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Interview: Rückblick auf über 20 Jahre Friedensarbeit
03.04.2025Manfred Rink arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Fachkraft und Koordinator für den ZFD-Träger AGIAMONDO in Westafrika. Der gelernte Kfz-Mechaniker und studierte Sozialarbeiter spricht im Interview über die Veränderungen in der Friedensarbeit und deren Auswirkungen auf globale Themen, wie er sie persönlich wahrgenommen hat. Manfred Rink war mit AGIAMONDO jeweils zehn Jahre in Sierra Leone und in Liberia.
Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Friedensarbeit im ZFD verändert?
Manfred Rink: Der ZFD hat sich deutlich professionalisiert. Anfangs war er weniger stark strukturiert und hatte sehr verschiedene Projekte zum Thema Frieden. Heute arbeiten die Fachkräfte gezielt zu Konfliktthemen, auch in Verbindung mit gesellschaftlichen Problemlagen wie Gewalt gegen Frauen und Kinder. Neu sind Themen wie der Klimawandel, aber existenzielle Armut bleibt in vielen afrikanischen Ländern das drängendste Problem. In der Friedensarbeit wird heute stärker auf ihre langfristigen Wirkungen geschaut und mehr Wert auf den Aufbau lokaler Strukturen gelegt. Die Themen werden außerdem zunehmend gemeinsam mit den Partnern entwickelt. Unverändert geblieben ist der Ansatz der integrierten Fachkraft: Fachkräfte arbeiten als Teil einer lokalen Organisation in kleinen Projekten mit begrenzten Budgets – ein Erfolgsmodell, wie ich finde.
Viele Menschen sind durch Kriege und Konflikte von Armut, Flucht und Gewalt betroffen. Welche Rolle spielt hier die zivile Friedensarbeit?
Manfred Rink: Der zivile Friedensdienst ist eine kleine, aber wichtige Antwort auf das Credo „Nie wieder Krieg“, besonders nach den verheerenden Kriegen des 20. Jahrhunderts. Wir übernehmen Verantwortung als Europäer*innen, denn wir waren in Ausbeutung und Genozide verwickelt, haben vom Imperialismus profitiert. Wir können nicht sagen: Das geht uns nichts an. Viele Ressourcen, die wir für unseren Lebensstil nutzen, kommen aus den betroffenen Regionen. Der Gedanke an „Eine Welt“ ist für mich daher naheliegend.
Wie sieht denn die Friedensarbeit in Konfliktregionen konkret aus?
Manfred Rink: In den vergangenen Jahren habe ich mit Vertrauenslehrern an katholischen Schulen in Liberia gearbeitet, einem Land mit langer Kriegsgeschichte. Auch 20 Jahre nach Ende des Krieges gibt es kaum Aufarbeitung der Vergangenheit. Erst jetzt soll mit einer neuen Regierung ein Sondergerichtshof für die Kriegsverbrechen eingerichtet werden. In den Schulen werden Konflikte meist mit Drohungen und Bestrafungen „gelöst“. Seitdem wir dort Sozialarbeiter*innen ausbilden und zeigen, wie wertschätzende Kommunikation aussehen kann, hat sich das geändert. Ich erinnere mich an einen Lehrer, der nach einem Jahr allmählich seinen Ansatz änderte und zunehmend auf die Schüler*innen einging. Er war begeistert, endlich echte Gespräche mit ihnen führen zu können. Die Sehnsucht nach solchen Gesprächen war immer da, aber die Methoden dafür waren durch die Gewalt der Vergangenheit verloren gegangen.

Geduld und Zuversicht scheinen wichtige Faktoren in der Friedensarbeit zu sein. Haben Sie ein Beispiel dafür, wo Sie von der Wirkung Ihrer Arbeit positiv überrascht wurden?
Manfred Rink: Das Leben in Ländern wie Sierra Leone und Liberia ändert sich nicht von heute auf morgen. Es ist ein langer Weg in kleinen Schritten. Während meiner ersten Vertragszeit in Sierra Leone arbeitete ich mit ehemaligen Kindersoldat*innen, die in die Gesellschaft reintegriert werden sollten. Viele Familien und Gemeinschaften weigerten sich, diese Jugendlichen wiederaufzunehmen, wegen all der Gräueltaten, die sie verübt hatten. Darunter war auch eine junge Frau, die mit neun Jahren von den Rebellen gefangen genommen und als Sklavin gehalten worden war. Sie hatte Furchtbares erlebt und lief während unserer Zusammenarbeit immer wieder fort. Aber unsere Bemühungen, mit ihr ins Gespräch zu kommen, damit sie Worte für das Erlebte finden konnte, schienen irgendwann zu wirken. Eines Tages kam sie zurück und erzählte, dass es ihr bessergehe. Sie hatte wieder Kontakt zu ihrer Familie und konnte sich um ihr Kind kümmern. Solche Geschichten machen Friedensarbeit aus.
Hat sich Ihr Verständnis von Solidarität und einem Guten Leben für Alle verändert?
Manfred Rink: Ich bin fest von Gerechtigkeit in der Einen Welt überzeugt, seit ich Anfang der 90er Jahre in der Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika aktiv war. Rückblickend war ich damals sicherlich naiv. Ich hoffte, die Welt verändern zu können und sah die politische Verantwortung vor allem auf europäischer Seite. Heute sehe ich die Friedensarbeit als eine wichtige Unterstützung, aber die Verantwortung für gute Regierungsführung liegt bei afrikanischen Regimes. Länder wie Botswana oder Namibia zeigen, wie das aussehen könnte. Ich wünschte, die Friedensarbeit könnte noch mehr bewegen, zum Beispiel durch den Austausch zwischen Friedensaktivist*innen vor Ort. Dennoch sehe ich diese Arbeit immer noch als großes Privileg: Teil einer Idee von einer besseren Welt zu sein, vor allem in den ärmsten Ländern der Welt. Solidarität bedeutet für mich, dort zu sein, nicht wegzuschauen, zuzuhören und gemeinsam Lösungen zu finden.
Interview: Eva Tempelmann, Fotos: Manfred Rink.
Auf dem Bild oben ist Manfred Rink (l.) zusammen mit Sumo-Varfee Molubah vom Bildungssekretariat der Erzdiözese Monrovia zu sehen. Das Bild in der Textmitte zeigt Manfred Rink bei einem Workshop mit Partnerorganisationen im Oktober 2024.
Den Text haben wir leicht angepasst von AGIAMONDO übernommen.