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Libanon: Friedensarbeit in herausfordernden Zeiten
09.10.2025Mit verschiedenen Projekten unterstützt der Zivile Friedensdienst Kinder und Erwachsene in Libanon, für die gewaltvolle Konflikte auch nach dem Ende des Bürgerkriegs noch immer zum Alltag gehören.
Das Projekt Sports for Peace (S4P) des ZFD-Trägers Pro Peace und seiner Partnerorganisation Al Midan im Libanon bringt Kinder aus marginalisierten Gemeinschaften zusammen, damit sie zumindest für eine Stunde pro Woche spielen, frei atmen und sich sicher fühlen können.
S4P begann im September 2023 als Forschungsprojekt, wie sportliche Aktivitäten und Friedenserziehung zusammenwirken können, um Jugendlichen im Umgang mit Konflikten zu helfen. Von sozialer Ausgrenzung bedrohte junge Menschen verschiedener Ethnien werden gestärkt, um Konfliktbearbeitung, Dialog, Respekt und Fairness zu fördern.
Der Libanon kommt nicht zur Ruhe
Die libanesische Bevölkerung ist seit Jahrzehnten im Überlebensmodus. Nach einem brutalen 15-jährigen Bürgerkrieg zwischen religiösen und politischen Gruppen folgten wiederholte bewaffnete Konflikte mit Israel, verheerende Invasionen und Bombardierungen. Die Auswirkungen regionaler Kriege und die Aufnahme von Millionen von Flüchtlingen setzten die ohnehin schwache Infrastruktur unter immensen Druck.
Ausgelöst durch jahrelange Korruption und Misswirtschaft folgte ab 2019 ein völliger wirtschaftlicher Zusammenbruch. Im Jahr 2020 erschütterte die Explosion im Hafen von Beirut die erschöpfte Bevölkerung. Seitdem ist der Libanon politisch gelähmt, und die Lebensbedingungen verschlechtern sich zusehends.
Im jüngsten Krieg seit September 2024 griff Israel den Süden des Libanon und die südlichen Vororte von Beirut an und löste eine Massenflucht aus. Pro-Peace-Mitarbeitende und -Partner waren bereits körperlich, emotional und mental ausgelaugt. Viele hatten ihr Zuhause, ihre Ersparnisse und jedes Gefühl von Stabilität verloren. Doch sie passten sich an und machten weiter, mobilisierten Hilfe und unterstützten andere - oft, während sie selbst direkt betroffen waren.
Sport und Kreativität für den Frieden
Al Midan und Pro Peace wandelten den bestehenden S4P-Rahmen in eine Nothilfe um. Geflüchteten Familien boten sie in Notunterkünften im Norden des Libanon psychosoziale Unterstützung durch Spiel und Sport an.
Die Kinder kamen sehr verschlossen. Einige hatten seit Tagen nicht mehr gesprochen. Einige hatten seit Wochen nicht mehr richtig gegessen. Doch mit der Zeit ersetzte das Spiel die Angst. Der Klang einer Trillerpfeife auf einem staubigen Schulhof wurde zu einem kleinen Versprechen: Hier bist du sicher, fürs Erste. Der Schulleiter berichtet: „Die Familien kamen mit nichts als Angst, sie verließen ihre Häuser, ohne zu wissen, wohin sie gehen. Die Kinder mussten sich bewegen, schreien, lachen. Sie mussten sich wieder lebendig fühlen.“
Theaterarbeit bietet sichere Räume
Ein weiteres Beispiel für Friedensarbeit auf Gemeindeebene ist die Theatergruppe Laban. Gemeinsam mit Pro Peace schuf Laban sichere Räume, in denen geflüchtete Kinder ihre Gefühle teilen, ihre traumatischen Erfahrungen verarbeiten und Momente des Spiels und der Freude zurückgewinnen konnten.
Die Aktivitäten konzentrierten sich auf Traumaarbeit, expressive Kunst, Bewegung und Theater. Das bot den Kindern nicht nur Ablenkung, sondern auch einen Weg zur Verarbeitung ihrer Gefühle. Es war eine Art emotionale Erste-Hilfe-Maßnahme und erinnerte die Kinder daran, dass ihre Geschichten wichtig sind und dass Freude noch möglich ist.
Ausstellung verbindet Vergangenheit und Gegenwart
Eine andere Form der Friedensarbeit bot die Ausstellung „Hkeeli“ („Erzähl mir“) in Beit Beirut. Eröffnet kurz nach der Ausrufung des Waffenstillstands im November 2024, markierte die Ausstellung den 50. Jahrestag des Beginns des libanesischen Bürgerkriegs. Der Zeitpunkt dieses Gedenkakts war von bitterer Ironie geprägt - nur wenige Monate zuvor hatte der neuerliche Krieg das Land erfasst, und trotz eines Waffenstillstands wüteten Luftangriffe im ganzen Land. Die Besuchenden, die gekommen waren, um über einen Krieg nachzudenken, der vor einem halben Jahrhundert begonnen hatte, waren zum Teil gerade erst in ihre Häuser zurückgekehrt, die in der jüngsten Phase der Gewalt zerstört worden waren. Die Dissonanz war groß: Wie kann eine Gesellschaft auf einen Krieg zurückblicken, wenn die Narben eines anderen noch frisch sind?
Doch diese Spannung verlieh der Ausstellung Kraft. Sie erinnerte die Besuchenden daran, dass die Vergangenheit des Libanon überhaupt nicht vergangen ist und dass die Erinnerung ebenso viel mit der Gegenwart zu tun hat wie mit der Geschichte. Hkeeli behandelte das Erinnern als öffentliche Verantwortung, nicht als private Last. Das fand Anklang. Allein am Eröffnungstag kamen mehr als 1.000 Menschen. Seit dem 13. April sind mehr als 10.000 Menschen durch die Türen des Museums gegangen.
Frieden muss in Bewegung bleiben
Das libanesische Sprichwort „El aamal howwe el dawa“ - „Arbeit ist das Heilmittel“ ist bittersüß. Denn während die Arbeit Menschen in Bewegung hält, verzögert sie auch ihren Schmerz. Die Menschen im Libanon können mit der Lage nur umgehen, indem sie handeln. Es gibt keine andere Wahl. Der Zivile Friedensdienst unterstützt sie weiterhin bei ihren Bemühungen um Frieden und einem Umgang mit der gewaltvollen Vergangenheit und Gegenwart.
Text: Carole Maroun. Fotos: Pro Peace
Den Text haben wir gekürzt und leicht angepasst von Pro Peace übernommen.
