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HIIK-Gastbeitrag zur Klima-Konflikt-Forschung

Wie sich der Klimawandel auf das Konfliktgeschehen auswirkt, ist noch nicht eindeutig geklärt. Die Zusammenhänge sind weder einfach, noch linear. Eines ist aber klar: Die Folgen des Klimawandels können Konflikte schüren und verschärfen – vor allem dort, wo das Leben ohnehin von Instabilität, Krisen und Konflikten geprägt ist. Der folgende Beitrag des HIIK zeigt die methodischen Herausforderungen, die sich auftun, wenn die Verbindungen zwischen Klimawandelfolgen und Konfliktdynamiken untersucht werden wollen. Er schließt mit Empfehlungen zum erforderlichen Ausbau klimasensitiver Konfliktforschung.

KLIMASENSITIVE KONFLIKTFORSCHUNG

Methodische Herausforderungen im Lichte des Heidelberger Ansatzes

Beitrag zum ZFD-Hub FRIEDEN VERBESSERT DAS KLIMA von Mayely Müller, Maximilian Brien & Thomas Cranshaw (Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung, HIIK)


Die Artikel des ZFD-Hubs untersuchen den Klima-Konflikt-Nexus, den Zusammenhang zwischen Klimakrise und Konflikten, auf unterschiedliche Weise. Lukas Rüttinger fasst den aktuellen Wissensstand zum Klima-Konflikt-Nexus zusammen. Rebecca Froese widmet sich in einer Podcast-Folge ebenfalls den komplexen Wirkungszusammenhängen. Andere Beiträge liefern aufschlussreiche Fallstudien zu Niger, Lateinamerika und Uganda.


Obwohl es in den letzten Jahren viele Fortschritte gab, wissen wir immer noch enttäuschend wenig über den Zusammenhang zwischen der Klimakrise und Konflikten. Deshalb beleuchten wir die praktischen Herausforderungen und Potenziale einer klimasensitiven Konfliktforschung, indem wir insbesondere den Heidelberger Ansatz zur Konfliktforschung näher betrachten. Wir erörtern, inwieweit die kurz- und langfristigen Auswirkungen der Klimakrise berücksichtigt werden könnten, und geben Empfehlungen, wie wir unser Wissen über die Auswirkungen und Folgen der Klimakrise im Hinblick auf Konflikte verbessern können.

Der Heidelberger Ansatz in der Konfliktforschung

Nach der Definition des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung (HIIK) ist ein politischer Konflikt eine Positionsdifferenz hinsichtlich gesamtgesellschaftlich relevanter Güter zwischen mindestens zwei Akteuren, die mit beobachtbaren und aufeinander bezogenen Konfliktmaßnahmen ausgetragen wird. Diese Konfliktmaßnahmen müssen außerhalb etablierter Regelungsverfahren liegen und staatliche Kernfunktionen oder die völkerrechtliche Ordnung bedrohen bzw. dies in Aussicht stellen.

Das HIIK unterscheidet zwischen fünf Konfliktintensitätsstufen. Um die Intensität eines Konflikts zu bestimmen, verwendet das HIIK sowohl qualitative als auch quantitative Indikatoren. Damit unterscheidet sich das HIIK von anderen Forschungsprojekten, die ausschließlich quantitative Indikatoren berücksichtigen. Die Indikatoren umfassen zwei Dimensionen: die Mittel, die zur Durchführung von gewaltsamen Konfliktmaßnahmen eingesetzt werden, und die Folgen des Gewalteinsatzes. Die Mittel umfassen die Indikatoren „Waffeneinsatz“ und „Personaleinsatz“, während die Folgen die Indikatoren „Todesopfer“, „Zerstörung“ und „Flüchtlinge“ beinhalten. Das Ziel der Grundlagenforschung des HIIK ist es, alle politischen Konflikte weltweit zu definieren, zu beobachten und ihre Intensitätsstufe zu bestimmen. Es liegt jedoch außerhalb des Rahmens der HIIK-Methodik, die Ursachen oder Folgen von Konflikten zu untersuchen oder eine Kausalanalyse zu erstellen. Durch die Bereitstellung von Daten in monatlichen Intervallen sowie auf subnationaler Ebene ermöglicht der Heidelberger Ansatz die weitere Forschung zu Konflikten, einschließlich des Zusammenhangs zwischen Klima und Konflikten.

