsten Städte Boliviens. Viele der Einwohnerinnen und Einwohner, die meist indigene Wurzeln haben, leben unterhalb der Armutsgrenze. Etwa 70 Prozent arbeiten im informellen Sektor. Die Lebens- und Wohnsituation ist in vielen Stadtvierteln kritisch, was sich unter anderem in fehlender Basisversorgung und mangelhafter Infrastruktur zeigt. Die Konflikte in El Alto haben in den letzten Jahren aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen und einer schlecht funktionierenden Verwaltung immer weiter zugenommen. Immer häufiger werden sie gewaltsam ausgetragen. Daher zielt das Projekt darauf ab, dem vorherrschenden Klima aus Angst und Gewalt eine Kultur des Friedens entgegenzusetzen. Dazu werden Schulen zu Orten des Friedens gewandelt, Frauen zu Friedensstifterinnen ausgebildet und Konflikte durch Bürgerbeteiligung entschärft. Der ZFD-Partner FOCAPACI schafft beispielsweise Dialogräume, in denen Gesetzesentwürfe und Aktionspläne von Politik und Zivilgesellschaft gemeinsam ausgearbeitet werden. Die Organisation OMAK setzt sich dafür ein, dass Frauen bei der Bearbeitung von Konflikten stärker einbezogen werden. CEBIAE, eine weitere Partnerorganisation des ZFD, bietet Workshops an Schulen an. Inhaltlich geht es darum, konstruktive Methoden der Streitschlichtung von klein auf zu etablieren. CHASQUI arbeitet mit indigenen Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien. Sie erhalten Zugang zu einem breitgefächerten Bildungs- und Freizeitangebot; dazu gehören Hausaufgabenhilfe, Theater-und Tanzkurse, Radioworkshops und eine Ausbildung als Schulmediatiorinnen und -mediatoren. Die Fachkräfte des ZFD unterstützen ihre Kolleginnen und Kollegen vor Ort, indem sie ihre Kenntnisse in ziviler Konfliktbearbeitung und Dialogförderung einbringen. Darüber hinaus arbeiten sie mit Schlüsselpersonen aus Stadtverwaltung und Bildungssektor an deren Konflikt- und Kommunikationskompetenz.

Projektpartner

Centro Boliviano de lnvestigación y Acción Educativas (CEBIAE)
Centro Cultural de Comunicación (CCC Chasqui)
Centro de Formación y Capacitación para Ia Participación Ciudadana (FOCAPACI)
Organización de Mujeres Aymaras del Kollasuyo (OMAK)

Projektstandorte

El Alto

Zielgruppen

zivilgesellschaftliche Organisationen, staatliche Akteure (Stadtrat und -verwaltung), Kinder und Jugendliche, Frauen, Familien, Lehrkräfte, Institutionen des Bildungssektors, allgemeine Bevölkerung

ZFD-Fachkräfte (im Einsatz)

6

Stand

2. Quartal 2023