Aktuelles

Corona-Pandemie: Ruhe im Sturm

Während das benachbarte Indonesien weiter von steigenden Fallzahlen betroffen ist, gilt Timor-Leste seit dem 15. Mai offiziell als coronafrei. Dass die Zahl der Infizierten überschaubar blieb, ist auch der Erfolg einer emsigen Zivilgesellschaft. Die ZFD-Partner Ba Futuru und CPA tragen seit dem Auftreten von COVID-19 dazu bei, die Bevölkerung über Gefahren und Schutzmaßnahmen zu informieren. Das läuft bislang vor allem über virtuelle und mobile Kanäle – und erfordert eine flexible und kreative Herangehensweise. Die Ergebnisse sprechen für sich.

Die Corona-Pandemie traf Timor-Leste in einer denkbar ungünstigen Zeit. Seit drei Jahren befindet sich das Land in einer innenpolitischen Krise. Bis dato gibt es trotz mehrerer Anläufe und vorgezogener Neuwahlen keine stabile Regierung. Mitte März 2020 kam es in der Hauptstadt Dili zudem zu schweren Überschwemmungen, die einen Schaden von mehr als 20 Millionen US-Dollar verursachten. Um diese zusätzliche Herausforderung zu bewältigen, ist das Engagement der Zivilgesellschaft umso wichtiger. Die Partnerorganisationen des Zivilen Friedensdienstes haben diese Herausforderung angenommen – und gemeistert. „Meine Partnerorganisation hat sehr schnell auf die Situation reagiert“, sagt André de la Chaux, der Ba Futuru („Für die Zukunft“) als ZFD-Fachkraft unterstützt. „Wir arbeiten sonst viel im direkten Kontakt mit unseren Zielgruppen und sind dafür im ganzen Land unterwegs. Solche Veranstaltungen sind aber derzeit nicht erlaubt. Deshalb sind wir auch hier auf virtuelle Möglichkeiten umgestiegen.“

Die ZFD-Partnerorganisation Ba Futuru arbeitet seit 2004 landesweit in den Bereichen Friedenspädagogik und Konfliktbearbeitung. Mittlerweile engagieren sich bei der Nichtregierungsorganisation über 50 Mitarbeitende und Freiwillige. Zu den Zielgruppen zählen Kinder, Jugendliche, Frauen, Eltern, Lehrkräfte wie auch Schlüsselpersonen aus Politik und Verwaltung. Mehr als 40.000 Personen haben bereits von den Angeboten von Ba Futuru profitiert. André de la Chaux unterstützt die Organisation seit 2019. Trotz der Ungewissheit, die mit der COVID-19-Pandemie einhergeht, ist er im Land geblieben. Als Medienpädagoge bringt er auch für die Umstellung auf digitale Inhalte das nötige Handwerkszeug mit. „Für meine direkten Kolleginnen und Kollegen erstelle ich kleine Tutorial-Videos, die erläutern, wie sie diverse Programme und Apps im Homeoffice einsetzen können. Auch eine kleine E-Learning-Einheit zum Thema Fake und Hoax News ist in Planung. Als studierter Medienpädagoge bin ich auf das Erstellen von Medienbildungsangeboten spezialisiert – und kann so meine Partnerorganisation gut unterstützen.“

Um weiterhin den Kontakt zu den Zielgruppen zu halten – und sie für die Gefahren durch das Coronavirus und den verhängten Ausnahmezustand zu wappnen, hat Ba Futuru in kürzester Zeit eine ganze Reihe von digitalen Inhalten produziert. Neben kleinen Aufklärungsvideos wurde mit der Combo „The KrakeN Band“ ein Lied aufgenommen, das für Corona sensibilisiert. Das offizielle Musikvideo ist seit kurzem auf Youtube zu sehen. Zugleich wurde eine Mitmachaktion auf TikTok gestartet: Wer liefert die beste Choreo zum Refrain des Songs? Die Videos erreichen via Social Media auch Jugendliche und junge Erwachsene im ländlichen Raum. Durch das Programm „Youth ChangeMaker“ hat Ba Futuru in den vergangenen Jahren junge Erwachsene im ganzen Land dahingehend trainiert, Veränderungsprozesse in ihren Dörfern und Städten anzustoßen. Sie nehmen nun auch in Sachen Coronaprävention eine entscheidende Rolle ein, indem sie die von Ba Futuru erstellten Inhalte weiter verbreiten und somit dazu beitragen, dass die gesundheitliche Aufklärung auch jenseits der großen Städte ankommt. Als es darum ging, in ihren Gemeinden mit einfachen Mitteln öffentliche Waschstationen, sogenannte Tippy Taps, zu errichten, haben sich die „ChangeMaker“ ebenfalls eifrig beteiligt. Um die Gruppe der Kinder zu erreichen – Kindergärten und Schulen waren auch in Timor-Leste über Wochen geschlossen und werden erst seit letzter Woche wieder schrittweise geöffnet, hat Ba Futuru zahlreiche Videos mit Bastelideen und Experimenten erstellt. Auch das timoresische Märchenbuch „Coconut Man“ wurde auf Tetum, der timoresischen Amtssprache, und Englisch als audiovisuelles Hörbuch umgesetzt.

