Aktuelles

Philippinen: Mit Transitional Justice zum Frieden

Wie kann in der Region Bangsamoro ein gerechter und nachhaltiger Frieden gelingen? Darum ging es bei einer Konferenz im südphilippinischen Davao. Dabei stand das Thema Transitional Justice im Zentrum: Friedensarbeit, die historische Konfliktursachen angeht, damit sich Vergangenes nicht wiederholt.

Unter dem Titel „Transitional Justice in der Bangsamoro: Wie geht es weiter?“ hatten die ZFD-Träger forumZFD und GIZ im Februar 2023 zu einer dreitägigen Konferenz in die südphilippinische Metropole Davao eingeladen. Rund 200 Vertreterinnen und Vertreter lokaler und internationaler Organisationen sowie von Regierungsbehörden und aus der Zivilgesellschaft nahmen daran teil. Gemeinsam gingen sie der Frage nach, wie in der Autonomen Region Bangsamoro ein gerechter und nachhaltiger Frieden gelingen kann.

Der Bangsamoro-Konflikt

Die muslimisch geprägte Region Bangsamoro im Süden der Philippinen hat sich jahrhundertelang der Kolonialisierung widersetzt und um Selbstbestimmung und Autonomie gekämpft. Nachdem die Philippinen im Jahr 1946 unabhängig wurden, richtete sich der Widerstand muslimischer Gruppen gegen die Zentralregierung. Seit 1969 hat der Bangsamoro-Konflikt Schätzungen zufolge über 120.000 Menschen das Leben gekostet, Millionen Zivilistinnen und Zivilisten wurden vertrieben. 2014 schließlich unterzeichneten die philippinische Regierung und die Moro Islamic Liberation Front (MILF) den lang ersehnten Friedensvertrag. Das sogenannte Rahmenabkommen für die Bangsamoro legte auch die Grundlage für die Gründung der „Autonomen Region Bangsamoro im muslimischen Mindanao“, kurz BARMM – ein entscheidender Schritt im Friedensprozess.

Transitional Justice

Um jedoch die Grundlage für einen nachhaltigen und dauerhaften Frieden zu schaffen, braucht es Transitional Justice: Dieser Fachbegriff beschreibt einen Ansatz aus der Friedensarbeit, der darauf abzielt, die historisch bedingten Ursachen eines Konflikts anzugehen. Transitional Justice fragt nach den tieferliegenden Gründen für Gewalt und zielt darauf ab, die Rahmenbedingungen langfristig so zu verändern, dass sich Vergangenes nicht wiederholt.

Rufa Cagoco-Guiam, Trainerin für Transitional Justice, erklärte zu Beginn in ihrer Rede, welche vier Handlungsfelder das Thema umfasst: das Recht auf Aufklärung, das Recht auf Gerechtigkeit, das Recht auf Entschädigung und der Schutz vor Wiederholung. In diesen Handlungsfeldern gibt es bewährte Mechanismen, wie zum Beispiel Wahrheitsfindungskommissionen, Erinnerungskultur, finanzielle Entschädigungen für Opfer oder institutionelle Reformen. Solche Mechanismen sind dazu da, vergangene Gewalt und die entstandenen gesellschaftlichen Brüche aufzuarbeiten und dadurch zur Heilung und Versöhnung beizutragen.

Kommission legte 90 Empfehlungen vor

Mit dem Friedensvertrag von 2014 wurde auch die „Kommission für Transitional Justice und Versöhnung“ gegründet. Nach Anhörungen von Expertinnen und Experten und Gesprächen mit Menschen aus den betroffenen Communities veröffentlichte die Kommission 2016 einen Bericht mit über 90 Empfehlungen zur Aufarbeitung des geschehenen Unrechts und zur Förderung von Versöhnung in der Region Bangsamoro.

Aktuell beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Zentralregierung und der MILF damit. Gemeinsam haben sie einen Fahrplan zur Umsetzung der Empfehlungen entwickelt.

Und dennoch: Eine umfassende Umsetzung der Empfehlungen sowie Mechanismen für Transitional Justice auf nationaler Ebene lassen weiter auf sich warten. „Sieben Jahre nach der Veröffentlichung des Berichts der Kommission und trotz der Gründung der Autonomen Region Bangsamoro im Jahr 2019 gibt es immer noch keine breite öffentliche Diskussion über das Thema Transitional Justice und darüber, ob die Empfehlungen umgesetzt wurden, die damals sowohl der philippinischen Regierung als auch den Friedenskomitees der MILF übermittelt wurden“, bemängelt Guiamel Alim. Er vertritt eine der führenden zivilgesellschaftlichen Organisationen in der Bangsamoro und hat 2015 die Gespräche mit Betroffenen aus den Gemeinden koordiniert.

Eine Chance, die Kräfte zu bündeln

Die Konferenz bot einen Raum, um über die Empfehlungen der Kommission und über den Stand der Umsetzung zu diskutieren – und darüber, wie es nun mit Transitional Justice in der Region Bangsamoro weitergeht. Neben Workshops, Podiumsdiskussionen und anderen Austauschformaten war die Konferenz vor allem eins: Eine Chance für die Menschen, die sich für Transitional Justice einsetzen, zusammenzukommen und ihre Kräfte zu bündeln.

Als erste große öffentliche Veranstaltung zum Thema seit Veröffentlichung des Kommissionsberichts brachte die Konferenz verschiedene Akteurinnen und Akteure zusammen. Sie gab vor allem denjenigen eine Stimme, die in der öffentlichen Debatte kaum Gehör finden. Dies sind zum einen indigene Gruppen, die sich nicht als Teil der muslimischen Moro identifizieren und daher in der autonomen Region zur Minderheit gehören. Zum anderen sind es Menschen aus abgelegenen und ländlichen Gebieten, die direkt von vergangenen und gegenwärtigen Konflikten in der Region betroffen sind, aber wenig Zugang zu den Entscheidungsprozessen in den zentralen Städten haben.

Marginalisierte Gruppen einbeziehen

Die vielen Diskussionen auf der Konferenz machten deutlich, wie wichtig das Thema für die Region ist und was die zentralen Baustellen sind: Es braucht gesetzliche Regelungen und Mechanismen für Transitional Justice auf nationaler Ebene, ebenso wie ein intensives Engagement aller Beteiligten bei der Umsetzung der Kommissions-Empfehlungen. Und ganz wichtig: marginalisierte Gruppen wie Indigene, Frauen, junge Menschen und Opferverbände müssen an allen Schritten der Umsetzung beteiligt werden.

Der ZFD wird diesen Prozess weiter unterstützen und sichere Räume für Austausch, Diskussionen und gemeinsames Lernen bereitstellen. Gemeinsam mit seinen Partnern arbeitet er darauf hin, dass es einen umfassenden und inklusiven Prozess der Transitional Justice in der Region Bangsamoro gibt.


Auf dem Foto sind Teilnehmende der Konferenz in Davao zu sehen (Bild: forumZFD).

Dieser Text ist zuerst auf den Seiten des forumZFD erschienen. Für unsere Webseite wurde er leicht überarbeitet und gekürzt. Das forumZFD hat auch ein Video zur Konferenz veröffentlicht.

Mehr über die Arbeit des ZFD in der Region Bangsamoro finden Sie auch in unserer Projektdatenbank: Positiven Frieden gestalten – durch Dialog, Lehrpläne und Medien und Gegen Gewalt und Vertreibung: Teilhabe am Friedensprozess fördern.