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Corona-Pandemie: Friedensarbeit muss weitergehen

„The fury of the virus illustrates the folly of war.“ – Mit diesen Worten rief UN-Generalsekretär António Guterres zu einem weltweiten Waffenstillstand auf. Die Bedrohung durch die Corona-Pandemie offenbare die Torheit von Krieg und Gewalt. Tatsächlich zeigt der Appell mancherorts Wirkung. Und doch ist es gerade jetzt dringend nötig, die Bemühungen um friedliche Konfliktbearbeitung aufrechtzuerhalten. Besonders in Krisen- und Konfliktregionen besteht die Gefahr, dass sich Konflikte verschärfen und Gewalt ausbricht. Der ZFD und seine Partner setzen ihre Arbeit fort und reagieren auf die neuen Herausforderungen.

Die Corona-Pandemie trifft die Gesellschaft fragiler Staaten besonders hart. Die ohnehin prekäre Gesundheitsversorgung steht vor dem Kollaps. Es fehlt an Schutzkleidung und Möglichkeiten zur Umsetzung von Hygienemaßnahmen. Die Lebensbedingungen insbesondere der ärmsten Bevölkerung in vielen Staaten begünstigen die Ausbreitung des Corona-Virus und führen zu einer drastischen Zunahme sozialer Spannungen und häuslicher Gewalt. Konflikte werden durch knapper werdende Ressourcen, Unsicherheit und Ängste verschärft. Es mehren sich Hinweise, dass autoritäre Regierungen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie ausnutzen, um Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft weiter einzuengen. All dies ist ein gefährlicher Nährboden für Gewalt.

Destabilisierte Gesellschaften brauchen jetzt – dringender denn je – langfristige Unterstützung bei Friedensförderung und Gewaltprävention

Die Friedensarbeit des ZFD geht daher weiter. In den meisten Ländern arbeiten ZFD-Partnerorganisationen und Fachkräfte im Homeoffice mit virtuellen Kommunikationstools. Wie in Deutschland gelten vielerorts Ausgangsbeschränkungen oder -sperren.

Dieser Beitrag zeigt an drei Beispielen aus Ruanda, Kenia und Guinea-Bissau, wie die Arbeit im Zivilen Friedensdienstes in Zeiten von Corona konkret aussieht. Es ist davon auszugehen, dass die Corona-Krise uns noch lange beschäftigt. Die schwerwiegenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen gefährden den Frieden in vielen Ländern langfristig.

Der Zivile Friedensdienst steht seinen Partnern jetzt und in Zukunft zur Seite, denn internationale Partnerschaften und gelebte Solidarität sind in Zeiten wie diesen wichtiger denn je.


   Kenia: Mit Corona-Fakenews-Alert einen kühlen Kopf bewahren

In Kenia unterstützt der ZFD das Netzwerk „UMOJA – Radio for Peace“ der Partnerorganisation KCOMNET. Mehr als 40 Community-Radios sind Mitglied in dem Netzwerk. Ihr Anliegen ist es, konfliktsensibel über Themen zu berichten, die die Bevölkerung bewegen und sie in Diskussionen einzubinden. Radio trägt so dazu bei, den gesellschaftlichen Frieden zu wahren und Spannungen abzubauen. Das ist gerade in Krisenzeiten wichtig, denn besonders dann verbreiten sich Falschnachrichten wie Lauffeuer. Sie schüren Ängste und nicht selten münden Spannungen dann in gewaltsame Auseinandersetzungen. Um dem vorzubeugen, konzentriert sich UMOJA mit Unterstützung der ZFD-Fachkräfte auf sachliche Aufklärung, beispielsweise durch einen Corona-Fakenews-Alert. „Gerade in Krisenzeiten ist es Aufgabe des Community-Radios, den Menschen zu helfen, den Unterschied zwischen Fakten und Fälschung zu erkennen“, sagt Faith Chege, Journalistin und lokale Friedensfachkraft im UMOJA – Radio for Peace-Projekt. Tagesaktuell prüft eine Gruppe von sechs Journalistinnen und Journalisten Nachrichten im Internet auf ihren Wahrheitsgehalt. Gleichzeitig wird sondiert, welche Themen die Bevölkerung besonders beschäftigen. Das Team produziert auf dieser Basis Inhalte wie z.B. Clips, denen die Menschen vertrauen können. Die Clips werden auf Englisch, Swahili und Somali übersetzt und als Service-Pakete an alle 42 Umoja-Radiostationen und weitere kenianische Sender geschickt. Auf diese Weise werden 12 Millionen Hörerinnen und Hörer erreicht. Gleichzeitig gehen die Skripte und Clips auch an das Social Media-Team von UMOJA für Social Media-Messages, Collagen und kleine Video-Clips.

Um Geflüchtete und Binnenvertriebene in der Krise mit verlässlichen Informationen zu versorgen, sendet das UMOJA-Team das Material in das Camp Kakuma im Norden Kenias, wo mehr als 200.000 Menschen leben. 15 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren übersetzen es in bis zu 12 lokale Sprachen. Sie verbreiten es über Social Media und über Lautsprecherautos.

Darüber hinaus ist der ZFD in Kenia verstärkt für Menschen da, die Opfer von Stigmatisierung oder häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt wurden. Es wurde eine Hotline eingerichtet, an die sich Menschen in Not wenden können. Vermehrt vermitteln Fachkräfte auch bei Konflikten, die durch die Corona-bedingten Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens und die schlechtere wirtschaftliche Situation entstehen.


