Julia Oschinski
„Im Nachhinein schien es eigentlich ganz einfach…“
ZFD-Fachkraft Julia Oschinski unterstützt die Organisation LOJA bei der Planung und Durchführung von multikulturellen Trainings und aktuell bei der Organisation einer Studienreise nach Deutschland. Wir haben sie gefragt, warum sie sich für den Frieden in Mazedonien engagiert.
Was motiviert Sie, sich für den Frieden in Mazedonien einzusetzen?
Ich wollte von anderen Kontexten lernen und gleichzeitig im Friedens- und Bildungsbereich arbeiten, in dem ich schon Berufserfahrung in Deutschland gesammelt habe. Das ZFD-Projekt bei LOJA ermöglicht mir genau das. Ich lerne in einem Land, das nach einem gewaltvollen Konflikt verschiedene Ethnien, Religionen und Sprachen vereint. Es ist spannend zu sehen, wie in einem solchen Kontext friedenspädagogisch gearbeitet wird. Gleichzeitig gibt es grundlegende Ansätze, die ich hier einbringen kann.
Was ist die wichtigste Eigenschaft oder Fähigkeit, die Sie bei ihrer täglichen Arbeit brauchen?
Geduld. Gerade in Bildungsprojekten, die auf langfristigen Wandel angelegt sind, sind die Erfolge nicht von heute auf morgen sichtbar.
Was hat die Arbeit bereits bewirkt? Was macht sie so erfolgreich?
Die Zusammenarbeit zwischen LOJA und dem ZFD besteht seit mehr als zehn Jahren. Die Wirkung, die langfristig erzielt werden konnte, ist enorm. Aus kleinen, versprengten Aktivitäten ist ein landesweit anerkanntes Projekt geworden. An ihm beteiligen sich private pädagogische Fakultäten und alle staatlichen Universitäten, die Lehrkräfte ausbilden. Sie alle haben multiethnische Bildung in ihre Curricula aufgenommen. Wir orientieren uns stark an den Bedürfnissen der Partner und arbeiten als Fachkräfte direkt in den Partnerorganisationen. Auch das trägt sicher zu dieser großen Wirkung bei. Dass LOJAs Arbeit so erfolgreich ist, liegt auch daran, dass die multiethnische Kooperation dort authentisch vorgelebt wird. Werte und Praxis stimmen überein. LOJA hat ein ethnisch gemischtes Team und arbeitet grundsätzlich mit gemischten Gruppen. Konsequent werden auch beide lokale Sprachen, Albanisch und Mazedonisch, verwendet.
Was müsste passieren, um den Erfolg Ihrer Arbeit noch zu vergrößern?
Die Angebote LOJAs müssten viel stärker abgesichert und institutionalisiert werden. Ein Personalwechsel durch Wahlen kann beispielsweise negative Konsequenzen für unsere Projektarbeit haben. Nur die politisch unabhängige Institutionalisierung von LOJAs Arbeit im formalen Bildungswesen kann den Erfolg langfristig absichern. Wir bräuchten auch mehr Kapazitäten, um weitere einflussreise Kreise der Gesellschaft zu erreichen wie beispielsweise Journalistinnen, Juristen und Diplomatinnen.
Was sind die größten Schwierigkeiten und wie gehen Sie damit um?
Politische Ereignisse innerhalb Mazedoniens und in der Region entfachen immer wieder Konflikte. Dadurch flammen alte Ängste wieder auf und Teile der Bevölkerung sind verunsichert. Das macht es leichter, sie zu manipulieren und politisch zu instrumentalisieren. Wir arbeiten direkt mit der jungen Generation zusammen. Die Trainings von LOJA zielen darauf ab, kritisches Denken und Handeln einzuüben. Die jungen Menschen lernen, sich eine eigene Meinung zu bilden, sie offen zu äußern, den Ansichten anderer zuzuhören und gewaltfrei zu diskutieren. Das wappnet sie gegen Verunsicherung und Manipulation.

Welche Begebenheit hat Sie besonders berührt?
Bei meinem ersten LOJA-Training waren Studierende aus drei unterschiedlichen Universitäten anwesend. Sie haben sich in der ersten Kaffeepause an zwei Tische gesetzt: an einem die Albanerinnen und Albaner, am anderen die Mazedonierinnen und Mazedonier. Nach fünf Tagen des Kennenlernens durch Trainings, Gruppenarbeit und Diskussionen mischten sich die Studierenden und die vermeintlich „natürliche“ Trennung nach ethnischer Zugehörigkeit war – zumindest in diesem Rahmen – aufgebrochen. Das war interessant zu beobachten. Im Nachhinein schien es eigentlich ganz einfach…
Stellen Sie sich vor, Sie wachen eines Morgens auf und alle Konflikte sind plötzlich beigelegt. Woran würden Sie das als Erstes erkennen? Was genau wäre anders?
Alle Schilder und öffentlichen Bezeichnungen würden mehrsprachig im öffentlichen Raum zu sehen sein. Die Sprachen der Minderheiten würden anerkannt. Es würden nicht nur die Albanerinnen und Albaner Mazedonisch lernen, sondern auch alle Mazedonierinnen und Mazedonier freiwillig Albanisch lernen. Es würde ein einheitliches, gemeinschaftliches Bildungssystem geben, in dem nicht einseitige Narrative gelehrt und gelernt werden, sondern Verständigung und Verständnis, Empathie und kritisches Denken.
Julia Oschinski ist ZFD-Fachkraft bei LOJA in Tetovo. Die gebürtige Karlsruherin unterstützt das lokale ZFD-Team von LOJA bei allen anfallenden Aktivitäten zum Beispiel bei der Planung von Trainings, bei der Kontaktpflege mit Universitäten und Schulen und aktuell bei der Organisation einer einwöchigen Studienreise von mazedonischen Studierenden nach Deutschland.
Fotos: KURVE Wustrow / LOJA