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Österreich: Wann kommt der ZFD?

Im Regierungsprogramm hat Österreichs türkis-grüne Regierung vereinbart, die Einrichtung eines Zivilen Friedensdienstes zu prüfen. Seitdem sind neun Monate vergangen. Wie ist der Stand der Entwicklungen, und wann ist es endlich so weit? Das fragen wir heute einen der eifrigsten Verfechter für einen ZFD Österreich, den Friedensforscher Thomas Roithner.

Anfang des Jahres verkündeten wir voller Freude: „Österreichs neue Regierung will einen Zivilen Friedensdienst auf den Weg bringen“ (Beitrag vom 23.1.20). Die Zeichen dafür standen günstig. Dank intensiver Lobbyarbeit hatten die österreichischen Grünen das Konzept des Zivilen Friedensdienstes in die Koalitionsverhandlungen mit der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) eingebracht. Und tatsächlich fand der ZFD seinen Weg ins gemeinsame Regierungsprogramm, das Anfang Januar 2020 vorgestellt wurde.

Als ein Schwerpunkt österreichischer Außenpolitik wurde die „Prüfung der Etablierung einer Mediationsfazilität im BMEIA [Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres] und der Einrichtung eines österreichischen zivilen Friedensdienstes” vereinbart. Dieses Vorhaben passte insofern ins Bild, da sich Österreichs türkis-grüne Regierung für die laufende Legislaturperiode 2020 bis 2024 vorgenommen hat, sich als „internationaler Vorreiter beim Menschenrechtsschutz und in der Friedenspolitik“ zu profilieren.

Inzwischen ist die sogenannte „Bundesregierung Kurz II“ seit einem Dreivierteljahr im Amt. Genügend Zeit für eine abschließende Prüfung? Fragen wir nach: Wie ist es um den ZFD in Österreich bestellt? Rede und Antwort steht uns der Friedensforscher Dr. Thomas Roithner, der am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien habilitiert ist. Er setzt sich vehement für einen österreichischen ZFD ein und beobachtet die Entwicklungen sehr genau.

Thomas Roithner ist neben Pete Hämmerle vom Internationalen Versöhnungsbund in Österreich Mit-Initiator der Kampagne „Entwicklung und Durchführung eines Zivilen Friedensdienstes in Österreich”. Die Kampagne hatte die Debatte um einen österreichischen ZFD vor der Nationalratswahl im letzten Jahr in Schwung gebracht. Unter dem Motto „Ich bin Friedensdiener*in” bekundeten zahlreiche prominente Personen aus Politik und Gesellschaft ihre Unterstützung für einen österreichischen ZFD.
 

Herr Roithner, wie ist der Stand bei der Einrichtung eines Zivilen Friedensdienstes in Österreich?

Thomas Roithner: In der ersten Jahreshälfte 2020 konnten zahlreiche positive Zwischenschritte zur Einführung des Zivilen Friedensdienstes in Österreich realisiert werden. Um den Prozess zu beschleunigen brachten die Abgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) und Reinhold Lopatka (ÖVP) am 27. Mai 2020 einen Entschließungsantrag ein. Darin wurden die Bundesregierung und der Außenminister aufgefordert, „ehestmöglich mit der Planung der Einrichtung eines österreichischen Zivilen Friedensdienstes unter umfassender Einbindung der Zivilgesellschaft zu beginnen“. Bei der Abstimmung im außenpolitischen Ausschuss wurde der Antrag mit Stimmenmehrheit angenommen. Ein überaus positives Signal für uns.

Auch im Bereich der zivilgesellschaftlichen Vernetzung sind wir ganz wichtige Schritte vorangekommen. Rund vierzig Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft und von Think-Tanks nahmen am 6. Juli 2020 auf Einladung des Grünen Klubs im Parlament in der Wiener Hofburg an einem Vernetzungs- und Austauschtreffen teil. Zwei Tage später wurde über den Zivilen Friedensdienst im Parlament mit sehr positivem Tenor debattiert.
 

Woran liegt die Verzögerung Ihrer Einschätzung nach und was sind die nächsten Schritte?

Thomas Roithner: Es stimmt, dass das Außenministerium die Prüfung des Zivilen Friedensdienstes in Österreich – wie es im Regierungsprogramm steht – noch nicht abgeschlossen hat. Corona hat dabei sicher einen Anteil. Über die zivilgesellschaftlichen Vorstellungen zur Konzeption und die bisherige internationale Arbeit der Organisationen, die an einer Zusammenarbeit hochinteressiert sind, kann sich Außenminister Schallenberg ein sehr gutes Bild machen. Und es ist ein stimmiges Bild. Es trifft genau den Farbton von vielen Zielsetzungen aus dem Regierungsprogramm, wie Menschenrechtsschutz oder Österreich als Ort des Dialogs.

Wir arbeiten derzeit weiter an operativ arbeitsfähigen zivilgesellschaftlichen Strukturen, damit wir nach dem Startsignal auch rasch gemeinsam loslegen können. Gleichzeitig werben wir in der Öffentlichkeit für dieses eigenständige Instrument zur zivilen Gewaltprävention und Friedensförderung. Die Rückmeldungen sind unglaublich ermutigend!
 

Was braucht es, damit das Projekt „ZFD Österreich“ jetzt schnell vorankommt?

Thomas Roithner: Internationale Partner sind ein enormer Rückenwind für die weitere Arbeit zur Einführung und Realisierung des Zivilen Friedensdienstes. In Österreich selbst braucht es – wie gesagt – den Abschluss der Prüfung durch das Außenministerium und eine Berücksichtigung im kommenden Budget.

Im Parlament hat die Grünen-Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic gesagt, dass sie froh ist, „dass es jetzt diesen Startschuss gegeben hat“, und Reinhold Lopatka von der ÖVP hat dargelegt, er will „einen Stein ins Rollen bringen“. Dazu sind wir bereit, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit unserer großen Schwester, dem Zivilen Friedensdienst in Deutschland!

Auf den Social-Media-Plattformen können Sie sich unter dem Hashtag #ZivilerFriedensdienstÖsterreich über die weiteren Entwicklungen informieren. Hintergrundinformationen erhalten Sie auf der Internetseite vom Internationalen Versöhnungsbund in Österreich und bei Thomas Roithner.


Das Foto zeigt die Göttin Pallas Athene aus der griechischen Mythologie. Die vier Meter hohe Statue ziert den Brunnen vor dem österreichischen Parlamentsgebäude in Wien. Athene ist sowohl Göttin der Weisheit und der Strategie, als auch des Kampfes. Sie gilt als die klügste und beliebteste Göttin der alten Griechen. Wir drücken die Daumen, dass die Weisheit Athenes bei der Entscheidung über die Einrichtung eines ZFD als klügste Form der Konfliktbearbeitung auf Österreichs türkis-grüne Regierung übergeht – auch wenn die Statue derzeit wegen Umbaumaßnahmen nicht zu sehen ist.