Aktuelles

Gastbeitrag: Militär und Krieg als Klimakiller

Passend zum Int. Tag zum Schutz der Umwelt vor kriegerischen Auseinandersetzungen am 6.11. zeigt Prof. Dr. Klaus Moegling in seinem Beitrag für den ZFD-Klima-Hub, wie Krieg und Militär zum Klimawandel beitragen. Selbst in Friedenszeiten ist das Militär einer der größten CO2-Emittenten weltweit.  

Der Internationale Tag für die Verhütung der Ausbeutung der Umwelt in Kriegen und bewaffneten Konflikten wurde 2001 von der UN-Generalversammlung ins Leben gerufen und wird seitdem jährlich am 6. November begangen. Er richtet das Augenmerk auf die Umweltschäden durch kriegerische Auseinandersetzungen – die neben den vielen anderen Verlusten oft als zweitrangig angesehen werden.

Tatsache ist jedoch, dass die Schäden immens sind. Bewaffnete Konflikte hinterlassen verbrannte Erde im übertragenen, wie im buchstäblichen Sinne: Wälder und Felder sind niedergebrannt, Brunnen und Böden vergiftet. Das Ökosystem erleidet massive Schäden, wodurch die Lebensgrundlage vieler Menschen zerstört wird.

Der folgende Beitrag von Prof. Dr. Moegling beleuchtet den immensen Impact von Krieg und Militär auf Umweltzerstörung und Klimawandel in Kriegs-, aber auch in Friedenszeiten. Die sich anschließende Bilanz enthält Empfehlungen für Politik und Zivilgesellschaft, insbesondere die Friedens- und Umweltbewegungen.

Umwelt, Militär und Krieg

Beitrag zum ZFD-Hub FRIEDEN VERBESSERT DAS KLIMA von Prof. Dr. Klaus Moegling


Ein über lange Zeit vernachlässigter Aspekt von Aufrüstung und militärischer Aktivität liegt in der massiven Umweltzerstörung, die weltweit durch Kriege verursacht wird. Aber auch im Regelbetrieb militärischen Alltags und militärischer Übungen ist das Militär der größte institutionelle Emittent von Klimagasen. Die Vergiftung und Zerstörung der Umwelt mit schwerwiegenden Folgen für Menschen, Tiere und Pflanzen kommen erst jetzt am Rande der aktuellen Proteste der Umwelt- und der Friedensbewegung allmählich an die Öffentlichkeit.


Neuere Geschichte militärbedingter Umweltzerstörung

Die beiden Weltkriege verwandelten zahlreiche Regionen in eine zerstörte und mit Waffenresten und Kampfmitteln verseuchte Landschaft.

Nach Schätzungen des Fraunhofer Instituts liegen ungefähr 1,6 Millionen Tonnen konventionelle Kampfmittel und circa 200.000 Tonnen chemische Kampfmittel auf den Meeresböden der Ost- und Nordsee. Seeminen, Bomben, Giftgasgranaten rosten, werden porös und geben ihre giftige Ladung in die Umwelt frei, so dass über die Fische das Gift in die menschliche Nahrungskette gerät. (1)

Die beiden Atombombenabwürfe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im August 1945 bewirkten, neben einer Viertelmillion Toten allein 1945, bis heute die radioaktive Verseuchung dieser Regionen sowie zahlreiche Krebstote und mit genetischen Defekten geborene Kinder.

Es wurden bereits 1961 Pflanzenschutzmittel in Vietnam nach Anordnung durch den US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy eingesetzt, um den Vietcong die Deckung im entlaubten Regenwald zu nehmen und deren Reisfelder zu zerstören. Ab Februar 1967 wurde im Vietnam-Krieg das Pflanzengift ‚Agent Orange‘ zur Entlaubung des vietnamesischen Regenwalds und zur Zerstörung der Reisfelder des Vietcong eingesetzt; der größte Chemie-Angriff der Geschichte. Das darin enthaltene Dioxin konnte bis heute nicht entfernt werden und ist für massive Krebserkrankungen und Gendefekte in Vietnam verantwortlich. (2)

Die ‚Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen‘ (ICAN), die 2017 den Friedensnobelpreis erhielt, geht von circa 2.000 Atomwaffentests mit der Sprengkraft von 29.000 Hiroshima-Bomben aus, die unter der Erde, im Wasser und über dem Boden durchgeführt wurden. Die Atomwaffenversuche sind verantwortlich für eine umfangreiche radioaktive Verseuchung verschiedener Regionen sowie heute für circa 2,4 Millionen Krebstote. (3)

Aktuelle Umweltzerstörung durch Kriege

Brennende Ölquellen im Zuge von militärischen Auseinandersetzungen im arabischen Raum, z.B. im Irak-Krieg, sorgten für eine massive Verschmutzung der Biosphäre mit Kohlenstoffdioxid (CO2). Ein weiteres Beispiel hierfür sind die brennenden Ölquellen Saudi-Arabiens im Rahmen des Jemen-Kriegs.

