LOJA
Gelebte Multikultur
Blerim Jashari ist Albaner, Aleksandra Sargjoska Mazedonierin. Die beiden sind Kollege und Kollegin im Center for Balkan Cooperation LOJA in Tetovo. Das scheint auf den ersten Blick nicht besonders – ist es aber. Denn in Mazedonien hätten die beiden aufgrund ihrer unterschiedlichen ethnischen Zugehörigkeit eigentlich kaum Kontakt.
Blerim Jashari und Aleksandra Sargjoska arbeiten bei LOJA gemeinsam in multiethnischen Projekten an sensiblen gesellschaftlichen Themen. Ihre Zusammenarbeit steht sinnbildlich für den Wunsch nach einem Mazedonien, in dem die Bevölkerungsgruppen gemeinsam am Zusammenwachsen des Landes arbeiten, um eine bessere Zukunft für alle zu ermöglichen.

Wie aus „anders“ langsam „normal“ wird
„Anfangs gab es in meinem Umfeld Leute, die mich als schlechtes Beispiel sahen, weil ich mit `den anderen` arbeitete,“ berichtet Blerim Jashari, „Auf Aleksandra zu treffen, hieß für mich aber einfach nur, mich weiter mit der Realität auseinandersetzen.“ Auch seine Kollegin Aleksandra Sargjoska beschäftigte sich schon vor der Zusammenarbeit bei LOJA mit den eigenen Vorurteilen. „Ich habe schon als Kind mit albanischen Kindern gespielt. Durch Blerim habe ich dennoch ganz neue Perspektiven kennengelernt. Mir wurde bewusst, dass über vieles nie gesprochen wurde,“ sagt sie. Ihr Freundeskreis reagierte gemischt: „Manche fanden toll, was ich bei LOJA machte und manche dachten `Die geht also zu den Albanern`. Heute ist meine Arbeit so normal, dass sie nicht einmal mehr Gesprächsthema ist.“
LOJA – am Anfang gab es noch Theater
Begonnen hat alles 1999 mit Theaterstücken für geflüchtete Kinder, in denen brisante Themen aus der Zeit der Balkankriege angesprochen wurden. Eines der Stücke gab LOJA im Gründungsjahr 2000 seinen Namen, denn LOJA bedeutet auf Albanisch „Spiel“. Das erklärte Ziel der Organisation: Die Bevölkerungsgruppen (von klein auf) miteinander in Kontakt bringen. „Das Problem ist, dass es in Mazedonien zu wenig Raum für ein Miteinander gibt“, erläutert Aleksandra Sargjoska. „Leider ist es immer noch so, dass es Bars, Restaurants und viele andere Orte gibt, in die entweder nur Mazedonier oder nur Albaner gehen. Man meidet den Kontakt, weil die Angst vor Konflikten und Diskussionen zu groß ist.“ Seit 18 Jahren trägt LOJA dazu bei, den Kontakt zu fördern.

Neugier ist größer als Furcht
In den ersten Jahren konzentrierte sich LOJA auf Kultur- und Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche in gemischten Gruppen. Albanische, mazedonische, türkische, bosniakische und Roma-Jugendliche standen sich dabei oft erstmals leibhaftig gegenüber. Für die meisten war diese Erfahrung neu und befremdlich. Attraktive Angebote wie Sport, gemeinsame Ausflüge oder Computerclubs halfen jedoch schnell über erste Unsicherheiten hinweg. Die Neugier war größer als die Furcht. „Wenn man zusammen etwas erlebt, vergisst man seine Vorurteile schnell“, weiß Blerim Jashari zu berichten. „Die Menschen merken, dass sie dieselben Freuden und Sorgen teilen. Allein diese Feststellung verändert sie.“ Schon das Kennenlernen „der anderen“ kann also helfen, Vorurteile abzubauen und nicht mehr gegeneinander zu sein.
Verbinden statt Trennen
LOJA konzentriert sich nicht auf die ethnische Zugehörigkeit, sondern thematisiert Dinge, die die Menschen verbinden. Da geht es um die Umweltverschmutzung in ihrem Land oder auch um den Wunsch nach einem Skateboard-Platz. Wenn über ein gemeinsames Interesse erst einmal Kontakt hergestellt wurde, dann können auch heiklere Themen angesprochen werden. „Wir wollen eine bessere Kommunikation zwischen den ethnischen Gruppen in Mazedonien erreichen, weil ein dauerhafter Frieden nur möglich ist, wenn wir gemeinsam an der Entwicklung unseres Landes arbeiten“, sagt Aleksandra Sargjoska.
In die Breite wirken
Die zwischenmenschlichen Erfolge ermutigten LOJAs Team schnell zu mehr. „Wir wollten einen größeren Schritt machen und haben dann verstärkt Multiplikatorinnen in der Kinder- und Jugendarbeit und Professoren in den Universitäten angesprochen“, erzählt Sargjoska. Das Ziel: einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel über Veränderungen in der Bildungspolitik anstoßen. Lehrerinnen und Lehrer sollten schon während des Studiums für die multiethnische Bildung sensibilisiert werden. LOJA hob das Projekt „Verankerung multiethnischer Jugendarbeit im universitären Curriculum für künftige Lehrkräfte“ aus der Taufe. „Wir haben damit neue Modelle auf den Weg gebracht, die von staatlicher Seite nicht angeboten oder gefördert wurden“, betont Blerim Jashari. Heute haben eine private und alle staatlichen Universitäten mit Lehramtstudiengang multiethnische Inhalte ins Lehrprogramm aufgenommen. Auch auf die Schulpolitik konnte LOJA Einfluss nehmen: Seit 2014 gibt es das „Programm zur interethnischen Integration im Bildungssektor“ (IIEP). Es ist sicher kein Zufall, dass es häufig junge Lehrerinnen und Lehrer aus den LOJA-Kursen sind, die die Initiative ergreifen.

LOJA – heute und morgen
LOJA ist heute eine der führenden Nichtregierungsorganisationen Mazedoniens für die multiethnische Bildungspolitik, die gleichzeitig immer noch eng mit den Menschen an der Basis verknüpft ist. Die Organisation ist auch international aktiv. Sie spielt eine führende Rolle im Regionalbüro für Jugendkooperationen auf dem westlichen Balkan. Der Zivile Friedensdienst unterstützt LOJA seit 18 Jahren. Auch in Zukunft ist noch viel zu tun. „Ich wünsche mir, dass künftig auch der Staat die Lücken zwischen den verschiedenen Gesellschaftsgruppen in Mazedonien überbrückt“, sagt Blerim Jashari. Und auch Aleksandra Sargjoska sieht noch viel Handlungsbedarf: „Wir bräuchten künftig mehr Lehrkräfte, die für multikulturelle Themen sensibilisiert sind. Ich wünsche mir, dass Bürgerinnen und Bürger in Mazedonien ein gemeinsames Verständnis eines „multikulturellen Staats“ entwickeln und dass Mazedonien ein Multikulturalismus-Konzept kreiert, das in die Verfassung eingeht.“
* In Mazedonien wird eher der Begriff „multikulturell“ verwendet als „multiethnisch“ oder „interethnisch“. Es soll damit ausgedrückt werden, dass es um mehr geht als „nur“ um die Zusammenarbeit über kulturelle Grenzen hinweg. Im Deutschen beschreiben die Begriffe „multiethnisch“ und "interethnisch“ das Gemeinte besser.
Fotos: KURVE Wustrow / LOJA
Mehr über die Arbeit vom Center for Balkan Cooperation LOJA erfahren Sie auf der Facebook-Seite der Organisation.