Klimawandel
als Konfliktverschärfer?
Der Klimawandel ist eine der dringlichsten Herausforderungen unserer Zeit. Die Folgen für Mensch und Natur, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik bedeuten einen gravierenden Einschnitt in die Lebensbedingungen auf der Erde. Vielerorts sind auch Auswirkungen auf Frieden, Stabilität und Sicherheit zu befürchten.
Der Klimawandel ist aus Sicht der Forschung selten eine direkte Konfliktursache. Die Zusammenhänge sind weder einfach, noch linear. Eines ist aber klar: Die Folgen des Klimawandels können Konflikte schüren und verschärfen. Vor allem dort, wo das Leben ohnehin von Instabilität, Krisen und Konflikten geprägt ist, nehmen Spannungen zu. Es gibt vielfältige Verbindungen zwischen Klima und Konflikt, die in der Forschung beobachtet werden:
Klimawandel als Konfliktverschärfer: Die Folgen des Klimawandels erzeugen vielerorts neue Stressfaktoren oder verschärfen bereits bestehende. Wenn beispielsweise Ernten wegen zunehmender Dürren ausfallen, hat das Konsequenzen für die Ernährungssicherheit. Dort, wo Regionen unbewohnbar werden, kann es zu Konflikten durch Migration kommen. Wo schon jetzt Land- und Ressourcenkonflikte vorherrschen, droht sich die Lage zuzuspitzen. All das kann an der Stabilität von Staaten und Gesellschaften rütteln. Schon heute lassen sich zahlreiche Konflikte beobachten, die klimabedingt an Brisanz zugenommen haben.
Klimaschutz als Konfliktverschärfer: Wenn für unseren Biosprit Regenwald gerodet oder Menschen von ihrem Land vertrieben werden, ist dem Klima nicht geholfen. Wenn der Ausbau der Elektromobilität Konflikte in der DR Kongo anfeuert, weil für die Produktion von Akkus Kobalt unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut wird, dann wird Klimaschutz zum Teil des Problems. Maßnahmen zum Klimaschutz müssen genauso wie Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel konfliktsensibel durchdacht sein.
Krieg als Klimakiller: Gewaltsame Konflikte und Kriege vernichten, was ihnen in den Weg kommt - auch Natur und Umwelt. Damit befeuern Krieg und Gewalt den Klimawandel zusätzlich. Selbst in Friedenszeiten werden Militärübungen zum „Klimakiller“ mit einer katastrophalen Klimabilanz: So entspricht der Treibstoffverbrauch eines Eurofighter-Kampfjets pro Flugstunde dem CO²-Fußabdruck, den ein Mensch in Deutschland in einem Jahr hinterlässt – und auch der ist schon viel zu hoch.
Klimadebatte als Sicherheitsrisiko: Wenn der Klimawandel in erster Linie als Bedrohung wahrgenommen wird, ruft das eine sicherheitspolitische Bewertung auf den Plan. Der Klimawandel wird dann schnell als Sicherheitsrisiko eingestuft. Schlagworte wie „Klimakriege“ und „Klimaflüchtlinge“ beherrschen die Debatte. Der verbalen Aufrüstung folgt die militärische. Doch jeder Cent, der im Namen des Klimawandels in Aufrüstung gesteckt wird, fehlt für die so dringend erforderlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise. Neben Mitteln für Klimaschutz und Anpassung braucht es daher Investitionen in Entwicklung und Frieden, damit neue Allianzen geschmiedet werden können und Klimakonflikte nicht in Konfrontation münden.
WEITERE INFORMATIONEN
zu den unterschiedlichen Verbindungen zwischen Klima und Konflikt finden Sie in den folgenden Quellen:
QUELLEN + VERTIEFUNG
Zum Stand der Forschung
Das Friedensgutachten der Friedensforschungsinstitute BICC, HSFK, IFSH und INEF beschäftigte sich 2020 nicht nur mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Friedenspolitik, wie der Titel „Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa" vermuten lässt. Die führenden deutschen Forschungsinstitute richten ihren Fokus auch auf den Klimawandel als Friedensrisiko. Dabei kommen sie zu folgender Schlussfolgerung: „Der Klimawandel beeinträchtigt in vielen Regionen die Lebensbedingungen, steigert das Konfliktrisiko und erschwert nachhaltige Friedenssicherung. Seine Bedeutung für Gewaltkonflikte ist aber bisher eher gering. Multilaterale politische Instrumente sollten Sicherheitsrisiken frühzeitig erkennen helfen und kooperative Wege der Friedensbildung stärken. Im Vordergrund muss eine konfliktsensitive zivile Klimapolitik stehen, die auf zwei Säulen ruht: Emissionsvermeidung und Klimaanpassung." Von der Bundesregierung fordern die vier Institute im gemeinsamen Friedensgutachten 2020, das Mitte Juni 2020 erschienen ist, mehr Maßnahmen an der Schnittstelle von Klima-, Entwicklungs- und Friedenspolitik.