Selbst wenn die Situation in Timor-Leste derzeit nach Entwarnung aussieht, ist die Gefahr nicht gebannt. Daher bleibt es erforderlich, die Menschen weiterhin flächendeckend und anschaulich zu informieren. Auch die ZFD-Partnerorganisation Casa de Produção Audiovisual (CPA „Haus für audiovisuelle Produktion“) setzt zu diesem Zweck derzeit vor allem auf mobile und digitale Kommunikationswege. Kurze animierte Aufklärungsfilme vermitteln auf Tetum Informationen und Schutzmöglichkeiten vor dem Coronavirus. Die jesuitische Organisation CPA leistet seit 2002 einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der gewaltvollen Vergangenheit und zur Entwicklung in Richtung Frieden – und wird derzeit von ZFD-Fachkraft Anemi Wick unterstützt. CPA macht insbesondere durch die Produktion von Filmen von sich reden, die regelmäßig im timoresischen Fernsehen laufen, so auch die aktuellen Corona-Clips. In Sachen Corona-Eindämmung ist es außerdem zu einer Kooperation zwischen CPA und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gekommen. Das gemeinsame Format „Let's ask WHO Timor-Leste!“ auf dem CPA-Facebook-Profil greift dringliche Fragen rund um COVID-19 auf.

Beide Partnerorganisationen, CPA und Ba Futuru, widmen sich momentan gemeinsam dem Thema „Falschmeldungen“, das auch in Zeiten von Corona von höchster Brisanz ist – nicht nur in Timor-Leste. „Bei dem Thema Fake News“, verrät André de la Chaux, „sind wir gerade dabei, in Kooperation mit meiner ZFD-Kollegin Anemi Wick und ihrer Partnerorganisaion CPA das Thema etwas umfangreicher und langfristiger umzusetzen, sodass möglichst viele Menschen dadurch erreicht werden können. Geplant ist, auch hier eine kleine Minifilmserie zu produzieren.“ Wir dürfen gespannt sein...


Der Zivile Friedensdienst ist seit 15 Jahren in Timor-Leste aktiv. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Friedenspädagogik, -journalismus und Straßensozialarbeit. Gemeinsam mit seinen lokalen Partnern setzt der ZFD vor allem auf die junge Generation. Von ihr hängt in entscheidendem Maß ab, wie die Entwicklung des Landes voranschreiten wird. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung sind unter 25 Jahre alt. Doch es mangelt an Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten, die ihnen Perspektiven eröffnen würden. Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 40 Prozent extrem hoch. Die prekäre Lage der unter 25-Jährigen birgt ein hohes Konfliktpotential in sich.

Mehr über die Arbeit des ZFD in Timor-Leste erfahren Sie in unserer Projektdatenbank.

Ein Interview mit André de la Chaux über seine Arbeit bei Ba Futuru sowie einen Bericht über die Arbeit von Anemi Wick bei CPA finden Sie auf der Webseite des ZFD-Trägers AGIAMONDO.
 

Fotos (in der Reihenfolge ihres Erscheinens): Ba Futuru (2x), André de la Chaux, Ba Futuru (2x), Rui Muakandala / CPA, Anemi Wick; Illustrationen (in der Reihenfolge ihres Erscheinens): M. D. Pereira, Dorcy Roslya Daos / CPA (2x)