Der Klima-Konflikt-Nexus

Der Zusammenhang zwischen Klima und Konflikten ist in den letzten Jahren in den Fokus der Friedens- und Konfliktforschung gerückt, was zu einem Anstieg der Ergebnisse sowohl der qualitativen als auch der quantitativen Forschung geführt hat. Die Ergebnisse der quantitativen Forschung können jedoch als gemischt beschrieben werden. Dementsprechend wurden zwar in einigen quantitativen Studien systematische Verbindungen zwischen dem Klimawandel und Konflikten gezogen, allerdings nicht in allen Fällen. Zahlreiche qualitative Untersuchungen widmeten sich spezifischer der Frage wie sich Risiken in bestimmten Kontexten auswirken, wodurch sich direkte und indirekte Wechselwirkungen ergeben können, u.a. in den Bereichen Ernährungssicherung, Governance und sozialer Kohäsion (1).

Wissenschaftlicher Konsens besteht darin, dass die Klimakrise nicht als konfliktauslösender Faktor gesehen, sondern vielmehr in ihrer Komplexität anerkannt werden sollte (2), einschließlich des vielschichtigen Zusammenspiels zwischen politischen Konflikten und klimabedingten Folgen, wie Naturkatastrophen und Ressourcenknappheit. Die Klimakrise wird allgemein als Stressfaktor und als Risikomultiplikator betrachtet (3), wobei andere Faktoren, wie zum Beispiel die Staatsführung und die sozioökonomische Entwicklung, einen weitaus größeren Einfluss nehmen. Wie bereits erwähnt, hat Lukas Rüttinger (4) diesbezüglich eine umfangreiche Zusammenfassung erstellt.

Methodische und praktische Probleme

Bei klimasensitiver Konfliktforschung im Speziellen stellen  sich methodische und praktische Fragen bei der Umsetzung. Welche Ereignisse und Entwicklungen erachten wir als Folgen der Klimakrise? Betrachten wir auch kurzfristige Auswirkungen, also Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Dürren oder Überschwemmungen? Oder berücksichtigen wir langfristige Entwicklungen, wie Veränderungen der Temperatur oder des Meeresspiegels?

Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist, die unterschiedlichen Merkmale von einerseits kurzfristigen Ereignissen und andererseits langfristigen Entwicklungen in die Analyse zu integrieren. Hier stellt sich die Anschlussfrage, inwieweit die gängige Methodik der Konfliktforschung dieser Herausforderung gerecht werden und klimabedingte Ereignisse integrieren kann. Im Falle des HIIK werden konfliktbezogene Handlungen, Kommunikationen und Ereignisse unterschiedlich kategorisiert (5). So gibt es Konfliktmaßnahmen, die konstitutiv für einen Konflikt sind, in etwa wenn Akteure untereinander physische Gewalt anwenden. Zudem gibt es begleitende – auch korollar genannt – Konfliktmaßnahmen, beispielsweise eine Verhandlung zwischen Konfliktparteien. Beide Maßnahmenarten können in der Analyse direkt identifiziert und berücksichtigt werden. Neben konstitutiven und begleitenden Konfliktmaßnahmen werden Konfliktereignisse in die Beobachtung mitaufgenommen. Dies sind Ereignisse, die zwar nicht von den Konfliktakteuren ausgehen, sich für den Verlauf des Konflikts aber als relevant erweisen. Beispiele hierfür sind Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen. Die Heidelberger Methodik bietet also an dieser Stelle die Möglichkeit, kurzfristige Auswirkungen der Klimakrise wie Naturkatastrophen in die künftige Forschung auf qualitativer Basis einzubeziehen.

Die Berücksichtigung langfristiger Auswirkungen, wie z. B. den Anstieg des Meeresspiegels und seiner Folgen, stellt jedoch eine große methodische Herausforderung dar. Langfristige Entwicklungen fallen nicht nur aus dem Schema identifizierbarer Einzelmaßnahmen des Heidelberger Ansatzes heraus. Sie entziehen sich weitgehend dem Zugriff der traditionellen Konfliktforschung. Um den Zusammenhang zwischen klimatischen Langzeitentwicklungen und Konflikten quantitativ zu untersuchen, müssen Datensätze aus der Klimawissenschaft und der Konfliktforschung zusammengeführt werden. Wie Halvard Buhaug und Nina von Uexkull (6) darlegen, wurden in dieser Frage in den letzten zehn Jahren kaum Fortschritte erzielt.