Überblick über Umwelt- und Klimakonflikte
Das Factbook der Initiative Climate Diplomacy geht den Verbindungen zwischen Klimawandelfolgen und gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Konsequenzen nach. Es beinhaltet Daten zu über 130 politischen Konflikten mit Umwelt- oder Klimadimension. Auf einer interaktiven Weltkarte können die verschiedenen Konflikte schnell lokalisiert werden. Climate Diplomacy ist eine gemeinsame Initiative vom Auswärtigen Amt und dem Berliner Thinktank adelphi, der sich auf Klima, Umwelt und Entwicklung spezialisiert hat.
„Land Matrix“ macht Landraub publik
Der Bedarf an Land steigt unaufhörlich. Auch „Landgrabbing“ für Klimaschutzmaßnahmen ist leider keine Seltenheit. Die Online-Plattform Land Matrix legt großflächige Landnahmen offen. Auf einer interaktiven Karte können die Fälle anhand verschiedener Kriterien gefiltert werden. So lässt sich beispielsweise zeigen, wo Land für Biosprit oder erneuerbare Energien in Beschlag genommen wurde. Hinter der Plattform steckt ein Bündnis aus fünf globalen Organisationen, darunter ZFD-Träger Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Zu den Gebern zählt unter anderen das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das auch den Zivilen Friedensdienst finanziert.
Wo Klimaschutz zum Konfliktfaktor wird
„Rohstoff-Grabbing“ im Namen des Klimaschutzes betrifft nicht nur den angesprochenen Kobalt-Abbau in der Demokratischen Republik (DR) Kongo. Die Studie „Green Conflict Minerals: The fuels of conflict in the transition to a low-carbon economy“ geht dieser Problematik anhand zahlreicher Beispiele auf den Grund. Fünf Fallstudien vertiefen die Konfliktdynamik in fünf Ländern, darunter auch der Kobalt-Abbau in der DR Kongo. Die Studie aus 2018 stammt vom International Institute for Sustainable Development (IISD). Die Ergebnisse lassen sich auch auf einer interaktiven Weltkarte (Stand: 2019) erkunden. Inwiefern der Ausbau der Elektromobilität wegen des erforderlichen Kobalts Konflikte speziell in der DR Kongo anfeuert, lässt sich in einem Artikel auf der Internetseite des Deutschlandfunks nachlesen: Isabel Fannrich-Lautenschläger (2019): „Rohstoff-Grabbing für Handys und E-Auto-Batterien. Zwangsarbeit und Vergewaltigung im Kampf um Kobalt im Kongo.“
Ökologischen Fußabdruck messen und reduzieren
Die Idee zum ökologischen Fußabdruck stammt von den Wissenschaftlern Mathis Wackernagel und William Rees. In den 90er-Jahren entwickelten sie dieses anschauliche Maß, um unseren Ressourcenverbrauch abzubilden, gemessen in „globalen Hektar“ (gha). Der Fußabdruck vergleicht, wie viel Natur uns zur Verfügung steht, und wer wie viel nutzt. Seit etwa 1970 verbraucht die Weltbevölkerung mehr Ressourcen als die Erde dauerhaft bereitstellen kann. Die pro Person verfügbare Menge liegt derzeit unter 1,6 gha. Der Weltdurchschnittsverbrauch liegt aber bei 2,8 gha. In Deutschland verbrauchen wir im Schnitt sogar 4,7 gha pro Kopf; in Bangladesch sind es nur 0,8 gha. Mit dem Online-Test von ZFD-Träger Brot für die Welt kann in wenigen Schritten der eigene ökologische Fußabdruck ermittelt werden. Selbstverständlich gibt es auf der Webseite fussabdruck.de auch Infos zum Konzept sowie Tipps, den eigenen Fußabdruck zu verkleinern. Mathis Wackernagel hat übrigens das Global Footprint Network (GFN) gegründet, das u.a. die Datenbank Ecological Footprint Explorer betreibt. Seit 2006 bestimmt das GFN alljährlich den Erdüberlastungstag. 2020 fiel er auf den 22. August.
