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Sudan: Vergessene Stimmen
28.11.2024Der Dokumentarfilm „Forgotten Voices“ der feministisch ausgerichteten Bana Group for Peace and Development macht auf die verzweifelte Lage der Zivilbevölkerung im Sudan aufmerksam. Die ZFD-Partnerorganisation setzt sich unter schwierigsten Bedingungen weiter für die Menschen vor Ort ein.
Eine friedliche Alltagsszene in einer sudanesischen Stadt: Menschen treffen fröhlich aufeinander, Jugendliche spielen Fußball, alle wirken ganz unbeschwert. Doch in der nächsten Szene wendet sich das Blatt: Krachende Geschosse zerstören Häuser und töten oder verletzen Menschen, die schreiend um ihr Leben rennen, überall herrschen Angst und Verzweiflung. So beginnt der Film „Forgotten Voices“ („Vergessene Stimmen“) zur aktuellen Lage im Sudan, produziert von der sudanesischen ZFD-Partnerorganisation Bana Group for Peace and Development in Kooperation mit dem ZFD-Träger KURVE Wustrow.
„Wir wollen der Welt wenigstens einen kleinen Eindruck davon vermitteln, wie es in unserem Land zurzeit aussieht und wie unermesslich die Menschen leiden“, sagte Bana-Geschäftsführerin Saida Mohamed Hussein Ibrahim bei der Premiere des Films Mitte November 2024 in Berlin. „Und wir hoffen, dass dieser vergessene Konflikt endlich die öffentliche Aufmerksamkeit erreicht, die angesichts einer Katastrophe mit tausenden Toten und Millionen Flüchtlingen angemessen wäre.“
Verzweifelte Lage seit Ausbruch des Krieges
In dem Dokumentarfilm kommen rund 20 Sudanes*innen zu Wort, die in kurzen Interviews ihre verzweifelte Lage seit Ausbruch des Krieges am 15. April 2023 schildern. Die meisten befinden sich auf der Flucht – sowohl im Sudan selbst als auch in umliegenden Ländern wie Ägypten, Äthiopien, Tschad, Südsudan und Uganda sowie in Europa. Sie alle wollen nicht zerrieben werden zwischen den Fronten der Sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter General Burhan und der Rapid Support Forces (RSF) von General Daglo, genannt Hemedti. Nach offiziellen Angaben sind bei blutigen Kämpfen schon mehr als 15.000 Zivilpersonen ums Leben gekommen, vermutlich liegt die Zahl aber wesentlich höher. Fast drei Millionen Menschen haben den Sudan verlassen, rund acht Millionen sind zu Binnengeflüchteten geworden.
Hoffnungen der friedlichen Revolution zunichte gemacht
Mit der Machtübernahme des Militärs im Oktober 2021 wurden die großen Hoffnungen auf eine zivile Demokratie zunichte gemacht, die nach der friedlichen Revolution Ende 2018 und dem Sturz des langjährigen Diktators Omar Al-Bashir im April 2019 aufgekeimt waren. Zumindest aber herrschte nach dem Putsch noch ein oberflächlicher Friede. Doch seit Kriegsbeginn ist die Situation für die Zivilbevölkerung unerträglich. Mehr als 25 Millionen Menschen im Sudan leiden unter Hunger und mangelnder medizinischer Versorgung.
Die feministisch ausgerichtete Bana Group war an der Dezemberrevolution von 2018/2019, die einen Übergang in eine demokratische Zukunft des Landes ermöglichen sollte, aktiv beteiligt. Die Organisation brachte sich auch in den anschließenden Übergangsprozess ein, um den Rechten von Frauen in einer neuen Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen. „Frauen und ihre Kinder sind von Krieg und Gewalt jetzt am schwersten betroffen“, erklärt Geschäftsführerin Saida Mohamed Hussein Ibrahim. „Viele Männer wurden getötet oder leben in der Diaspora. Die Frauen müssen also zumeist allein für ihre Familien sorgen, was unter Kriegsbedingungen besonders schweren Stress verursacht. Und nur allzu oft sind sie sexualisierter Gewalt ausgesetzt, die gezielt als Kriegswaffe eingesetzt wird.“
Humanitäre Unterstützung und psychosoziale Betreuung
Die Bana Group bietet diesen Frauen humanitäre Unterstützung und psychosoziale Betreuung an – in der gegenwärtigen Situation eine äußerst schwierige Aufgabe. Die Arbeit in der Hauptstadt Khartoum war schon bald nach Kriegsausbruch nicht mehr möglich, so dass das Bana-Büro in den südöstlichen Bundesstaat Al Dschasira verlegt werden musste. Doch auch hier ist keine anhaltende Sicherheit gewährleistet. Im humanitären Bereich arbeitet die Bana Group mit den wenigen im Sudan verbliebenen internationalen Hilfsorganisationen zusammen, vor allem mit dem Roten Kreuz. Unter anderem wird versucht, in den Geflüchtetenlagern Ansätze eines „normalen“ Lebens zu ermöglichen, etwa Schulunterricht für die Kinder und Freizeitaktivitäten wie Sport und Theater – wobei das Theater auch zur Traumabewältigung eingesetzt wird.
Die Forderungen der „vergessenen Stimmen“ ebenso wie von der Bana Group an die Weltgemeinschaft sind eindeutig: Der Krieg muss enden, es muss einen sofortigen Waffenstillstand geben, alle Waffenlieferungen an die Kriegsparteien sind zu unterbinden. Gleichermaßen gilt es, Druck auf die Kämpfenden auszuüben, damit humanitäre Korridore und entmilitarisierte Zonen zur Versorgung der hungernden Zivilbevölkerung errichtet werden können. Letztlich muss ein gerechter Friede auf der Grundlage einer Basisdemokratie geschaffen werden, in der die Zivilgesellschaft bei allen angestrebten Lösungen die wichtigste Rolle spielt.
Weitere Informationen zur Dokumentation „Forgotten Voices“ finden Sie auf der Webseite zum Film. Einen Trailer können Sie sich bei Vimeo ansehen. Mehr zur Partnerorganisation Bana Group erfahren Sie auf der Seite von KURVE Wustrow.
Die Fotos oben und in der Textmitte stammt aus dem Trailer zum Film.