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Sudan: Dialog im Zeichen des Klimawandels

„Die Menschen in der Region wollen Frieden. Sie haben erkannt, dass beide Seiten in einem gewaltsamen Konflikt zerrieben würden. Deshalb haben sie ihr Schicksal jetzt selbst in die Hand genommen.“ Saida Mohamed Hussien sieht nur eine Lösung für die von Klimakrisen gezeichnete Provinz West Kurdufan im südlichen Sudan: „Wir müssen eine friedliche Koexistenz zwischen Nubierinnen und Nubiern und Araberinnen und Arabern fördern, wenn wir hier überleben wollen“, betont die Aktivistin der „Bana Group for Peace and Development“, einer Partnerorganisation des Zivilen Friedensdienstes.

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Folgen des Klimawandels verschärfen Konflikte

Die zunehmende Verknappung von Acker- und Weideland infolge des Klimawandels schafft im Sudan immer wieder Konflikte zwischen der sesshaften Landbevölkerung und den so genannten Pastoralistinnen und Pastoralisten – den Wanderhirten, die stets auf der Suche nach guten Viehweiden mit ihren Herden umherziehen. In der Region Alsunut in West Kurdufan wollen die Bewohnerinnen und Bewohner den daraus resultierenden Teufelskreis der Gewalt jetzt durchbrechen. In gemeinsamen Gesprächen sollen die Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben geschaffen werden, und zwar mit einem Abkommen, das den Bedürfnissen aller Beteiligten gleichermaßen Rechnung trägt. 

Die Sesshaften in der Region sind sowohl afrikanisch-stämmige Nubierinnen und Nubier, als auch arabisch-stämmige Anwohnerinnen und Anwohner, wobei letztere auch häufig ein Nomadenleben führen. Lange Zeit kamen beide Gruppen recht gut miteinander aus. Denn die Pastoralistinnen und Pastoralisten waren mit ihren Schafen, Ziegen, Rindern oder Kamelen gewöhnlich weiter südlich unterwegs, wenn die Bäuerinnen und Bauern  ihre Saat pflanzten und die Ernte einbrachten. Infolge des Klimawandels sind die südlichen Weidegründe jetzt aber weniger ertragreich, so dass die Nomadinnen und Nomanden noch vor der Erntezeit in den Norden zurückkehren – umso mehr wenn ihre Herden von Insektenplagen betroffen sind. Wenn die Tiere dann das Anbauland für Gemüse, Mais, Hirse oder Erdnüsse kahl fressen, sind Konflikte programmiert. Hinzu kommt noch, dass viel Acker- und Weideland in der Region vom Bergbau zerstört wurde – sei es wegen der Ölförderung, bei der Umweltaspekte zumeist ignoriert werden, oder wegen der völlig unkontrollierten Goldsuche.

In vielen Teilen des Sudans gilt die arabisch-stämmige Bevölkerung als die privilegiertere, und unter der Regierung des im April 2019 gestürzten Diktators Omar al-Bashir traf dies auch weitgehend zu. In der Region Alsunut dominieren indes eher Nubierinnen und Nubier. Spannungen zwischen nubischer und arabisch-stämmiger Bevölkerung kommen somit nicht von ungefähr. Durch die Auswirkungen des Klimawandels nimmt das Konfliktpotenzial weiter zu. Immer häufiger werden Konflikte auch gewaltsam ausgetragen. Die nubische Seite wurde  im Konfliktfall häufig von Milizen aus dem benachbarten Südsudan unterstützt. Teile der arabisch-stämmigen Pastoralistinnen und Pastoralisten haben sich ihrerseits mit Waffen für den Kampf gegen nubische Bäuerinnen und Bauern eingedeckt. Unter den gewaltsamen Auseinandersetzungen haben vor allem die Frauen zu leiden, wie die Aktivistin Saida erläutert: „Wenn die Männer bei diesen sinnlosen Kämpfen ums Leben kommen, bleiben die Frauen als Alleinernährerinnen ihrer Familien zurück, was sie hohen Belastungen aussetzt. Häufig werden sie auch von der gegnerischen Seite sexuell misshandelt oder versklavt.“

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ZFD-Partner Bana begleitet Bevölkerung auf ihrem Weg zum Frieden

