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Nepal: Reporterinnen der Gerechtigkeit

Die Organisation „The Story Kitchen“ unterstützt Frauen in Nepal, die im Bürgerkrieg Leid erfahren haben, um ihre Erlebnisse zu verarbeiten und ihre Geschichten zu dokumentieren und zu archivieren. 

Nepal ist bis heute von den Folgen des zehnjährigen Bürgerkriegs geprägt. Obwohl der bewaffnete Konflikt 2006 endete, wurden die Geschehnisse bislang kaum aufgearbeitet. The Story Kitchen (TSK), eine Partnerorganisation des ZFD-Trägers GIZ, arbeitet mit Frauen zusammen, um sie zu befähigen, ihre eigenen Geschichten und die anderer Betroffener zu erzählen.

The Story Kitchen bildet die Betroffenen zu Justice Reporters (Reporterinnen der Gerechtigkeit) aus. Sie erwerben Kenntnisse in kommunaler Radioarbeit, Interviewführung und Audiotechnik. Ausgestattet mit Mikrofon und Aufnahmegerät ermutigen sie weitere Überlebende von Gewalt, über ihre traumatischen Erfahrungen zu sprechen.

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Stimmen von Frauen hörbar machen

In Zusammenarbeit mit dem Team Dealing with the Past des Zivilen Friedensdienstes wurden die Teilnehmerinnen zudem im narrativen Therapieansatz geschult. Dieser geht davon aus, dass jeder Mensch individuelle Wege findet, um mit Trauma, Stress und Gewalt umzugehen. Dabei stehen die Geschichtenerzählerinnen im Mittelpunkt des Prozesses, den sie selbst aktiv mitgestalten.

Bisher haben 31 Justice Reporters in 18 Distrikten Nepals die Stimmen von Frauen hörbar gemacht. Mit diesem Ansatz wurden bereits über 150 Geschichten dokumentiert. Die Frauen, die ihre Erlebnisse teilten, wurden dadurch nicht nur gestärkt – sie erlangten auch die Fähigkeit, sich jenseits der Opferrolle als vielschichtige Persönlichkeiten wahrzunehmen.

Durch diese Arbeit ermöglichten die Reporterinnen einen Identitätswechsel: von Betroffenen hin zu Autorinnen ihrer eigenen Geschichten. Eine Reporterin beschreibt es so: „Die Arbeit, die wir leisten, hat uns nicht nur Wissen und Fähigkeiten vermittelt, sondern auch Kraft gegeben.“ Eine andere ergänzt: „Nach unserer Arbeit als Justice Reporters konnten wir unsere Tränen in Macht verwandeln.“

Durch das Dokumentieren von Geschichten schufen die Justice Reporters zudem Vertrauen und Solidarität unter den weiblichen Konfliktüberlebenden. In mehreren Bezirken gründeten sie lokale Netzwerke von Frauen, die sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam für Wahrheit und Gerechtigkeit eintreten. 2020 führte diese Dynamik zur Gründung eines nationalen Netzwerks für weibliche Konfliktüberlebende.

Innerhalb ihrer Gemeinschaften wurden viele Justice Reporters zu lokalen Ansprechpartnerinnen für Menschenrechts- und Konfliktthemen, zu Fürsprecherinnen der Rechte anderer und zu Führungspersönlichkeiten im sozialen und politischen Bereich. Zwei von ihnen wurden in die Provinzversammlung gewählt.

Die Justice Reporters sind weiterhin in ganz Nepal aktiv und verleihen Frauen eine Stimme, die bislang bewusst zum Schweigen gebracht wurden.


Text: Shaileshwori Sharma, Friedensberaterin Ziviler Friedensdienst der GIZ, Nepal
Foto oben: The Story Kitchen, Foto Textmitte: GIZ