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Westbalkan: Veteranen für den Frieden

Die Kriege der 1990er Jahre und ihre Folgen sind in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens weiterhin präsent. Kriegsverbrechen, Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen haben die gesellschaftlichen Beziehungen nachhaltig beschädigt. Annäherung und Vertrauensbildung innerhalb und zwischen den Gesellschaften gestalten sich schwierig. Besonders problematisch ist die oft einseitige Interpretation der Geschichte.

Damit sich die blutige Vergangenheit nicht wiederholt, müssen die Gesellschaften des westlichen Balkans gegenseitig Barrieren abbauen. Dafür setzen sich unter anderem Veteranen ein, die sich mit Unterstützung des Centre for Nonviolent Action (CNA) und des ZFD-Trägers KURVE Wustrow schon seit vielen Jahren für gemeinsame Vergangenheitsarbeit engagieren. Sie besuchen Gedenkveranstaltungen, organisieren Begegnungen zwischen ehemaligen Feinden und Kriegsopfern und machen Aufklärungs- und Bildungsarbeit. Die Erfahrung der Teilnehmenden zeigt, dass aus Wut, Hass und Angst irgendwann Dialog und Frieden werden können.

Das jüngste Treffen fand vom 6. bis 10. Juni 2022 in Blagaj bei Mostar statt. An dem mehrtägigen Workshop nahmen 19 Personen aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Serbien, drei Mitarbeitende der ZFD-Partnerorganisation CNA sowie ein Mitarbeiter des Zentrums für Menschenrechte und Konfliktlösung in Skopje, Nordmazedonien, teil. In Workshops an den Vormittagen blickten die Teilnehmenden unter anderem auf die gemeinsamen Besuche von Gedenkstätten in den vergangenen Jahren zurück und schmiedeten Pläne für zukünftige Aktivitäten. Die Nachmittage waren für Exkursionen reserviert.

Gedenkfeier für getötete Kinder

So besuchte die Gruppe unter anderem die Gemeinde Vitez in Zentralbosnien. Hier war es während des Bosnienkriegs zu heftigen Kämpfen zwischen muslimischen und kroatischen Bevölkerungsgruppen gekommen. Trauriger Höhepunkt war das Massaker in Ahmići, einem Dorf in der Gemeinde Vitez, durch die bosnisch-kroatische Armee. Am 16. April 1993 tötete sie mehr als 100 bosnische Musliminnen und Muslime. An Gedenkfeiern hierfür hatten die Kriegsveteranen bereits 2019 gemeinsamen teilgenommen (hier ein Bericht des Deutschlandfunks dazu). In diesem Jahr stand in Vitez das Gedenken an ein anderes schreckliches Ereignis im Zentrum: Am 10. Juni 1993 wurden acht Kinder während des Kriegs durch eine von einer Stellung der Armee der Republik Bosnien und Herzegowina abgefeuerte Granate getötet. Die Verantwortlichen sind bis heute unbekannt. Die Familien der Kinder hatten anlässlich des Jahrestags zum wiederholten Mal auf dem Spielplatz, auf dem die Jungen und Mädchen getötet worden waren, eine Gedenkfeier organisiert. Sie hatten dazu auch die Kriegsveteranen und Friedensaktivisten eingeladen. Die Gruppe legte einen Kranz zu Ehren der Getöteten nieder. Davorka Turk (CNA) sagte: „Wir möchten den Familien unser Beileid auszusprechen, sie an diesem traurigen Tag unterstützen und die Botschaft aussenden, dass wir gemeinsam aller Opfer gedenken können, dass wir aus der schmerzlichen Vergangenheit lernen und gemeinsam eine bessere Zukunft für uns und die kommenden Generationen aufbauen können.“

Weiter vor Ort präsent sein

Am Ende des mehrtägigen Treffens waren sich die Teilnehmenden einig: Die bisher gesammelten Erfahrungen während des persönlichen Austauschs und die Teilnahme an Gedenkveranstaltungen haben die Gruppe gestärkt. Die Mitglieder wollen auch weiter mit Unterstützung von CNA gemeinsam an verschiedenen Orten bei Veranstaltungen präsent sein und sich für Frieden und Versöhnung einsetzen. In einem Bericht über das Treffen schrieben sie: „Wir haben uns verpflichtet, unsere Zusammenarbeit fortzusetzen und sind angesichts der schlechten politischen Lage in der Region sowie in Europa und der Welt besonders motiviert, unser Engagement weiter zu verstärken.“


Der Text basiert auf einem Bericht von Amer Delić vom Centre for Nonviolent Action (CNA). Einen Bericht über die Gedenkfeier für die getöteten Kinder von Vitez finden Sie ebenfalls auf den Seiten von CNA.

Foto: CNA

Mehr zum Engagement des ZFD erfahren Sie auch in unserem Beitrag Westlicher Balkan: Anleitung zum Brückenbau und in unserer Projektdatenbank.