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Jordanien: Licht durch die Linse

Der ZFD-Träger Pro Peace unterstützt syrische Geflüchtete in Jordanien mit vielfältigen Angeboten. Zum Beispiel Hamida Alqasmi, die in ihrem neuen Beruf als Fotografin sehr viel mehr als nur eine Einkommensquelle gefunden hat.

Für Hamida Alqasmi aus Syrien änderte sich 2013 alles. Der Krieg zerstörte ihr Zuhause und ihre Kindheit und zwang sie, in Jordanien Zuflucht zu suchen. Die Reise war lang, ungewiss und voller Verluste. Jahrelang kämpfte sie darum, zu verstehen, was mit ihrem Land, ihrer Familie und ihr selbst geschehen war. Es gab Dinge, die sie nicht erklären konnte, nicht einmal denen, die ihr am nächsten standen. Mit einem Fotografie-Kurs bei der ZFD-Trägerorganisation Pro Peace rund zehn Jahre später gelang ihr das schließlich.

Sie hatte noch nie eine Kamera benutzt. Aber von dem Moment an, als sie sie in den Händen hielt, veränderte sich etwas. Sie war wie ein Rettungsanker, eine Möglichkeit, ihre Welt zu erfassen und ihr einen Sinn zu geben. In der Ausbildung lernte Hamida nicht nur etwas über Licht und Schatten, sondern auch, sich auszudrücken und eine neue Sprache aus Bildern zu sprechen.

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Hamidas Fotos sind roh und fast bedrohlich

Mohammad Farraj, ein palästinensischer Journalist, der selbst nach Jordanien geflohen war, nachdem er jahrelang aus Konfliktgebieten berichtet hatte, leitete das Training. Farrajs Geschichte über die Gründung von „Freedom Photographers“, einer von „Freedom Writers“ inspirierten Initiative, bei der er mit Kindern im Flüchtlingslager Balata in Palästina arbeitete, machte Hamida Hoffnung. Sie begann davon zu träumen, ihre eigene Fotowerkstatt zu eröffnen, eine Art Kunsttherapie-Raum, in dem geflüchtete Frauen mit Hilfe der Fotografie Gefühle ausdrücken, die sie nicht in Worte fassen können.

Im Anschluss an die Schulung fand eine Fotoausstellung statt, bei der die Teilnehmenden zum Ausdruck bringen konnten, was Frieden für sie bedeutet. Hamidas Fotos waren roh und fast bedrohlich. Auf einem saß ein Mädchen hinter den Gittern eines Käfigs. Auf einem anderen eine Figur ohne Mund, unfähig zu sprechen. Es gab keine hellen Farben, nur Schatten. Hamida hatte ihre eigene Geschichte erzählt. Durch ihr Objektiv gab sie ihren Gefühlen endlich eine Form, einen Raum und eine Stimme. 

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Die Kamera eröffnet Wege

So wie viele Syrer*innen, die in Jordanien leben, ist Hamida mit Einschränkungen konfrontiert, die eine formelle Beschäftigung nahezu unmöglich machen. Den meisten Geflüchteten ist es nicht erlaubt, außerhalb einiger weniger zugelassener Sektoren legal zu arbeiten, und besonders für Frauen sind die Hürden noch höher: Sie stehen unter sozialem Druck, leben in wirtschaftlicher Not und haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten. „Du hast den Willen, die Fähigkeiten und sogar die Träume“, sagt Hamida, „aber manchmal fühlt es sich an, als würdest du auf der Stelle laufen.“ Die Kamera hat ihr in vielerlei Hinsicht einen Weg eröffnet, den es vorher nicht gab, eine Möglichkeit zu arbeiten und sich trotz aller Widrigkeiten etwas eigenes aufzubauen.

Was als therapeutisches Ventil begann, ist nun zu einem Lebensunterhalt geworden. Hamida arbeitet professionell als Fotografin und fotografiert unter anderem Hochzeiten und Gemeindeveranstaltungen. Aber für Hamida ist die Fotografie mehr als nur ein Job, sie ist eine stille Rebellion, ein Weg, ihre Geschichte zurückzuerobern.

Auf die Frage, ob sie nach Syrien zurückkehren möchte, jetzt, wo sich die Situation zu verbessern scheint, kommt ihre Antwort langsam. Syrien, sagt sie, ist in ihrem Herzen verankert. Aber es ist ein Ort, der sowohl mit Liebe als auch mit Verlust verbunden ist. „Ich habe hier neue Wurzeln geschlagen“, sagt sie. „Jordanien hat mir Raum gegeben, um zu heilen, um jemand Neues zu werden. Obwohl es sich ganz natürlich anfühlt, zurückzugehen, fühlt es sich gleichzeitig auch unmöglich an. Die Narben sind noch empfindlich, und die Zukunft ist noch ungewiss.“


Text: Jana Abdo, Fotos: Pro Peace Jordanien
Diesen Beitrag haben wir gekürzt und leicht angepasst von der Seite von Pro Peace übernommen.