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Guinea: Es braucht Aufarbeitung

Am 28.9.2009 versammelten sich rund 50.000 Anhängerinnen und Anhänger der Opposition im Stadion von Conakry, Guinea, um gegen die autoritäre Politik des damaligen Präsidenten Camara zu demonstrieren. Sicherheitskräfte bereiteten der Kundgebung ein blutiges Ende: Mehr als 150 Menschen starben. Anlässlich des zehnten Jahrestages blicken wir mit einem neuen FACTSHEET nach Guinea.

Autoritäre Regime haben Guinea jahrzehntelang geknechtet und herabgewirtschaftet. Die Jahrzehnte der Unterdrückung haben das gesellschaftliche Klima vergiftet und eine Kultur der Gewalt hinterlassen. Mit dem Übergang von militärischer zu ziviler Regierung Ende 2010 war die Hoffnung auf Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftliche Aussöhnung verbunden. Politische Unruhen, staatliche Willkür, Gewalt und Armut sind aber weiterhin verbreitet. Schwere Menschenrechtsverletzungen wurden bis heute kaum aufgearbeitet.

Das gilt auch für das Massaker von vor zehn Jahren. Bei der Kundgebung im Fußballstadion „Stade du 28 Septembre“ hatten mehrere Hundert Sicherheitskräfte das Stadium gestürmt, das Feuer eröffnet und damit eine Massenpanik ausgelöst. Mindestens 157 Menschen sind zu Tode gekommen. Mehr als 1.000 Menschen wurden verletzt, über 100 Frauen vergewaltigt. Bislang ist keiner der Täter vor Gericht gebracht worden. Nicht einmal alle Opfer konnten identifiziert werden. Von einer juristischen Aufarbeitung der grausamen Geschehnisse von 2009 ist das Land damit noch weit entfernt.

Nach Angaben der „International Federation for Human Rights“ (FIDH), dem internationalen Dachverband von 184 Menschenrechtsorganisation aus 112 Ländern, wurde die offizielle Untersuchung der Ereignisse bereits vor zwei Jahren abgeschlossen. Der Termin für den Verhandlungsbeginn sei aber nach wie vor offen. Aufgrund politischer, finanzieller und logistischer Hindernisse, so die Einschätzung der FIDH, sei bereits die Untersuchung der Ermittlungsrichter nur schleppend vorangekommen. Sie war im Februar 2010 aufgenommen und Ende 2017 abgeschlossen worden. So warten die Opfer und ihre Angehörigen seit einem Jahrzehnt vergeblich auf die ihnen gebührende Gerechtigkeit.

Anlässlich des zehnten Jahrestages ruft die FIDH daher gemeinsam mit fünf weiteren Menschenrechtsorganisationen in einer eindrücklichen Videobotschaft dazu auf, die Aufarbeitung der Verbrechen vom 28.9.2009 endlich voranzubringen. Neun Überlebende lassen die Ereignisse mit wenigen, dafür aber umso eindringlicheren Worten noch einmal aufleben, um stellvertretend für die vielen Opfer Gerechtigkeit zu fordern. Neben FIDH, Amnesty International und Human Rigths Watch stehen auch die ehemalige ZFD-Partnerorganisation OGDH sowie der größte nationale Opferverband AVIPA hinter der Videobotschaft.

Auch wir gedenken der Ereignisse vom 28.9., indem wir unsere Aufmerksamkeit diese Woche nach Guinea richten. Unser neues FACTSHEET „Was kann aus Schauplätzen wieder Marktplätze machen? FRIEDEN KANN. im Rahmen von 20 JAHRE ZFD zeigt, wie die Arbeit des Zivilen Friedensdienstes Guineas Weg in Richtung Gerechtigkeit und Frieden unterstützt. Weitergehende Informationen finden Sie in unserem Dossier Gewaltprävention.

Hier können Sie sich die Videobotschaft (2:30 Min., OmeU) der sechs Menschenrechtsorganisationen ansehen. Die dazugehörige Pressemeldung der FIDH finden Sie hier auf Englisch und Französisch. In einem aktuellen Interview mit der Deutschen Welle stellt der amtierende Justizminister Guineas einen baldigen Prozessauftakt zumindest in Aussicht. Für die Opfer wäre dies ein wichtiges Zeichen: „By giving us a date for the trial, it would give us hope“, sagt einer der Überlebenden in der Videobotschaft.