    Ruanda: Virus stoppen – Frieden von zu Hause fördern

„Der Ausbruch des Virus hat das normale Leben der Menschen unterbrochen, er schränkt die Friedensarbeit ein, er verstärkt Angst und psychisches Leid,“ sagt Dr. Joseph Ryarasa Nkurunziza, Direktor der ZFD-Partnerorganisation Never Again Rwanda. Daher sei es gerade in diesen Zeiten so wichtig, die Friedensarbeit fortzusetzen. „Wir können unsere Arbeit nicht pausieren, bis die Krise vorbei ist, denn das würde uns enorm zurückwerfen“, erklärt er. „Wir nutzen nun vermehrt digitale Plattformen, um Diskriminierung anzuprangern und um Botschaften der Hoffnung, des Friedens und der Bedeutung von Toleranz und Einheit in dieser Zeit zu verbreiten.“

Die Organisation derzeit ist besonders in der Online-Welt aktiv. In Ruanda herrschen wegen der Corona-Pandemie strenge Ausgangsregelungen. „Wir verwenden Bildmaterial und Videoclips, um vor allem die junge Bevölkerung in sozialen Netzwerken für ihre Rolle im Kampf gegen das Virus zu sensibilisieren. Wir ermutigen sie, ihre Friedensbemühungen von zu aus Hause fortzusetzen“, sagt Dr. Nkurunziza. „Wir wollen sicherstellen, dass sie die Präventionsmaßnahmen einhalten und bei allem, was sie tun, weiter Frieden fördern.“

In einem Clip der Organisation mit dem Titel „Stay at home“ wird dafür geworben, daheim zu bleiben, um sich und andere zu schützen. Ein zweiter Clip "Let´s stop Corona-Virus“ ruft zur Zusammenarbeit auf, um das Virus einzudämmen. Der Clip legt den Menschen fünf einfache Präventivmaßnahmen ans Herz und erinnert sie daran, niemals den Frieden aus den Augen zu verlieren. „In diesen schweren Zeiten sorgen wir uns um das mentale Wohlbefinden der Menschen“, so Dr. Nkurunziza. „Wir glauben, dass die Friedensbemühungen nach der Krise reibungslos weitergehen, wenn in dieser Zeit der Ungewissheit für die psychische Gesundheit gesorgt wird. Jeder wird eine Rolle spielen müssen, um mit den Folgen des Ausbruchs für die Friedensbemühungen fertig zu werden.“


   Guinea-Bissau: Lautsprecher gegen Gerüchteküche

In Guinea-Bissau trifft die Corona-Pandemie auf eine sehr instabile politische Lage. Nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen Ende Dezember 2019 verschärfen sich die innenpolitischen Auseinandersetzungen. Es wird befürchtet, dass das Gewaltpotenzial durch die politische Situation, durch umstrittene behördliche Maßnahmen und ein kaum funktionsfähiges Gesundheitssystem steigt. Lokale zivilgesellschaftliche Organisationen arbeiten auf Hochtouren daran, dem entgegenzuwirken. Der ZFD fördert in Guinea-Bissau ein Netzwerk von elf landesweit tätigen Friedensgruppen. Diese bemühen sich jetzt um eine Partnerschaft mit lokalen staatlichen Institutionen des Gesundheitswesens und des Seuchenschutzes, um der Ausbreitung der Pandemie gemeinsam entgegenzuwirken. Es wurden zudem erste Radiospots aufgenommen, die über Corona-Präventionsmaßnahmen informieren. Ein Projektauto fährt durch die Straßen von Bissau und sendet die Spots zusätzlich aus Lautsprechern.

Die nächste Generation der Spots ist schon in Arbeit. Dabei soll es um den Umgang mit Falschnachrichten und Gerüchten über Heilmittel gehen. Der ZFD setzt bei seinen Aktivitäten verstärkt auf digitale Unterstützung der Kommunikation über soziale Online-Netzwerke. „Eine digital gestützte Kommunikation gab es im Netzwerk schon zuvor, wir hatten dies bereits während der Wahlprozesse angeschoben. Jetzt erhält sie mit COVID-19 einen neuen Fokus und ist durch die Ausbildung der Mediatorinnen und Mediatoren gut vorbereitet“, sagt ZFD-Fachkraft Jasmina Barckhausen. „Daher ist das Netzwerk bereit, die Konflikte zu bearbeiten, die sich gerade erst entwickeln, beispielsweise durch Hunger oder Diebstähle. Die Cashewernte müsste eigentlich gerade beginnen und gilt schon als gescheitert.“ Jasmina Barckhausen unterstützt das Netzwerk aus der Ferne: „Ich bin in ständigem Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen, ich informiere mich permanent über Internetradio, soziale Medien und eine vom Friedensnetzwerk genutzte App“, berichtet sie, „Ich stelle über diese Kanäle meine Fragen, die hoffentlich helfen, die Maßnahmen zielgerichtet zu gestalten. Die Konflikte werden sich verschärfen und müssen bearbeitet werden. Dazu braucht es Mutmacher wie das Projekt des Friedensforums.“


Fotos: Mamadu Queba Queita; Claudina Joaquim da Silva Gomes; KCOMNET/UMOJA Radio for peace; Never Again Rwanda