Aber insbesondere die 30-jährige Bombardierung des Irak mit hunderttausenden Einsätzen von Kampfflugzeugen mit Tod bringender Bombenlast ging mit einer massiven Umweltzerstörung einher. Die USA und ihre Verbündeten töteten über 30 Jahre hinweg insgesamt 2,7 Millionen Menschen im Zuge des 2. und 3. Golfkrieges und den nachfolgenden Einsätzen und Maßnahmen, im Durchschnitt pro Tag 250 Menschen (4). Die ökologischen Folgeschäden gehen v.a. auf die Bombardierungen und das Anzünden von Ölanlagen, aber auch auf den Einsatz von Uran-Munition zurück.

Hierüber hinaus: Wenn militärische Truppen ein besetztes Gebiet räumen, hinterlassen sie oftmals ein ökologisches Desaster, das schwerwiegende Folgen für die Gesundheit der dort lebenden Menschen hat. Die US-Armee darf nach ihrem eigenen Statut keine Materialien zurücklassen, sodass alles, was nicht mitgenommen wird, in sogenannten ‚Burn-Pits‘ verbrannt wird. Das sind große Gruben, in denen u.a. Ölrückstände, chemischer Abfall, Sprengstoff, Batterien, Farbe, Autowracks in Flammen aufgehen. Durch die entstehenden Emissionen gelangen Giftpartikel ungefiltert in die Luft und bringen schädliche Auswirkungen für Mensch und Umwelt. (5)

Radioaktive Munition wurde nicht nur im Irak, sondern u.a. auch im ehemaligen Jugoslawien von der NATO verwendet. Heute wird es beispielsweise in Syrien eingesetzt. Überall dort, wo Uran-Munition zum Einsatz kommt, wird die Umwelt vergiftet, die Gebiete bleiben über lange Zeit verstrahlt. Als Folge kommen gehäuft Kinder mit Missbildungen auf die Welt, die oft so gravierend sind, dass die Kinder nicht überlebensfähig sind. Die Anzahl an Krebserkrankten steigt.

Aktuelle Umweltzerstörung durch das Militär

Das Militär ist nicht nur im militärischen Einsatzfall, sondern auch im militärischen Alltagsbetrieb, d.h. in (noch) kriegsfreien Zeiten und Regionen, einer der größten globalen Umweltverschmutzer. So schreibt Markus Gelau (2018) am Beispiel des US-Militärs:

„Offiziell werden auf den weltweit 1.000 Militärbasen täglich 320.000 Barrel Öl verbraucht. Hauptsächlich verursacht durch die sich ständig im Einsatz befindlichen 285 Kampf- und Versorgungsschiffe der US-Navy. Ebenso rund 4.000 Kampfflugzeuge, 28.000 gepanzerte Fahrzeuge, 140.000 sonstige Fahrzeuge, über 4.000 Hubschrauber, mehrere Hundert Transportflugzeuge und 187.493 Transportfahrzeuge.“ (alle Zahlen aus 2012). (6)

Auch Deutschland ist von dieser Problematik nicht ausgenommen. Das zeigen die massiven Waldbrände 2019 auf einem ehemaligen Übungsgelände der DDR-Armee und der Bundeswehr in Mecklenburg-Vorpommern, mit der damit verbundenen Gefahr weiterer explodierender Munition sowie die immer noch auftretenden Bombenfunde in deutschen Großstädten.

Der Friedens- und Umweltaktivist Bernhard Trautvetter sieht das weltweite Militär als einen der gefährlichsten institutionellen Klimaschädiger an, das bereits im Normalbetrieb massive Schäden verursacht – ganz abgesehen vom Kriegsfall:

„Ein Eurofighter verbrennt pro Flugstunde circa 3.500 kg Treibstoff, wobei circa 11 Tonnen CO2 entstehen. (…) Ein Panzer verbraucht je nach Gelände pro 100 km circa 500 Liter Treibstoff.“ (7)

Man geht von Klimaschädigungen allein des US-Militärs in einer Größenordnung dreier Staaten aus – so das Ergebnis einer Anfrage von Wissenschaftlern an die US-Behörde ‚Defense Logistic Agency‘:

