Vergangenheitsarbeit baut Brücken in die Zukunft

Projektland: Kambodscha (Südostasien). Hauptstadt: Phnom Penh; Bevölkerung: rund 17 Mio. Menschen (96 pro km²). Unabhängigkeit: 1949 (im Rahmen der französischen Union), 1953 vollständige staatliche Souveränität; Regierungsform: Konstitutionelle Monarchie. König Norodom Sihamoni ist repräsentatives Staatsoberhaupt. Seit 1981 stellt die Cambodian People’s Party (CPP) die Regierung. 1993 fanden erstmals wieder freie Wahlen statt. Oppositionsparteien werden in ihrer Arbeit allerdings behindert, teils wurden sie verboten oder von den Wahlen ausgeschlossen. Ein freier, fairer Wahlkampf ist nicht möglich. Bei den Parlamentswahlen im Juli 2023 errang die CPP 120 von 125 Sitzen. Nach 38 Jahren Amtszeit hat Hun Sen das Amt des Ministerpräsidenten an seinen ältesten Sohn Hun Manet übergeben. Human Development Index 2022: Rang 148 (von 193 Ländern); Global Peace Index 2023: Rang 73 (von 163 Ländern).

Projekt: 2022 wurde vom Sondergericht zur Aufarbeitung der Verbrechen der Roten Khmer das letzte Urteil gefällt. Nach 16 Jahren ist die juristische Aufarbeitung damit in ihre Endphase getreten. Doch damit allein ist es nicht getan. Mindestens genauso wichtig sind die individuelle und gesellschaftliche Aufarbeitung. Die Partnerorganisationen (PO) und Fachkräfte des ZFD leisten hierzu wichtige Beiträge. Psychosoziale Begleitung und Therapieangebote helfen Überlebenden und deren Familien. Der Dialog zwischen Opfern und Tätern trägt zur Wahrheitsfindung und Versöhnung bei. Der Diskurs zwischen gesellschaftlichen Gruppen und zwischen den Generationen hilft, ein gemeinsames Verständnis der Vergangenheit zu entwickeln und deren Bedeutung für Gegenwart und Zukunft zu erkennen. Zum Zwecke einer konstruktiven Erinnerungskultur wird auf Museumspädagogik in Gedenkstätten, Vergangenheitsarbeit und zivile Konfliktbearbeitung im formellen und informellen Bildungswesen sowie auf konfliktsensible Medienarbeit gesetzt. Der ZFD ergänzt und begleitet mit seinen PO die Arbeit des Sondergerichts seit 18 Jahren. Das dabei gewonnene Wissen ist Teil des Vermächtnisses des Sondergerichts und trägt zum Aufbau eines „Kambodschanischen Instituts für Frieden und Erinnerung“ bei. 

Praxisbeispiel: Unsere Partnerorganisation Transcultural Psychosocial Organisation (TPO) arbeitete viele Jahre mit Überlebenden des Khmer Rouge Regimes und bot psychosoziale Begleitung und Therapien an. Dadurch lernten die Überlebenden ihren Alltag zu meistern und gesunde Sozialbeziehungen aufzubauen. Nun arbeitet TPO zusammen mit den ehemaligen Teilnehmenden der Maßnahmen am Aufbau eines Netzwerkes, durch das sich die Überlebenden gegenseitig unterstützen können, auch ohne direkte Beteiligung von TPO.

Konfliktfelder: Die Herrschaft der Roten Khmer, jahrzehntelange Bürgerkriege, Bombardierung durch die USA im Vietnamkrieg und die Befreiung mit anschließender Besetzung durch Vietnam (1979-89) lasten nach wie vor auf der kambodschanischen Gesellschaft. Unter den Roten Khmer starben zwischen 1975 und 1979 etwa 25 Prozent der Bevölkerung durch Zwangsarbeit, Hunger, Folter und Mord. 1991 wurde ein Friedensvertrag unterzeichnet; der Guerillakrieg der Roten Khmer endete aber faktisch erst 1999. Durch die erlittene Gewalt sind viele Menschen traumatisiert. Da die Gräuel eher verdrängt als aufgearbeitet wurden, ist auch die junge Generation von den Folgen der Traumatisierung belastet (sog. transgenerationales Trauma). Trotz immenser Entwicklungserfolge seit 1999 sind viele Menschen, v.a. im ländlichen Raum, von Armut, Arbeitslosigkeit und unzureichender Versorgung betroffen. Auch die Benachteiligung von Frauen sowie die Diskriminierung ethnischer und religiöser Minderheiten wirkt konfliktverschärfend. Die Arbeit von Zivilgesellschaft, Medien und Opposition ist zunehmend eingeschränkt.