Die „Bana Group for Peace and Development“ arbeitet schwerpunktmäßig mit benachteiligten Frauen im Sudan, um deren Rechte zu stärken. Dafür wird sie im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes von der KURVE Wustrow unterstützt. Sie hat ein Netzwerk von Kontakten im ganzen Land aufgebaut und wiederholt Workshops für ein friedliches Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen durchgeführt. Diese Kontakte kommen der Organisation jetzt auch bei der Vermittlung im sich verschärfenden Klimakonflikt zugute. „Wir können die Menschen für das Problem sensibilisieren und insbesondere die Konsequenzen für das Leben der Frauen deutlich machen“, erklärt die Bana-Koordinatorin und Geschäftsführerin Samia Ali. „Bewusstseinsbildung ist eine wichtige Voraussetzung für einen gewaltfreien Umgang mit Konflikten.“

Saida lobt die neue Zusammenarbeit in den Dörfern Abu Gunug (überwiegend von Nubierinnen und Nubiern bewohnt) und Alhanbol (mit einer überwiegend arabischen Bevölkerung). In der Gegend wohnen zudem viele Binnengeflüchtete, die Konflikten in anderen Landesteilen entkommen wollten. „Die Menschen wollen wirklich Frieden, aber keiner unterstützt sie dabei“, erklärt Saida. „Die Regierung ebenso wie die lokale Verwaltung hat diese Region seit Jahren beharrlich ignoriert. Doch haben die Bewohnerinnen und Bewohner erkannt, dass sie selbst handeln müssen, wenn sie Veränderungen wollen. Denn letztlich leiden sie alle gleichermaßen unter den Auswirkungen des Klimawandels und den damit verbundenen Konflikten.“

Die Bereitschaft für Verhandlungen wuchs unter anderem deshalb, weil keine Lehrerinnen und Lehrer mehr in die Krisenregion Alsunut kommen wollten, so dass die Bildung der Kinder schweren Schaden nahm. Inzwischen werden die Kämpfer auf beiden Seiten geächtet, während die Friedensstifterinnen und -stifter hohes Ansehen genießen. Die Bana Group wurde gezielt um Vermittlung gebeten, obwohl ihre klassische Basis kaum in die laufenden Verhandlungen involviert ist. Zweifellos aber dürften gerade benachteiligte Frauen die Nutznießerinnen einer Friedenslösung sein, weil sie sich nur unter friedlichen Bedingungen frei entfalten können, wie Bana-Geschäftsführerin Samia betont.

Die Bana Group arbeitet nun an einem umfassenden Konzept für die Unterstützung der vom Klimawandel betroffenen Bevölkerung. Vor allem will die Organisation ihre Kontakte für eine Vernetzung von Aktivistinnen und Aktivisten diverser Friedensgruppen nutzen sowie ihre Expertise in der Prävention und der gewaltfreien Bearbeitung von Konflikten zur Verfügung stellen. Dafür sollen verschiedene Workshops angeboten werden, insbesondere für Frauen.

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Projekt hat Modellcharakter für ganz Sudan

Sowohl Samia als auch Saida sehen in den Friedensgesprächen der Region Alsunut einen Wendepunkt, der positive Auswirkungen auf den gesamten Sudan haben könnte. „Wenn Nubierinnen und Nubier und Araberinnen und Araber in Eigeninitiative ein Abkommen schließen, das ihnen nicht von außen übergestülpt wurde, dann könnte das zum Modell für die Beilegung von weiteren Konflikten in unserem Land werden“, sind sich die beiden Bana-Aktivistinnen einig. Ekram Hamza, die sich für Bana in West Darfur um ähnliche Friedensgespräche bemüht, stimmt zu: „Ein Abkommen für West Kurdufan wird Signalcharakter haben, umso mehr, wenn es dann auch erfolgreich umgesetzt wird.“ 

Die Bana-Frauen betonen, dass eine weitergehende Unterstützung für diese Bemühungen willkommen wäre. Wichtig wären etwa Maßnahmen für eine verbesserte Kommunikation unter den Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort, um im Dialog die Rahmenbedingungen für erfolgreiche Friedensverhandlungen zu schaffen. Und dazu gehöre letztlich auch eine finanzielle Förderung der lokalen Friedensinitiativen.


Text: Annedore Smith / KURVE Wustrow
Foto: Bana Group for Peace and Development

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Dieser Beitrag ist im Hub Frieden verbessert das Klima des Zivilen Friedensdienstes erschienen. Dort zeigen Projektbeispiele und Fachbeiträge, welche Rolle Ziviler Konfliktbearbeitung bei der Bewältigung des Klimawandels und seiner Folgen zukommt.