„Die Wissenschaftler ermittelten auf Basis dieser Daten, dass die US-Streitkräfte, wenn sie ein Nationalstaat wären, der 47. größte Emittent von Treibhausgasen in der Welt wären, wenn man nur die Emissionen aus der Kraftstoffnutzung berücksichtigen würde. Damit würde das US-Militär alleine mehr Emissionen verursachen als Portugal, Schweden oder Dänemark. Im Jahr 2017 benötigte das US-Militär jeden Tag etwa 42,9 Millionen Liter Öl, dabei wurden mehr als 25 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Die US-Luftwaffe kaufte im selben Jahr Treibstoffe im Wert von 4,9 Milliarden US-Dollar, die Marine 2,8 Milliarden US-Dollar, gefolgt von der Armee mit 977 Millionen US-Dollar und den Marines mit 36 Millionen US-Dollar, wodurch mehr klimawirksame Gase emittiert wurden als von den meisten mittelgroßen Ländern.“ (8)

Ein weiteres Problem stellt die ökologische Kontaminierung durch Landminen dar. Die Vereinten Nationen schätzen, dass in den vergangenen Jahrzehnten mehr als 100 Millionen Landminen in über 70 Ländern gelegt wurden. 13 Derartige Gegenden z.B. im ehemaligen Jugoslawien, in der Demokratischen Republik Kongo, in Vietnam, Kambodscha oder Tschetschenien sind somit kampfmittelverseucht und langfristig weder für Wohnungsbau oder Landwirtschaft nutzbar, da deren Beseitigung teuer und auch nur über einen längeren Zeitraum hinweg Schritt für Schritt erfolgen kann. Noch nicht erwähnt ist hier die todbringende Gefahr für die Menschen durch Explosionen.

Aufrüstung verhindert Bekämpfung der Klimakrise

Wenn eine Aufrüstung Deutschlands und der EU im Sinne der NATO-Anforderungen (zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militärausgaben) vollzogen wird, dann fehlt dieses Geld für die existenziell notwendige Bekämpfung der Klimakrise – so der internationale Friedensnetzwerker Rainer Braun und der Umweltpolitiker Michael Müller (2018):

„Wir leben (…) in einem unfertigen Frieden, in dem soziale Unterschiede und ökologische Risiken zunehmen. Hunger, Elend und Umweltzerstörung erzeugen eine Gewalt, die Kriege auslösen kann. Zusätzlich fast 30 Milliarden Euro fürs Militär würden der Modernisierung der Infrastruktur, dem sozialen Wohnungsbau, der Entwicklungszusammenarbeit oder im Kampf gegen den Klimawandel fehlen. Geld muss in die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 und das Pariser Klimaabkommen fließen, um die Erderwärmung möglichst bei 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Das sind Investitionen, die für den Frieden unverzichtbar sind.“ (9)

Vor allem die Ausklammerung des Militärs als Klimaschädiger aus dem Kyoto-Protokoll und dem Versuch, dies auch für die Pariser Verträge vorzunehmen, insbesondere auf Druck der USA (10), verweist des Weiteren auf die internationale Dimension der Problematik. Hier sind die Vereinten Nationen gefragt, die Umweltschäden durch Militär und Kriegseinsätze in die internationalen Klima-Verträge aufzunehmen. Dies dürfte ihnen leichter fallen, wenn ein stärkerer zivilgesellschaftlicher Druck aufgebaut wird, z.B. über die Fridays-for-Future-Bewegung, die Ostermarsch-Bewegung und weitere Aktivitäten der Friedens- und Umweltbewegung.

Zudem ist auch die Frage der Finanzierung einer Beseitigung der durch Militär verursachten Umweltschäden zu stellen. Hierzu müssten – neben den verursachenden Parteien – auch die Produzenten in der Rüstungsindustrie herangezogen werden. Es ist nicht vertret- und damit auch nicht länger hinnehmbar, dass die Rüstungsindustrie erhebliche Gewinne einstreicht, während die Kosten von Staat und Steuerzahler/innen getragen werden müssen. Es ist beispielsweise überhaupt nicht einsichtig, warum die Hersteller von Tellerminen nicht auch für deren Beseitigung und für Schadensersatzforderungen der Opfer aufkommen sollten.

Zum gemeinsamen Interesse von Umwelt- und Friedensbewegung

Diese Bilanz zeigt: Umwelt- und Friedensbewegung haben einen gemeinsamen substanziellen Schnittpunkt. Die Forderung nach Abrüstung und Beendigung militärischer Intervention. Für die Umweltbewegung sollten diese Aspekte wegen der gravierenden Umweltzerstörung durch Militär und Krieg den gleichen Stellenwert erlangen, wie es traditionell für die Friedensbewegung gilt.  Sowohl Umwelt-, als auch Friedensbewegung sollten bei ihren zentralen Forderungen nach Umwelt- und Klimaschutz einerseits sowie nach Abrüstung und Friedensförderung andererseits, stärker den ökologischen Schaden, den das Militär sowohl in Friedens-, als auch in Kriegszeiten verursacht, einbeziehen.

