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Westlicher Balkan: Lehren aus einer gewaltvollen Vergangenheit
18.06.2025Der ZFD-Träger Pro Peace hat gemeinsam mit den Partnerorganisationen Post-Conflict Research Center (P-CRC) und Educators' Institute for Human Rights (EIHR) das Handbuch „Holocaust & Peace“ entwickelt. Anhand der Lehren aus dem Holocaust und anderen Menschenrechtsverbrechen können Pädagog*innen mit Hilfe des Handbuchs Unterrichtseinheiten gestalten, um Schüler*innen der Sekundarstufe zu vermitteln, wie solche Verbrechen und Konflikte entstehen und was man tun kann, um sie zu verhindern.
Die erste Auflage des Handbuchs „Holocaust & Peace“ erschien im Jahr 2022, Anfang 2025 wurde nun eine überarbeitete und ergänzte Auflage veröffentlicht. Anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages am 27. Januar veranstalteten die drei Projektpartner Mitte Februar 2025 die Konferenz „Lehren aus der Vergangenheit für die Zukunft“ in Sarajevo.
Wie sich fatale Fehler wiederholen
Die Kriege der 1990er Jahre stecken in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien noch immer tief in den Köpfen der Menschen. Feindbilder werden aufrechterhalten, Abgrenzung und Ablehnung zwischen den Ethnien auch von Regierungsseite wieder zunehmend geschürt. Nationalismus, Rechtsextremismus und die Verehrung vermeintlicher Kriegshelden greifen um sich, vor allem unter jungen Menschen, die die Kriege nicht erlebt haben und mit nicht hinterfragten Ressentiments aufgewachsen sind. Viele Konflikte bergen weiterhin ein enormes Gewaltpotenzial. Die Arbeit des ZFD und seiner Partner*innen in der Region konzentriert sich auf Vergangenheitsbewältigung und Friedenserziehung. Damit wirken sie militanten Diskursen entgegen, überwinden Stereotype und fördern eine Kultur der Gewaltfreiheit.
„Holocaust & Peace“ stellt die Friedenserziehung in den aktuellen gesellschaftspolitischen Kontext von Bosnien und Herzegowina und sorgt dadurch für ein besseres Verständnis der Ursachen und Nachwirkungen der Balkankriege der 90er Jahre. Es betont Friedenserziehung als wichtiges Instrument für konstruktive Prozesse der Vergangenheitsbewältigung und des Gedenkens. In einem Land, wo bis heute verschiedene Ethnien zwar im gleichen Schulgebäude, aber dennoch strikt getrennt in separaten Klassen unterrichtet werden („Zwei Schulen unter einem Dach“), scheint dieser Ansatz mehr als nötig, um vor allem die junge Generation wieder in den Dialog zu bringen und unhinterfragte Feindschaften durch Offenheit und Toleranz zu ersetzen.

Wie es zu dem Handbuch kam
Im Sommer 2015 initiierte das EIHR einen Holocaust-Bildungsgipfel in Bosnien und Herzegowina. Das Team war überzeugt, dass die Zusammenarbeit zwischen Schlüsselpersonen aus Basis, Lehre, Forschung, Politik und Bildung das Potenzial hat, eine Dynamik für den Wiederaufbau der Gemeinschaft zu erzeugen. Umfangreiche Recherchen zur Geschichte des Holocaust und international anerkannten Mustern von Gräueltaten schlossen sich an. Die Partnerorganisationen sowie Bildungsverantwortliche aus allen Teilen der bosnischen Gesellschaft formten ein Bildungs-Team und luden Interessenvertreter*innen aus dem Bildungsbereich zu regelmäßigen Treffen und Workshops ein. Auch die jüdische Gemeinde in Bosnien und Herzegowina unterstützte das Projekt und ermutigte die Aktiven, diese historische Arbeit gemeinsam zu leisten. Aus der kontinuierlichen Zusammenarbeit entstanden das Unterrichtshandbuch und die dazugehörigen Workshops für Lehrer*innen.
„Holocaust & Peace“ umfasst vier Module mit den Titeln „Geschichte“, „Menschenrechte“, „Konstruktive Erinnerungskultur“ und „Sprache, Literatur und Kunst“. Die Unterrichtseinheiten werden in erster Linie in den Fächern Soziologie, Politik, Geschichte, Literatur und Sprachen unterrichtet, aber es steht den Lehrenden frei, sie auch in anderen Fächern einzusetzen.
Der weite Weg aus der Vergangenheit in die Zukunft
Das Handbuch „Holocaust & Frieden - Lehren aus der Vergangenheit für die Zukunft“ wurde im Januar 2022 offiziell vorgestellt und seitdem in Klassenzimmern in ganz Bosnien und Herzegowina erprobt. Im Januar 2023 trafen sich über 80 Lehrkräfte aus dem Kanton Sarajevo zum ersten intensiven Workshop über Holocaust-Erziehung und friedensfördernde Pädagogik. Im Herbst 2023 wurde das Handbuch offiziell in den Lehrplan des Kantons Sarajevo aufgenommen. Seitdem arbeitet das Projekt daran, es landesweit in den offiziellen Lehrplänen zu verankern.
„Wir stellen positive Geschichten über Zivilcourage und aufopferungsvolles Verhalten während des Krieges vor, in denen verschiedene ethnische Gruppen und Minderheiten einander helfen und dabei ihr eigenes Leben für Nachbar*innen, Freund*innen oder manchmal auch für Menschen riskieren, die sie nicht kennen“, erzählt Velma Šarić, Gründerin und Präsidentin des Post-Conflict Research Center (PCRC). „Es geht aber nicht nur um Bosnien. Wir bringen Beispiele für moralische Erfahrungen aus dem Holocaust, aber auch aus Ruanda oder Kambodscha“, erklärt sie. Behandelt werden Themen wie die Bekämpfung von Propaganda, Hassrede und Diskriminierung, die auch in der bosnischen Gesellschaft hochaktuell sind.
Text: Lea Heuser, Fotos: Pro Peace
Diesen Text haben wir gekürzt und leicht angepasst von der Seite von Pro Peace übernommen.
Nähere Angaben zur Publikation finden Sie auf unserer Webseite.