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Berlinale: Friedensfilmpreis für zivilen Protest

Der Dokumentarfilm „Espero tua (re)volta“ der brasilianischen Regisseurin Eliza Capai erhält den 34. Friedensfilmpreis. Der Film geht unter die Haut. Er ist mittendrin im Geschehen, dem Protest Zehntausender für das Recht auf Bildung.

Auslöser des Protests war 2015 die geplante Umgestaltung des Schulwesens in São Paulo, dem bevölkerungsreichsten Staat in Brasilien. Rund 100 staatliche Schulen sollten geschlossen werden. Davon wären 300.000 Schülerinnen und Schüler betroffen gewesen, vor allem Kinder aus armen und sozial benachteiligten Familien. Doch Brasiliens Jugend war nicht bereit, dies tatenlos hinzunehmen. Die Jugendlichen gingen auf die Straße und fingen an, ihre Schulen zu besetzen. Studierende und Gewerkschaften schlossen sich den Protesten an, sodass es landesweit zu Aktionen gegen Sozial- und Bildungsabbau kam. Auf dem Höhepunkt der Proteste waren Ende 2016 über 1.000 staatliche Schulen und 171 höhere Bildungseinrichtungen in ganz Brasilien besetzt. Als geräumt wurde, kamen Tränengas und Gummigeschosse zum Einsatz.

„Espero tua (re)volta“ dokumentiert diesen Protest, das Ringen der jungen Menschen um Demokratie und dem Recht auf Bildung. Doch „Espero tua (re)volta“ ist kein gewöhnlicher Dokumentarfilm. Er setzt auf Filmmaterial der Aktivistinnen und Aktivisten und montiert das Originalmaterial geschickt mit eigens gedrehten Sequenzen. „Der im Kollektiv entstandene Film überzeugt durch seine intelligente Montage und seine originelle Erzählform. Die mitreißende Dynamik des Films inspiriert uns, selbst gewaltfrei gegen den Missbrauch staatlicher Autorität auf die Barrikaden zu gehen“, urteilt die Jury des Friedensfilmpreises. 

Im Rahmen der Berlinale 2019, den Internationalen Filmfestspielen Berlin, wurde „Espero tua (re)volta“ am 17. Februar mit dem 34. Friedensfilmpreis ausgezeichnet. Der Preis würdigt Filme, die in herausragender Weise das friedliche Zusammenleben fördern und ist mit 5.000 Euro dotiert. Eine unabhängige Jury sichtet sektionsübergreifend die Filme der Berlinale und prämiert alljährlich den Film, der durch seine eindringliche Friedensbotschaft und seine ästhetische Umsetzung besticht. In diesem Jahr bestand die Jury aus Helgard Gammert, Andreas Höfer, Jean Peters, Lena Müller, Nora Al-Badri, Borbála Nagy, Peter Steudtner. Zum Trägerkreis des Friedensfilmpreises zählt auch der Weltfriedensdienst, einer der neun Träger des Zivilen Friedensdienstes. Neben dem WFD wird der Friedensfilmpreis von der Heinrich Böll Stiftung und der Friedensinitiative Zehlendorf ausgerichtet. Der Friedensfilmpreis ist weltweit der einzige Friedenspreis, der auf einem A-Filmfestival verliehen wird.

„Espero tua (re)volta“ (englischer Titel: „Your turn“) hat übrigens nicht nur die Friedensfilm-Jury überzeugt. Der Film wurde im Rahmen der Berlinale 2019 auch mit dem 15. Amnesty-Filmpreis von Amnesty International ausgezeichnet. Der mehrdeutige Titel des Films lässt sich auf Deutsch in etwa so übersetzen: Ich hoffe auf deine Rückkehr / Ich erwarte deinen Aufstand. Auf der Berlinale feierte der Film seine Weltpremiere.

Eliza Capai zeichnet bei „Espero tua (re)volta“ nicht nur für Buch und Regie verantwortlich, sondern war auch maßgeblich an Montage und Kamera beteiligt. Die Filmemacherin wurde 1979 in Brasilien geboren. In ihren Dokumentarfilmen beschäftigt sie sich mit sozialen Themen und geht dabei alternative Produktions-, Erzähl- und Vertriebswege. Ein Kurzinterview mit Eliza Capai über den Preisträgerfilm finden Sie hier auf den Seiten der Berlinale (auf Englisch).

Der offizielle Trailer zum Film ist hier zu sehen (auf Portugiesisch).

 

Foto: Das Foto zeigt einen Ausschnitt aus dem offiziellen Plakat zum Film „Espero tua (re)volta“ von Eliza Capai.