Des Weiteren sollte auf das Missverhältnis von Militärausgaben und Investitionen in den Umweltschutz aufmerksam gemacht werden, welches zeigt, dass es weiten Teilen der Politik an Problembewusstsein mangelt, was den Interessen der Rüstungsindustrie natürlich entgegenkommt. Der Friedensaktivist Bernhard Trautvetter (2019a) hat dies für Deutschland eindrucksvoll in Zahlen dokumentiert:

„Auch in Deutschland wird die indirekt umweltgefährdende Wirkung der Rüstung schon beim Blick auf den Bundeshaushalt unmittelbar klar: Der Ansatz für die sogenannte Verteidigung erreichte 2019 einen neuen Rekord, indem er sprunghaft von circa 38,5 Milliarden Euro auf 43,2 Milliarden Euro anstieg. Der Ansatz für Umwelt, Naturschutz und sogenannte nukleare Sicherheit stieg von knapp 2 Milliarden Euro auf knapp 2,3 Milliarden Euro. Das Verhältnis von Militärausgaben und dem Etat, der unter anderem die Kosten für Umwelt aufführt, beträgt circa neunzehn zu eins.“


bild_moegling_quadr_bearb_verkl.jpg

Zum Autor

Apl. Prof. Dr. habil. Klaus Moegling arbeitet im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an der Universität Kassel. Er ist Autor von u.a. ‚Neuordnung. Eine friedliche und nachhaltig entwickelte Welt ist (noch) möglich‘. Das Buch liegt seit 2020 in 3. Auflage vor (Opladen, Berlin, Toronto: Verlag Barbara Budrich). Die 4. aktualisierte und erweiterte Auflage steht englischsprachig im Open Access bereit: https://www.klaus-moegling.de/international-edition


Quellen

(1) Fraunhofer Institut (2018): Gefährliche Altlasten in Ost- und Nordsee. Presseinformation vom 1.8.2018 zum gleichnamigen Artikel in der Reihe FORSCHUNG KOMPAKT, August 2018.

(2) Langels, Otto (2017): „Agent Orange“ im Vietnamkrieg. Der größte Chemieangriff der Geschichte, Artikel vom 7.2.17 auf Deutschlandfunk Kultur.

(3) ICAN Deutschland e.V. (o.J.): Auswirkungen von Atomwaffentests [letzter Abruf am 3.11.2021]

(4) Reimann, Jakob (2021): Seit 30 Jahren bombardieren die USA den Irak. Artikel auf der Internetseite NachDenkSeiten vom 11.3.2021. 

(5) Leukefeld, Karin (2019): Verbrannte Erde. In: Jens Wernicke & Dirk Pohlmann (Hrsg.): Die Öko-Katastrophe. Den Planeten zu retten, heißt die herrschenden Eliten zu stürzen, S. 160-165.

(6) Gelau, Markus (2018): US-Militär: Der größte Umweltverschmutzer der Welt. Artikel auf greenfinder vom 14.10.2018.

(7) Trautvetter, Bernhard (2021): Die Grünen fordern eine klimaverträgliche Armee. Artikel auf der Internetseite NachDenkSeiten vom 8.3.2021. 

(8) Krebs, Andreas (2019): Das US-Militär – Einer der größten Klimasünder in der Welt. Artikel auf Heise vom 26.6.2019.

(9) Braun, Reiner & Müller, Michael (2018): Keine Militarisierung der Außenpolitik. Gastbeitrag auf der Internetseite der Frankfurter Rundschau vom 17.1.2018. Vgl. hierzu auch den von Michael Müller (Vorsitzender der Naturfreunde Deutschlands) auf dem 25. Friedensratschlag in Kasse im Dezember 2018 gehaltenen Vortrag, publiziert in: Luehr Henken (Hrsg., 2019): Verunsicherungen trotzen. Konfliktanalysen und Lösungsansätze aus der Friedensbewegung. Kassel: Jenior Verlag.

(10) Braun, Reiner (2019): Umweltterror durch Militär auch ohne Krieg. In: Friedensjournal, Juli-August 2019, Nr.4, 3-5.

zfd-klima-hub_startfoto_tim-bunke_wfd.jpg

Dieser Beitrag ist im Hub Frieden verbessert das Klima des Zivilen Friedensdienstes erschienen. Dort zeigen Projektbeispiele und Fachbeiträge, welche Rolle Ziviler Konfliktbearbeitung bei der Bewältigung des Klimawandels und seiner Folgen zukommt.