Möglichkeiten und Empfehlungen

Um die erläuterten methodischen Ziele zu erreichen, ist Interdisziplinarität unerlässlich. Forschende an der Schnittstelle von Klima- und Konfliktforschung sollten für das Verständnis dieses komplexen Zusammenhangs sensibilisiert sein, um fortlaufend die Wechselwirkungen des Nexus zu untersuchen. Folglich haben wir drei Schritte identifiziert, die unternommen werden sollten, um dieses entscheidende Wissen aufzubauen.

  • Erstens sollten Expert*innengemeinschaften dazu ermutigt werden, über die Grenzen ihrer jeweiligen Fachgebiete hinaus zu kommunizieren. Es sollte ihnen ermöglicht werden, sich in einem längerfristigen kohärenten Rahmen zu vernetzen.
  • Zweitens muss ein umfassender methodischer Rahmen entwickelt werden, der dazu beiträgt, das Bewusstsein für den Klima-Konflikt-Nexus in der Forschung zu erhöhen.
  • Drittens kann ein Umfeld, in dem eine ganzheitliche Klima-Konflikt-Forschungsmethodik entwickelt und zur Anwendung gebracht wird, nur dann geschaffen werden, wenn ausreichende Mittel für die klimasensitive Konfliktforschung bereitgestellt werden.

Um unser Verständnis vom Zusammenhang zwischen Klima und Konflikten zu verbessern, ist die Grundlagenforschung von entscheidender Bedeutung und sollte strategischer gefördert werden. In diesem Sinne stellen die Empfehlungen des Beirats der Bundesregierung für Zivile Krisenprävention und Friedensförderung (7), wie und warum der Klima-Konflikt-Nexus stärker untersucht werden sollte, wesentliche Schritte in Richtung einer klimasensitiven Konfliktforschung dar. Die Umsetzung dieser Schritte ist jedoch eine wichtige Aufgabe, die es noch zu bewältigen gilt.


Zur Autorin und den Autoren:

Mayely Müller, Maximilian Brien und Thomas Cranshaw arbeiten und forschen am Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK), das als unabhängiger und interdisziplinärer Verein am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg angesiedelt ist. Seit 1991 widmen sich die Mitarbeitenden des HIIK, darunter derzeit über 200 Ehrenamtliche, der Erforschung, Dokumentation und Auswertung politischer Konflikte. Das jährlich erscheinende „Konfliktbarometer“ bietet eine Analyse und Einstufung sämtlicher politischen Konflikte weltweit (8).


Quellen

(1) Beatrice Mosello, Lukas Rüttinger & Liesa Sauerhammer (2019): „The Climate Change-Conflict Connection – The Current State of Knowledge“. Climate-Fragility Discussion Paper. Adelphi Research GmbH.

(2) BICC / HSFK / IFSH & INEF (2020): „Friedenspolitik in Zeiten des Klimawandels“. Fokus-Kapitel (S. 24-43) im „Friedensgutachten 2020“ der vier Friedens- und Konfliktforschungsinstitute BICC: Bonn International Center for Conversion, HSFK: Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, IFSH: Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg & INEF: Institut für Entwicklung und Frieden.

(3) Nora Rathje (2021): „Time for climate-sensitive conflict transformation. Complex crises need complex responses“. Artikel auf der Webseite der Berghof Foundation.

(4) Lukas Rüttinger (2020): „Der Klimawandel als Risikomultiplikator und Konflikttreiber“. Artikel auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung.

(5) Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK, o.J.): „Die Methodik der Heidelberger Konfliktforschung“. Artikel auf der Webseite des HIIK.

(6) Halvard Buhaug & Nina von Uexkull (2021): „Climate-conflict research: A decade of scientific progress“. Artikel auf der Webseite Prio I Climate & Conflict.

(7) Beirat der Bundesregierung für Zivile Krisenprävention und Friedensförderung (2021): „Klimawandel und Konflikte. Herausforderungen für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik“.

(8) Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (2021): „Conflict Barometer 2020“.


Foto: Jörg Boethling

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Dieser Beitrag ist im Hub Frieden verbessert das Klima des Zivilen Friedensdienstes erschienen. Dort zeigen Projektbeispiele und Fachbeiträge, welche Rolle Ziviler Konfliktbearbeitung bei der Bewältigung des Klimawandels und seiner Folgen zukommt.