Impuls Israel / Palästinensische Gebiete
„Wir sind der Beweis, dass Frieden möglich ist“
Einst standen sich Uri Ben Assa und Sulaiman Khatib feindlich gegenüber. Heute treten die beiden Direktoren der Combatants for Peace gemeinsam für Frieden ein. Wir sprachen mit ihnen über die Wirkungen, Herausforderungen und Perspektiven ihrer Arbeit.

Uri Ben Assa war früher Soldat in der israelischen Armee, Sulaiman Khatib ist ein ehemaliger palästinensischer Widerstandskämpfer. Beide haben die Waffen niedergelegt, weil sie erkannt haben, dass der Nahost-Konflikt nur gewaltfrei entschärft werden kann. Heute setzen sie sich Seite an Seite für Versöhnung zwischen israelischer und palästinensischer Bevölkerung ein. Uri Ben Assa und Sulaiman Khatib sind Direktoren der ZFD-Partnerorganisation Combatants for Peace. Mehr über die beiden Friedenskämpfer erfahren Sie hier.
Zum letzten Memorial Day kamen rund 8.000 Menschen, um der Opfer des Konflikts auf beiden Seiten zu gedenken. Wie erklären Sie sich diesen großen Zuspruch?
Uri Ben Assa: Jedes Jahr machen wir mehr Schlagzeilen mit diesem Event, so dass immer mehr Menschen davon erfahren. Dieses Jahr lag es wahrscheinlich an unserem Sieg vor dem Obersten Gerichtshof gegen die Entscheidung des Verteidigungsministeriums, den Palästinenserinnen und Palästinensern die Einreise zu verweigern. Die Nachricht, dass eine „kleine“ Bewegung von Aktivisten einen so wichtigen Gerichtsprozess gewinnt, hat sich im ganzen Land herumgesprochen. Viele Menschen waren mit uns der Meinung, dass jeder das Recht hat, auf seine oder ihre Weise zu trauern – und viele nahmen daraufhin an der Zeremonie teil.
Sulaiman Khatib: Für die palästinensische Seite ist der Memorial Day ein schwieriges Konstrukt. Es erscheint vielen, als gedächten sie der israelischen Soldaten, die für den Tod vieler Palästinenser verantwortlich sind. Aber unsere Botschaft erreicht immer mehr Menschen. Es geht nicht um „uns gegen sie“. Es geht darum, Wege zu finden, wie wir in Frieden und Würde gemeinsam leben können und anzuerkennen, dass auf beiden Seiten Menschen sterben. Jeder hat das Recht, den Verlust seiner oder ihrer Lieben zu betrauern. Unser Memorial Day ist einfach ein Aufruf zu mehr Menschlichkeit.
Combatants for Peace ist heute die größte bi-nationale Organisation in Israel und den Palästinensischen Gebieten. Welchen Beitrag leisten Sie zur friedlichen Entwicklung und Gewaltprävention?
Sulaiman Khatib: Wir verändern die Realität vor Ort. Es verschafft uns Respekt, dass wir mit Menschen aller Religionen, Regionen und Kulturen direkt zusammenarbeiten, beispielsweise indem wir Spielplätze in palästinensischen Dörfern wiederaufbauen oder aktiv gegen die Zerstörung von Häusern eintreten. Wir sind der Beweis dafür, dass Frieden möglich ist, weil wir es jeden Tag vorleben – ohne dabei die großen Probleme und Ungerechtigkeiten zu verschweigen, die die palästinensische Bevölkerung unter der Besatzung erlebt.
Uri Ben Assa: Wir sind ein lebendiges Beispiel dafür, wie diese beiden Bevölkerungsgruppen zusammenleben und -arbeiten können. Unsere Bewegung bringt Menschen zusammen und fördert die Beziehungen zueinander. Wir erzählen ihnen unsere Geschichten der Veränderung. Den Kräften, die uns auseinander bringen wollen, setzen wir konkrete gewaltfreie Aktionen entgegen. Zusätzlich bieten wir regelmäßig Workshops in gewaltfreier Kommunikation und gewaltfreiem Widerstand an.
Welche Rolle spielt es, dass Sie früher selbst Teil des gewaltsamen Konflikts waren?
Uri Ben Assa: Das spielt eine sehr große Rolle, denn unsere eigenen Geschichten schaffen den nötigen Respekt und das Vertrauen. Es ist sehr schwer, jemanden zu kritisieren, der viel für sein Land gibt – auf beiden Seiten.
Sulaiman Khatib: Die Tatsache, dass wir alle Teil des bewaffneten Kampfes waren, verleiht uns eine Art „street credibility”. Es ist nichts, auf das ich besonders stolz wäre. Ich würde sogar sagen, dass wir alle erkannt haben, wie viel stärker Gewaltfreiheit ist.
Durch die Arbeit bei den CFP stehen Sie in der Schusslinie beider Seiten – und stoßen auf große Widerstände. Was sind dabei die größten Herausforderungen und wie begegnen Sie diesen?
Sulaiman Khatib: Es gibt auf beiden Seiten Kräfte, die uns auseinander bringen wollen. Schlussendlich hat jeder das Recht, so gegen die Besatzung zu kämpfen, wie er oder sie es für richtig hält. Wir lehnen jede Form von Gewalt ab und treten für gewaltfreien Widerstand ein. Wir respektieren jeden, der diesem Prinzip folgt, auch wenn er oder sie mit unserem Weg nicht einverstanden ist.
Uri Ben Assa: Für mich persönlich ist es nicht leicht, ein „Verräter“ genannt zu werden. Wir folgen unseren tiefsten Werten und geben damit unserer Arbeit einen Sinn. Die größte Herausforderung besteht darin, an der Gewaltfreiheit festzuhalten, egal in welche Situation Du gerätst – und mehr Menschen zu überzeugen, sich uns anzuschließen.
In den rund zwölf Jahren Ihres Bestehens haben die Combatants for Peace hunderte Aktionen durchgeführt. Was könnten Sie mit mehr Mitteln und mehr Unterstützung durch den Zivilen Friedensdienst noch erreichen?
Sulaiman Khatib: Wir haben viele Träume und Pläne. Manchmal fehlen uns schlicht finanzielle Mittel, manchmal hindern uns politische Entwicklungen am Vorankommen. Der Zivile Friedensdienst ist ein verlässlicher Partner und wir freuen uns auf eine noch engere Zusammenarbeit, denn uns verbinden die gleichen Werte.
Uri Ben Assa: Unsere tägliche Herausforderung ist es, immer mehr Menschen zu erreichen. Ich glaube, wenn Millionen auf die Straße gehen, müssen die politisch Verantwortlichen reagieren. Der Zivile Friedensdienst hilft uns, die dafür nötigen Strukturen in unserer Organisation aufzubauen.
Foto: Combatants for Peace