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Bolivien: Studieren geht über resignieren

An der Universität Núr ist der erste postgraduale Studiengang zur Bearbeitung von Umwelt- und Ressourcenkonflikten in Bolivien gestartet. Das Studienangebot ist das Ergebnis der seit 2018 bestehenden Kooperation zwischen ZFD und Núr-Uni. Binnen zwei Jahren wurden die fachlichen und didaktischen Grundlagen gelegt. Vor zwei Wochen haben die ersten Männer und Frauen ihr Studium aufgenommen.

Der Postgraduierten-Studiengang „Transformación de conflictos socioambientales en Bolivia” umfasst acht Module, die über einen Zeitraum von acht Monaten angegangen werden. Im Fokus stehen „sozio-ökologische Konflikte“, also Konflikte, die sich rund um Nutzung und Nutzen von natürlichen Ressourcen entzünden. Zehn Dozierende aus vier Ländern stehen den Studierenden in Theorie und Praxis beiseite.

Im März 2018 wurde ein Kooperationsvertrag zwischen der Universidad Núr und dem Zivilen Friedensdienst unterzeichnet. Seitdem wurde das Thema Umwelt- und Ressourcenkonflikte am Institut für sozialwissenschaftliche Forschung (Instituto de Investigación Científica Social, IICP) intensiv aufbereitet. Neben Grundlagenforschung und Fachaustausch war die Entwicklung des Studienangebots wesentlicher Teil der bisherigen Zusammenarbeit.

Ein erster Meilenstein der Kooperation war das gemeinsam organisierte Forum „Bolivien und seine sozio-ökologischen Herausforderungen“ mit 300 Teilnehmenden im September 2018. Im vergangenen Jahr wurden gleich zwei gemeinsame Publikationen zum Thema veröffentlicht, die vom IICP herausgegeben und unter Mitwirkung weiterer Partnerinnen und Partner entstanden sind. Beide Broschüren stehen in unserer Publikationsdatenbank zum Download bereit:

Der nun auf den Weg gebrachte Studiengang stellt ohne Frage einen weiteren Meilenstein der Kooperation, aber noch lange nicht das Ende der konstruktiven Zusammenarbeit, dar.


Zum Hintergrund: Die bolivianische Gesellschaft ist nach wie vor durch ein hohes Maß an Ungleichheit geprägt. Die Armut ist trotz beachtlicher Fortschritte weiterhin groß, vor allem im ländlichen Raum und innerhalb der indigenen Bevölkerung, die mit 40 bis 60 Prozent etwa die Hälfte der Bolivianerinnen und Bolivianer ausmacht. Ihre soziale, politische und wirtschaftliche Beteiligung bleibt eine Herausforderung. Hinzu kommen Konflikte um Ressourcen, insbesondere Wasser und Boden. Diese Konflikte können vor dem Hintergrund existentieller Sorgen schnell eskalieren und in Gewalt münden. Ein erhöhtes Konfliktpotenzial besteht auch bei geplanten Infrastrukturprojekten, dem Abbau von Bodenschätzen und der Ausweitung industrieller Landwirtschaft.

Zur aktuellen Situation: Das Coronavirus hat auch Bolivien erreicht. Derzeit sind nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität 38 Personen infiziert (Stand: 26.3.). Interimspräsidentin Jeanine Áñez hat am 22.3. für das ganze Land eine mindestens 14-tägige Quarantäne angeordnet. Gestern wurden die Einschränkungen weiter verschärft. Die für Anfang Mai 2020 vorgesehenen Neuwahlen der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wurden auf ungewisse Zeit verschoben.


Die private Universität Núr liegt in Santa Cruz de la Sierra, dem wirtschaftlichen Zentrum des Landes. Sie wurde 1982 mit dem Ziel gegründet, durch individuelle Kompetenzförderung einen Beitrag zu einer gerechten, friedlichen und harmonischen Gesellschaft zu leisten. Gegenwärtig sind an der Uni mehr als 4.000 Studierende in 17 Bachelor- und Postgraduierten-Studiengängen eingeschrieben.

Der Zivile Friedensdienst arbeitet auch mit anderen bolivianischen Partnerorganisationen an der konstruktiven Bearbeitung von Umwelt- und Ressourcenkonflikten in Bolivien. Zwei Beispiele: Die Partnerorganisation „Fundación TIERRA“ initiiert und begleitet über ihr Regionalbüro „TIERRA Oriente“ im Amazonastiefland den Dialog zwischen indigenen Völkern und Binnenvertriebenen zum Management natürlicher Ressourcen. Die „Stiftung zum Erhalt des tropischen Trockenwaldes der Chiquitania“ (FCBC) führt in Gemeinden der Chiquitania-Region im östlichen Bolivien Rundtische und Informationsveranstaltungen zum Schutz und zur ressourcenschonenden Bewirtschaftung dieses einzigartigen Ökosystems durch.

Mehr über das Engagement des ZFD in Bolivien erfahren Sie in unserer Projektdatenbank.

 

Foto: Bei der Fotocollage handelt es sich um das Werbeplakat zum Postgraduierten-Studiengang „Transformación de conflictos socioambientales en Bolivia” an der Universidad Núr.