Wasserfußabdruck messen und reduzieren
Ein weiteres Maß für den Ressourcenverbrauch ist der Wasserfußabdruck. Wie der Name schon sagt, geht es um den Wasserverbrauch. Berechnet wird aber nicht nur der direkte Verbrauch, sondern auch das indirekt genutzte Wasser, das zum Beispiel für Aufzucht, Transport und Produktion der Bohnen für eine Tasse Kaffee erforderlich ist. In Deutschland übersteigt die Menge des sogenannten virtuellen Wassers die des direkten Verbrauchs um ein Vielfaches: Um die 124 Liter nutzt ein Mensch in Deutschland pro Tag für Kochen, Waschen, Putzen, Blumen gießen usw. Wird das virtuelle Wasser mitgezählt, liegt die Menge bei 5.300 Liter. Der ZFD-Träger Weltfriedensdienst bietet einen Online-Test, um herauszufinden, wie groß der eigene Wasserfußabdruck ist: die Wasserfußabdruckampel. Auf der Aktionsseite Wasser gibt es außerdem Tipps, wie der eigene Fußabdruck verringert werden kann, Hintergrundinfos, ein Wasserquiz und ein Kochbuch für das Menschenrecht auf Wasser.
Klimakiller Eurofighter
Der Vergleich zwischen dem ökologischen Fußabdruck eines Eurofighters und dem eines Menschen in Deutschland stammt aus dem Artikel „Klimakiller Eurofighter“ von S. Götze & S. Schwarz (2014) auf klimaretter.info. Die Online-Plattform wurde 2007 von zwei Journalisten mit dem Ziel gegründet, unabhängige Beiträge zu Klimapolitik, -forschung und -wende zu bringen. Seit 2018 nennt sich die Plattform klimareporter°. Sie bietet nach wie vor Nachrichten, Hintergründe, Debatten und Kommentare sowie seit kurzem den wöchentlichen Podcast klima update°. Die beiden Autorinnen Susanne Götze und Susanne Schwarz gehören zum festen Redaktionsteam der preisgekrönten Nachrichten-Plattform.
Das Klima zum Thema machen
Warum wird weit mehr über den Klimawandel diskutiert, als zu seiner Begrenzung getan wird? Warum beeinflusst der Fokus der Klimadebatte die Art der Problemlösung? Es liegt daran, wie darüber berichtet wird, zumindest in Teilen. Das ist die Überzeugung der klimafakten-Redaktion, die ein deutschsprachiges Handbuch Klimakommunikation herausgibt. Erklärtes Ziel: So übers Klima ins Gespräch kommen, dass Menschen zum Handeln motiviert werden.
Bereits die 44-seitige Broschüre Das Klima zum Thema machen. So geht’s. gibt wertvolle Tipps zur besseren Berichterstattung über den Klimawandel. Das stetig wachsende Online-Handbuch Klimakommunikation aber übertrifft die Broschüre von 2019. Das klimafakten-Handbuch geht der Sache systematisch, umfassend und anschaulich auf den Grund. Es liefert die Fakten, analysiert die Strömungen der Klimadebatte und kombiniert das Ganze mit praxisorientierten Empfehlungen zur Optimierung der Klimakommunikation. Die Inhalte können kapitelweise heruntergeladen werden. Insgesamt sind 21 Kapitel geplant, 11 sind bereits erschienen.
Hinter klimafakten.de stecken federführend der ehemalige Reuters-Korrespondent Sven Egenter als Geschäftsführer und der Journalist und Dipl.-Politologe Carel Mohn als Chefredakteur. Beide verantworten auch das englischsprachige News-Portal Clean Energy Wire CLEW zur Energiewende in Deutschland. CLEW enthält zahlreiche Factsheets und wird kontinuierlich mit News gefüttert. Das Portal richtet sich an Journalistinnen und Journalisten und die interessierte Öffentlichkeit. Sowohl CLEW, als auch klimafakten.de, beide mit Sitz in Berlin, werden von der European Climate Foundation und der Stiftung Mercator finanziert.
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Fotos & Abbildungen: Header: Enda Pronat/Weltfriedensdienst e.V.; Info-Teaser: Bundeszentrale für politische Bildung: Screenshot zum Artikel von L. Rüttinger (adelphi); International Institute for Sustainable Development (IISD, 2018): Abbildung „Minerals Required for Green Energy Technologies“; PeaceLab-Blog: Screenshot zum Beitrag von A. Claußen (IPPNW). Quellen-Teaser: BICC, HSFK, IFSH & INEF (2020): Cover des Fokuskapitels „Friedenspolitik in Zeiten des Klimawandels“ im „Friedensgutachten 2020“; adelphi & Auswärtiges Amt: Screenshot „Climate Diplomacy Factbook/Map View“; Land Matrix consortium: Screenshot „Land Matrix“; IISD (2018): Cover der Studie „Green Conflict Minerals“; Brot für die Welt Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.: Screenshot „Dein ökologischer Fußabdrucktest“; Weltfriedensdienst e.V.: Screenshot „Wasserfußabdruck“; KJB KlimaJournalistenBüro UG: Screenshot „Über klimaretter.info“; klimafakten.de & BVKS (2019): Cover & S. 24 des Readers „Das Klima zum Thema machen“; 2050 Media Projekt gGmbH: Screenshot „Clean Energy Wire CLEW“ [Abruf der Internetseiten: April/Mai 2021]