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Libanon: Ein Tag ist nicht genug

Zum Weltflüchtlingstag (20.6.) haben wir in der vergangenen Woche mit einem neuen Factsheet im Rahmen von „20 Jahre ZFD“ einen Blick in den Libanon geworfen. Diesen Einblick wollen wir diese Woche ein wenig vertiefen. Das kleine Land in Vorderasien beherbergt die meisten Geflüchteten – im Verhältnis zur eigenen Bevölkerung. Diese immense Herausforderung ist allein kaum zu bewältigen. Daher engagiert sich der ZFD mit insgesamt 15 Fachkräften im Land.

Seit im Nachbarland Syrien Krieg herrscht, sind knapp eine Million syrische Geflüchtete im Libanon registriert worden. Geschätzt wird, dass insgesamt 1,5 Millionen Menschen im Land untergekommen sind. Für ein Land, das genug mit sich selbst zu kämpfen hat, kann diese Aufgabe schnell zur Überforderung werden. In manchen Gemeinden hat sich die Bevölkerung seit 2011 verdoppelt. Die Infrastruktur ist überlastet und der wirtschaftliche Druck verschärft sich. Spannungen zwischen Geflüchteten und Einheimischen nehmen zu. Damit diese Konflikte nicht eskalieren, engagiert sich der ZFD mit seinen Partnerorganisationen in Gemeinden der Bekaa-Ebene (Grenzregion zu Syrien) und im Nordlibanon (Tripoli) sowie in Beirut für ein friedliches Miteinander. Gemeinschaftsprojekte bringen Geflüchtete und Einheimische zusammen, damit sie mit vereinten Kräften etwas für die Gemeinde leisten.


Ein Beispiel für ein solches Gemeinschaftsprojekt ist das Recycling-Projekt „Zeder und Jasmin“, das auf dem Factsheet zu 20 Jahre ZFD vorgestellt wird. „Wir wollen Spannungen in Bar Elias abbauen und beide Bevölkerungsgruppen einander näherbringen“, sagt Alaa Alzaibak von der ZFD-Partnerorganisation Basmeh & Zeitooneh, die das Projekt ins Leben gerufen hat. Alaa Alzaibak ist eigentlich IT-Spezialist. Vor seiner Flucht aus Syrien arbeitete der 32-Jährige bei verschiedenen Banken und Unternehmen. Jetzt engagiert er sich bei Basmeh & Zeitooneh. Die Nichtregierungsorganisation (NRO) wurde hauptsächlich von Syrern gegründet. Sie ist in der humanitären Hilfe aktiv und unterstützt Geflüchtete und Aufnahmegemeinden in den Bereichen Bildung, Kultur und Soziales. Im Rahmen des Recyclingprojekts wurden 53 Familien im Viertel Jazeera der Kleinstadt Bar Elias mit unterschiedlich farbigen Mülltonnen versorgt. Die Familien trennen nun ihren Abfall und verkaufen anschließend das gesammelte Blech und Plastik. Gemeinschaftlich entscheiden sie, was mit den Erlösen getan wird. Klar ist, dass sie dem Leben im Viertel zugutekommen sollen.

Das Factsheet und weitere Informationen zum Projekt „Zeder und Jasmin“
finden Sie in unserem Dossier „20 Jahre ZFD“.


Auch die ZFD-Partnerorganisation House of Peace (HoPe) baut an einem friedlichen Zusammenleben zwischen Geflüchteten und Einheimischen. Dazu arbeitet sie in den Aufnahmegemeinden selbst, schult aber auch andere lokale NROs, die sich in Aufnahmegemeinden engagieren. Die sogenannten „Social Peace Workshops“ richten sich an Gemeindemitglieder aller Bevölkerungsgruppen, um sie zu eigenen gemeindenahen Friedensprojekten anzustiften. Bei der Planung und Umsetzung werden sie weiter von HoPe unterstützt. Eine Auswahl solcher Initiativen, die in diesem Rahmen ins Leben gerufen wurden, findet sich auf der Website von HoPe. Bei der Arbeit mit lokalen NROs geht es vor allem darum, sie in ziviler Konfliktbearbeitung und konfliktsensiblem Handeln zu schulen. HoPe-Trainer Ali Msarrah stellt immer wieder fest, dass die überwiegende Mehrheit der Mitarbeitenden von Hilfsorganisationen im Libanon und Syrien noch nie von Konfliktsensitivität gehört. Er hat erlebt, wie gut gemeinte Projekte Schaden anrichten, etwa, wenn in einer Krisensituation Hilfe nur einer bestimmten Gruppe zugutekommt. Konflikte mit Bevölkerungsgruppen, die keine Unterstützung erhalten, sind dann vorprogrammiert.

Eine spannende Reportage über die Arbeit von HoPe am Beispiel der Nichtregierungsorganisation „Women Now for Development“ finden Sie auf der Internetseite vom forumZFD.


Der ZFD ist seit 2009 im Libanon vertreten. Seitdem ist die Anzahl der Fachkräfte vor Ort stetig gestiegen. Die Schwerpunkte lagen zunächst auf der Aufarbeitung der Bürgerkriegsvergangenheit sowie der Verbreitung von Methoden ziviler Konfliktbearbeitung in der Zivilgesellschaft. Bereits ab 2010 ging es zusätzlich darum, den gesellschaftlichen Dialog zu fördern. Seit 2014 setzt sich der ZFD außerdem für ein gewaltfreies Zusammenleben von syrischen Geflüchteten und libanesischen Einheimischen ein. Derzeit sind 15 Fachkräfte über die beiden Träger GIZ und forumZFD im Libanon aktiv. Mehr über die Situation im Libanon erfahren Sie auch in unserem Dossier Gewaltprävention.
 

Foto: Richard Klasen, grafisches Konzept: steinrücke + ich, Layout: kippconcept